Disclaimer: Die Charaktere von Xena und Gabrielle sind Eigentum von Universal und Renaissance Pictures. Es ist keine Copyrightverletzung beabsichtigt.
Dank: Ich bin erfreut, dass so vielen von euch die Serie zu gefallen scheint. Eure Kommentare sind sehr freundlich und sehr willkommen. Besonderen Dank an Lisa und Inga, meine geduldigen und hart arbeitenden Betareaderinnen. So, wie die Geschichten angelegt sind, ist es am besten, wenn man sie in der richtigen Reihenfolge ließt.
Warnung: Diese Geschichte gehört zu "Alternative Fiction". Bitte lest sie nicht, wenn ihr minderjährig seid oder es an eurem Ende der Welt illegal sein sollte.
Besondere Warnung: Die Einleitung der Geschichte basiert auf den Ereignissen vom November 1997 in Deir el-Bahari, Ägypten, wo 58 Ägypter und Touristen bei einem grausamen Terroranschlag ums Leben kamen. Einige der Leser könnten die Einleitung beunruhigend finden und möchten sie vielleicht lieber überspringen.
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Copyright © August 2006 Jany

 

Egyptain Encounter

By
Anne Azel
a_azel@hotmail.com

Übersetzung von jany

Teil 1
Einleitung
Sie hatten sich an diesem Morgen gestritten. Ihr erster wirklicher Streit. Es hatte vorher schon Kabbeleien gegeben, aber noch keinen wirklichen Streit. Dies war ein Streit gewesen. Letztendlich hatte sich Cheops Malone einen Tag von ihrer Arbeit als Archäologin frei genommen und die zwei Kinder gegen Wilhelminia Kyrtsakis' Wunsch mitgenommen, um die Tempel von Königin Hepshepsut zu besuchen. Major Kyrtsakis hingegen war wutentbrannt davon gerauscht, um ihren Pflichten nachzugehen.
Es war kaum 8 Uhr gewesen, als sie das Tal der Könige, in dem Cheops arbeitete, verließen und dem berühmten Agatha Christiepfad folgten, der sie über den Bergrücken führen würde, der das Tal der Könige von dem der Königinnen trennte. Bereits jetzt war es warm und die kühlen Wintermonate wichen der kommenden Sommerhitze. Cheops nahm ihre Sonnenbrille aus der Tasche und setzte sie auf.
Als sie den unfruchtbaren Gebirgskamm hinaufgingen erzählte Cheops den zwei Kindern davon dass Agatha Christie viele bekannte Krimis geschrieben hatte. Ihr Ehemann war ein wichtiger Archäologe gewesen und so hatte Christie die Umgebung des Tals der Könige für einen ihrer Romane verwendet.
In dem Roman war Hercule Poirot zusammen mit einigen anderen Charakteren diesen Pfad entlang gegangen, um das Tal der Königinnen zu besuchen. Nach der Veröffentlichung des Buches bekam der Pfad den Namen der Autorin, welche ihn berühmt gemacht hatte.
Cheops' Tochter lachte und stellte auf ihrem Weg viele Fragen über die Autorin und den Roman. Ihr Erdbeerblondes Haar leuchtete golden im Licht der Sonne. Willys Sohn ging still voraus. Er sprach selten viel, aber Cheops wusste, dass er alles in sich aufsaugte. Er war attraktiv und dunkel wie seine Mutter und seine Bewegungen enthielten die gleiche kontrollierte Stärke und anmutige Sicherheit wie ihre.
Vom Rücken des Berges konnten sie hinunter auf den berühmten Klippentempel schauen. Seine drei langen Etagen waren in ihrer Lage perfekt ausbalanciert und daran angeschlossen waren viele Treppen. Als sie vorsichtig den steilen, sich windenden Pfad hinunter gingen, erzählte Cheops ihnen von König Thutmoses dem Dritten, der vermutlich am Tod der Königin verantwortlich gewesen war. Er hatte sie gehasst, weil sie ihm seine Anhänger gestohlen hatte, als er noch zu jung gewesen war, um zu regieren und sie sich geweigert hatte, sie zurück zu geben, nachdem er älter geworden war.
Nach ihrem Tod, hatte er befohlen, dass jede Statue, jedes Bild oder jeder Name, der sie als Pharao darstellte zerstört werden sollte. Es hatte ihm nicht genügt, ihr das Leben zu nehmen, er war wild entschlossen ihre Unsterblichkeit zu zerstören. Cheops Tochter schauderte und ergriff die Hand ihrer Mutter. Willys Sohn nickte, womit er das Bedürfnis die Anhänger des Feindes zu demoralisieren anerkannte.
Dies war der Grund gewesen, warum sie sich an diesem Morgen gestritten hatten. Cheops hatte vorgeschlagen, dass Willy darüber nachdenken sollte, ihren Sohn zurück nach Großbritannien ins Internat zu schicken, wo er sorgfältig unterrichtet werden würde, bis er alt genug war, um in Sandhurst aufgenommen zu werden. Sie war der Meinung, dass der Junge glücklicher wäre, wenn er eine normale Kindheit bekäme. Es war das Wort 'normal' gewesen, welches Willy in die Luft gehen lassen hatte. Sie hatte es als Angriff auf ihren Job gesehen, was es irgendwie auch gewesen war.
"Ich mag vielleicht in deiner kleinen snobistischen akademischen Welt nicht normal sein, aber Leute wie ich sind es, die an den Fronten kämpfen, um die Welt zu beschützen, nicht du. Willst du über bedeutungslose Existenzen sprechen? Was ist dann damit, dass du im Dreck nach jahrtausende alten toten Körpern gräbst?!"
"Viertausend und hör auf Beleidigungen durch die Gegend zu schreien! Verdammt Willy, können wir nicht einmal eine Meinungsverschiedenheit haben, ohne dass du sie komme was wolle gewinnen musst?!"
Cheops schüttelte ihren Kopf, um das Echo des morgendlichen Kampfes aus ihrem Kopf zu vertreiben, während sie die Kinder die Treppen hinauf in den Tempel führte, um ihnen die faszinierenden Fresken zu zeigen, die immer noch deutlich auf den Wänden zu erkennen waren. Auf dem Weg biss sie sich in Gedanken versunken auf die Lippe. Nach ihrer Rückkehr würde sie Willy anrufen und sich entschuldigen. Sie hatte kein Recht, ihr zu erzählen, wie sie ihren Sohn zu erziehen hatte, egal wie nah sie sich über den letzten Winter gekommen waren.
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Willy hielt am Straßenrand. Der schwarze Highway wand seinen Weg durch die Steinwüste zur Fähre, welche ihren Jeep über den Nil nach Luxor befördern würde. Sie hatte einen anstrengenden Tag vor sich. Die Sicherheitspläne für den bevorstehenden Besuch hochrangiger britischer Regierungsbeamter waren fast umgesetzt. Zu einem Zeitpunkt an dem die terroristischen Aktivitäten zunahmen, konnte man nichts für selbstverständlich halten. Als Sicherheitsoffizier des Sondereinsatzkommandos war es ihr Job sicherzustellen, dass der Besuch ohne Vorfälle verlief.
Sie seufzte und wendete den Jeep. Glücklicherweise verstanden die Ägypter die Zeit im Sinne von Jahrzehnten und nicht nach Terminkalendern. Sie würde die nächste Fähre nehmen und zu spät kommen und dennoch zu früh zum Meeting mit dem Sicherheitsminister erscheinen. Sie musste einfach umdrehen und sich bei Cheops entschuldigen. Sie hatte einige wirklich dumme Dinge gesagt.
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Sie waren in den inneren Räumen des Tempels, umgeben von einer Gruppe deutscher Touristen und einer Hand voll Ägypter, als sie angegriffen wurden. Cheops konnte sich daran erinnern, dass sie bei den ersten Schüssen und Schreien zurückgeblickt und erleichtert festgestellt hatte, dass sich am Eingang einige Touristenpolizisten befanden. Dann hatten sie ihre Waffen erhoben und erneut gefeuert. Es gab kein Entkommen.
Eine Kugel zerschmetterte eine ihrer Rippen, als sie durch sie hindurch ging und eine weitere ihren Handgelenkknochen, als sie zu Boden ging. Instinktiv rollte sie sich so, dass die Kinder unter ihr in Sicherheit waren, nicht wissend, dass sie bereits tot waren. Das Feuer endete, aber die Schreie wurden immer schlimmer. Sie blickte auf, um zu sehen, dass die Mörder nun die Körper entlang gingen und ihre Macheten benutzten, um Gesichter zu zerfetzen und den noch lebenden die Bäuche aufschlitzten. Sie wickelte sich um ihre Kinder und betete, dass sie überleben würden.
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Inge traf Major Krytsakis am Eingang des Grabes KV 5, erfreut darüber, dass Cheops ihr die Grabung anvertraut hatte, während sie an diesem Morgen mit den Kindern unterwegs war. "Es tut mir Leid Major, Cheops ist bereits gegangen. Sie haben den Christiepfad über... Das sind Schüsse! Schnell!", rief Inge den Arbeitern zu, die sich im Freien befanden. "Begebt euch ins Grab!" Um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter besorgt, war sie sich nur wage der Tatsache bewusst, dass der Major sich auf den Weg durch das trockene Tal gemacht hatte. Ihre langen Beine ließen den Pfad schnell hinter sich.
Inge stand am Eingang und beobachtete sie besorgt. Weitere Touristenbusse trafen ein, aber nun erhielten ihre Führer telefonisch die Nachricht, dass als Polizisten verkleidete Terroristen in Deir el-Bahari Leute umbrachten.
Sie wünschte sich, dass ihr Ägyptisch genauso gut wäre, wie das von Cheops, welche die Sommer ihrer Kindheit mit ihren Eltern in Ägypten verbracht hatte, da diese selbst Archäologen waren.
Von dem, was sie verstehen konnte, erkannte sie, dass die Situation auf der anderen Seite des Bergrückens wirklich schlimm sein musste. Für eine Weile hatte das Feuer aufgehört, aber man konnte immer noch Schreie hören. Dann gingen die Schüsse wieder los und es breitete sich das Gerücht aus, dass die Terroristen auf dem Weg zum Tal der Könige waren. Aber niemand kam. Nach einer Weile stoppten sowohl die Schüsse als auch die Schreie. Die Busse ließen die Touristen raus, eine extra Gruppe Polizisten tauchte auf und Inge befahl der Crew wieder an die Arbeit zu gehen.
Ismail, Cheops ägyptischer Vorarbeiter stellte sich neben Inge. "Diese verdammten Terroristen", stöhnte er, während Tränen sein Gesicht herunter rollten. "Sie haben meinen Kindern den Boden unter den Füßen weggezogen. Wie sollen sie ihre Familien versorgen, wenn die Touristen verschwinden?!"
"Cheops war mit den Kindern dort drüben. Ich kann die Grabstelle nicht verlassen. Cheops wäre wütend, wenn irgendetwas gestohlen werden würde und sie hat die Schlüssel, so dass ich die Tore nicht abschließen kann. Ich will dich nicht in Gefahr bringen Ismail, aber wir müssen wissen, ob Cheops in Sicherheit ist. Kannst du sie suchen gehen?", fragte Inge, ihre Stimme brach vor Sorge.
Ismail trocknete umgehend sein Gesicht. "Ich gehe", sagte er, bereits im Gehen.
"Sei vorsichtig!", warnte Inge, während sie sich wünschte, dass sie ihre Verpflichtungen zurücklassen und selbst nach Cheops suchen könnte.
Willy traf einen der letzten Terroristen auf dem Pfad, als sie über den Bergrücken kam. Ein ägyptischer Arbeiter hatte sich an seinem Bein festgeklammert und das hatte seine Flucht verlangsamt bis er dem Mann in die Hüfte geschossen hatte. Willy bremste ihn ebenfalls, indem sie ihm einen rechten Haken verpasste, der ihn den Hügel herunter auf eine Gruppe ägyptischer Arbeiter zu purzeln ließ, die ihn aus lauter Wut zu Tode trampelten. Willy rannte durch sie hindurch, über den offenen Hof und die Stufen hinauf, während sie nach Cheops rief.
Einer der als Wache verkleideten Terroristen versuchte sie aufzuhalten, aber sie stieß ihn zur Seite und rannte in den Tempel, wo sie auf dem Blut ausrutschte, das den gesamten Boden bedeckte. Panisch blickte sie sich um. Bitte, lass sie nicht hier sein, betete sie und spürte wie ihr Herz stehen blieb, als sie Cheops Körper in einer wachsenden blutigen Pfütze liegen sah. Der untere Teil ihres rechten Beines war fast vollständig abgehackt worden und das zertrümmerte Ende weißen Knochens hing aus dem blutigen Stumpf. Willy stöhnte bestürzt und entfernte ihren Militärgürtel während sie sich einen Weg durch die toten Körper zu der Frau, die sie liebte, bahnte.
Schnell band sie den Gürtel fest um das Bein unterhalb des Knies. Dann zog sie ihr Hemd aus und band den abgetrennten Fuß fest an den Stumpf. Sie kämpfte mit sich, versucht ihren Mageninhalt drin und ihre Hände vom Zittern abzuhalten. In diesem Augenblick sah sie den Arm ihres Sohnes hervorragen.
Sanft bewegte sie Cheops aus dem Weg. Die zwei Kinder lagen zusammen gekauert. Ihr Sohn hatte sich um das kleine Mädchen gewickelt, um sie zu beschützen. Ihre unschuldige Schönheit wurde durch den Horror ruiniert, der auf ihren Gesichtern festgefroren war. Willy saß im Blut und hielt ihren Sohn fest, als die Welt über ihr zusammen brach.


Zwei Jahre Später: Türkei
Gunnul streckte ihre langen Beine aus, wobei sie vorsätzlich Jamies kleine Füße zwischen ihren eigenen gefangen nahm. Ihre Seelengefährtin blickte von ihrer Seite des gemeinsamen Schreibtisches auf und lächelte. "Ich liebe dich, Jamie", sagte Gunnul auf ihre ernste Art, die sich sehen ließ, wenn tiefe Gefühle im Spiel waren und ihr die Worte fehlten, um ihnen Ausdruck zu verleihen.
Jamie lächelte. "Ich liebe dich auch", antwortete sie. Einmal hatte sie sehr zu Gunnuls Verwirrung mit ‚Ich liebe dich mehr' geantwortet. Gunnuls Englisch war ausgezeichnet, aber dennoch entging ihr manchmal die Bedeutung beim Übersetzen oder ihr gradliniger Verstand interpretierte es verkehrt. Die arme Gunnul war am Boden zerstört gewesen, da sie glaubte, dass Jamie dachte, dass sie sie nicht genug liebte! Es hatte einige Erklärungen und einen Abend voller Liebe gebraucht, um ihr zu versichern, dass in ihrer Beziehung alles in Ordnung war.
"Nächste Woche wohnst du seit einem Jahr hier, Jamie", erklärte Gunnul, ihr Bein an Jamies reibend. "Ich denke, dass es gut wäre, noch einmal in die Flitterwochen zu fahren."
Jamie reichte erfreut herüber und ergriff Gunnuls lange, starke Hand. "Das wäre wundervoll! Aber wir können nicht ohne Chrissy nach Disney World fahren, sie würde nie wieder mit uns reden!" Gunnuls Augen weiteten sich überrascht und Jamie lachte erfreut.
Ich habe die Reiseführer in deiner Brieftasche gesehen, als ich nach den Monatsberichten gesucht habe", erklärte sie.
Gunnuls Augenbraue hob sich gespielt verärgert. "Dann werden wir..."
"Mütter! Mütter!", hörten sie die wilden Rufe eines hübschen jungen Mädchens, dass durch die geöffneten französischen Türen, welche auf die Terrasse führten, ins Familienzimmer gerannt kam.
Gunnul kniete im Bruchteil einer Sekunde neben ihrer Tochter und Jamie stand nur wenige Schritte hinter ihr. "Was ist denn los?", fragte Gunnul besorgt.
"Ihr müsst schnell kommen!", erklärte Chrissy, während sie zwischen ihren beiden Müttern hin und her blickte. "Das geheime Grab im Garten bricht auseinander!"
"Jamie bring Chrissy mit!", ordnete Gunnul an, als sie losrannte. Chrissy und ihre Mutter folgten so schnell wie es mit Jamies verkrüppeltem Bein möglich war. Gunnuls lange Beine und ihr kraftvoller Gang hatten sie einige Minuten früher an dem Grab ankommen lassen als die anderen beiden.
Sie stand geschockt da und blickte auf das Grab herunter, das sich in dem wilden Garten hinter dem hohen, schmiedeeisernen Zaun befand. Jamie und Chrissy traten neben sie. Der steinerne Deckel des Grabes knackte leise und sie konnten sehen, wie sich weitere hauchdünne Risse bildeten. Die ehemals bewundernswerten, antiken, griechischen Muster waren auf Grund des zerbrechenden Steines kaum noch zu erkennen.
"Was hat das zu bedeuten?", fragte Jamie und streckte ihre Hand nach dem Grab aus, doch Gunnul hielt sie davon ab.
"Ich weiß es nicht", murmelte die größere Frau.
"Sie sind unglücklich. Sie sprechen nicht mehr miteinander", sagte Chrissy und Tränen bahnten sich ihren Weg über ihr Gesicht.
Jamie nahm ihre Tochter in die Arme. "Sind es die aus der Vergangenheit, die du spüren kannst Chrissy?", fragte sie.
Das Kind nickte. "Ja die aus der Vergangenheit und die, die in unserer Nähe leben", erklärte sie ernst. Gunnul und Jamie tauschten Blicke.
"Wo leben sie Chirssy? Weißt du das?", fragte Jamie und strich sanft über das Haar ihrer Tochter.
Chrissy schüttelte den Kopf. "Nein, aber es ist heiß und trocken wie hier in der Türkei. Du wirst uns nicht verlassen oder Mama?!", jammerte Chrissy und hielt Jamie fest. Gunnuls Augen verdunkelten sich durch die Angst, die von ihrer immer noch existierenden Unsicherheit her stammte.
Jamie legte einen Arm um ihre Tochter und ergriff mit der anderen Hand Gunnuls. "Nein, egal was passiert, wir drei werden für immer eine Familie sein", sagte sie zuversichtlich. "Und wir werden ihnen unsere ganze Liebe schicken, so dass auch die aus der Vergangenheit ihren Weg finden können, okay?"


Ägypten
Es war spät, als das aus London kommende Flugzeug in Kairo landete. Willy wartete bis die meisten der fünfhundert Passagiere ausgestiegen waren und sich in einem großen Schwarm sammelten, um auf ihr Gepäck zu warten. Willy hatte lediglich Handgepäck dabei. Die vielen Jahre beim Militär hatten sie gelehrt leicht zu reisen. Sie ging den verstaubten grünen Gang hinunter und hielt an der gelben auf den Boden gezeichneten Linie an, wo sie darauf wartete, dass ihr die Wache in der schlecht sitzenden Wolluniform sagte, dass sie vor treten konnte. Die Passkontrolle war reine Formsache. Ägypten begrüßte heutzutage jeden Touristen. Seit dem "Vorfall" waren die Besucherzahlen von drei auf eine Million im Jahr gefallen. Willy wusste das. Sie hatte während der letzten Monate im Krankeinhaus sehr vorsichtig recherchiert.
Sie ergriff ihren Pass und durchquerte die Halle. Um diese Zeit waren die wenigen Touristenläden geschlossen. "Taxi, die Dame?!", kam ihr das Geblöke der Fahrer entgegen, die zusammengedrängt am Eingang standen. "Sprechen sie amerikanisch? Deutsch? Taxi, die Dame?" Willy ging an ihnen vorbei und trat hinaus in die warme Nacht. Der Flughafen war von Sand umgeben, gebaut jenseits des fruchtbaren grünen Streifens der die Ränder des Nils umarmte.
Willy überquerte die Straße und blickte hinunter auf den Parkplatz, der sich in einer Vertiefung befand. Sie deutete auf die alte Limousine, die sie für am straßentauglichsten hielt und ein Fahrer stieß sich von der Seite eines anderen Autos ab, wo er angelehnt zusammen mit ein paar Anderen seine Zigarette geraucht hatte. Willy ging die Zementtreppen hinunter und hinüber zu der Limousine, wo der Fahrer wartete.
"Gizeh, Mena House", befahl sie. Der Fahrer nickte und öffnete die Tür für die große, fremde Frau. Sie sah aus, als wäre sie lange krank gewesen.
Es war eine lange Fahrt durch Kairo, über eine der vielen Brücken, die über den Nil führten nach Gizeh. Willy lehnte sich in dem abgenutzten Ledersitz zurück, der nach Hitze und Staub roch und versuchte das Zittern ihrer Hände zu kontrollieren. Sie fühlte sich seltsam gelöst und wusste, dass ihre Sprache leicht undeutlich war. Der Einfluss der Medikamente kam immer noch zum Vorschein, wenn sie übermüdet war. Sie würde im Hotel vorsichtig sein müssen. Das Taxi bog nach Links ab und passierte die Wache am Tor, bevor es das Hotelgelände befuhr. Das Mena House war ein weit gestrecktes Hotel, welches mit dem florierenden Fremdenverkehrsgewerbe mit gewachsen war. Der älteste Abschnitt war in den 1800ern für die Engländer gebaut worden, die gekommen waren, um das Erbe zu stehlen.
Das hatte sie von Cheops gelernt, erinnerte sie sich, als sie den Fahrer bezahlte und dem Diener erlaubte ihre Tasche nach drinnen zu tragen. Sie folgte ihm ein wenig wackelig auf den Beinen. Die Buchung des Zimmers dauerte lange, da die Ägypter Papierkram zu lieben schienen und Willy langsam und sorgfältig schreiben musste. Erleichtert verließ sie schließlich das Hauptgebäude und ging durch die Oase im Garten zum Westflügel. Eine Treppe hinauf, dann nach links, dritte Tür, die Nummer zwei mal kontrolliert, dann die Zimmerkarte hineingesteckt und die Tür geöffnet. Fehler durften nicht passieren.
Aus Gewohnheit roch sie nach Körpergerüchen, lauschte nach Atem und guckte sich nach Schatten oder Bewegungen um.
Dann drehte sie sich um und verschloss die Tür, bevor sie hinüber zum Fenster und der Balkontür ging und sicherstellte, dass sie sicher waren. Ihre Tasche lag bereits auf der Gepäckablage, ihr Bett war herunter geklappt und auf dem TV befand sich eine Willkommensnachricht, die der Computerservice hinterlassen hatte. Willy schaltete den Fernseher aus, zog sich aus und fiel ins Bett. Die Medikamente terrorisierten ihren übermüdeten Körper und alle Gelenke schmerzten.
*********************
Cheops erwachte langsam. Ihr Wecker war so eingestellt, dass er nach einigen Minuten noch einmal klingelte und sie somit Schritt für Schritt dem Bewusstsein näher brachte. Das war immer die schlimmste Zeit, wenn sie morgens alleine in ihrem Bett lag und das Haus totenstill war. Sie seufzte und setzte sich auf, bevor sie die Beine über die Bettkante schwang. Das eine Bein hatte keinen Fuß sondern nur noch einen Stumpf.
Sie befestigte schnell die Prothese und ging ihren morgendlichen Ritualen nach, welche sie darauf vorbereiteten, sich dem neuen Tag zu stellen. Die nächsten zwei Wochen würden schwer werden. Sie würde eine Tour leiten, ‚Die Archäologische Tour des Nils Nr. 2' um genau zu sein. Sie tat dies schon seit einigen Jahren. Es half ihr die Rechnungen zu bezahlen. Engpässe die Geld betrafen waren für Feldarchäologen eine Lebensform. Während sie sich anzog und das traditionelle Frühstück des Mittleren Osten zubereitete, das aus Pitabrot, Ziegenkäse und schwarzen Oliven bestand, dachte sie über das Problem der ausreichenden Finanzierung nach. Sie schob sich noch eine süße Dattel in den Mund, bevor sie das Frühstück beendete, ihren Tilleyhut und ihre Sonnenbrille ergriff und aus dem aus Schlammziegeln gebauten Haus dem neuen Tag entgegen trat. Das Haus war in Gizeh und hatte ursprünglich ihren Eltern gehört. Es war ein bescheidenes Haus, welches einige wundervolle Vorteile bot. Erstens war es weniger als eine Stunde von Kairo's Innenstadt entfernt und zweitens konnte sie vom Garten aus die große Pyramide von Cheops über die Wüste hinausragen sehen.
Ihre Eltern hatten die Grabstätten rangniederer Offiziere erforscht, welche sich im Schatten der großen Pyramide befanden, die 496 Fuß hoch in den Himmel ragte und die größte Individualkonstruktion war, welche je errichtet worden war. Cheops war nach ihr benannt worden. Deshalb hatte sie das kleine Lehmhaus nach dem Tod ihrer Eltern auch behalten. Wenn sie nicht in ihrem Appartement in Luxor lebte oder and der Leeds Universität in England unterrichtete, verweilte sie hier.
Seufzend setzte sie ihren Tilleyhut auf und ging den staubigen Pfad hinunter und durchquerte die steinige Wüste in Richtung Mena House. Sie wusste, dass der Tourbus bereits auf sie warten würde. Es war immer noch zeitig und die Sonne hatte den Horizont gerade erst überschritten. Sie überlegte erst durch die grünen, tropischen Gärten der Hotelanlage zu wandern, bevor sie zur Hauptempfangshalle hinüber ging, um ihre fassungslosen Touristen für ihren zweiwöchigen flüchtigen Blick auf fünftausend Jahre Geschichte einzusammeln.
Willy sah sie zuerst und krümmte sich aufgrund der mächtigen Gefühle, die durch sie hindurch strömten und sich als Innereien fressende Masse in ihrem Magen niederließen. Sie trat zurück in den Schatten, wo sie beobachtete, wie Cheops die Treppen mit einem deutlichen Hinken hinunter kam und langsam um den blauen Pool und durch die tropischen Gärten ging. ‚Sie ist genauso schön, wie ich sie in Erinnerung habe', dachte Willy. ‚Ihr Bein scheint nicht richtig verheilt zu sein. Aber das ist auch egal, sie wird eh bald tot sein.'
Cheops erfreute sich am üppigen Grün der Oase, als plötzlich eine großer Schatten vor ihr aufragte. Mit einem hörbaren Einatmen trat sie zurück und spürte wie das Blut ihr Gesicht verließ, als sie Willy vor sich stehen sah.
"Hallo Cheops", sagte Willy leise.
Cheops erkannte den gefährlichen Ton und stoppte ihre Vorwärtsbewegung, so dass sie die große Frau nicht berührte. Will sah schrecklich aus. Dünn und blass. Schnell blickte sie sich nach einem Fluchtweg um. Über ihnen auf der Terrasse befanden sich ein Diener und ein Gärtner. Wenn es notwendig wäre, würde sie sie rufen können. Nein. Sie wäre tot, bevor sie auch nur ein Wort raus gebracht hätte. Sie konnte den hasserfüllten Blick in den eiskalten Augen sehen und wusste, dass sie dem Tod gegenüber stand.
"Hallo Will", presste sie hervor, "Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich je wieder sehen würde."
Die große Frau nickte und Cheops wartete, was als nächstes passieren würde.
"Ich bin auf diesem Ausflug dabei", offenbarte Willy.
Cheops Kopf schoss nach oben. "Was?! Was für Zeug führst du im Schilde, Kyrtsakas?! Wir beide wissen, dass dich Archäologie nicht im geringsten interessiert! Was für ein Spiel ist das!?"
Willy's Gesichtsausdruck war steinern. "Ich werde dich töten, Cheops. So wie du meinen Sohn getötet hast, indem du ihn mit dir genommen hast, obwohl ich es dir verboten habe. Aber nicht sofort. Nein, ich möchte, dass du es kommen fühlst. Ich möchte, dass du mit dem gleichen Horror im Gesicht stirbst, wie mein Sohn."
"Also soll ich mich fürchten? Vor was? Ich habe zugesehen, wie unsere Kinder ermordet wurden. Ich wurde von der Frau, die ich liebte, zum sterben zurückgelassen. Es hat Wochen gedauert bis ich überhaupt wusste, wo meine Tochter beerdigt wurde. Und du willst, dass ich mich vor so einer Kleinigkeit wie dem Tod fürchte? Nun, ich tu's nicht. Töte mich, wenn du Lust hast, Kyrtsakas. Es interessiert mich nicht einmal." Cheops drehte sich um und ging den Pfad wieder hinunter. Sie konnte spüren, wie ihr die kalten Augen folgten, als sie die Stufen mit ihrem wackeligen Gang erklomm.
Willy wartete bis sie außer Sicht war, bevor sie den gleichen Weg einschlug. In der Lobby des Hotels stand sie in einer entfernten Ecke und beobachtete, wie Cheops ihre Gruppe begrüßte. Ihre Hand zitterte ein wenig, aber ihr Gesicht lächelte und ihre Stimme war klar, warm und freundlich. ‚Du bist gut Cheops, wirklich gut. Aber ich habe mich schließlich auch wegen deiner Tapferkeit am ersten Tag in dich verliebt.'
Es war das Ende des Sommers gewesen und die Hitze hatte in drückenden Wellen auf sie eingeschlagen. Staub hatte die Luft getrübt und Gesichter streifig erscheinen lassen, nachdem Schweiß von durchtränkten Huträndern herunter geronnen war. Major Kyrtsakas war die Marktstraße hinunter gegangen, um einige Früchte zu holen, die sie mit zurück ins Hotel nehmen wollte. Sie war für eine Weile geblieben und hatte das Geplänkel, die Gerüche und die exotische Kultur genossen. Sie hasste es einzukaufen, dennoch gaben ihr diese offenen Märkte irgendwie das Gefühl von Frieden.
Der Tumult vor ihr hatte die Marktszene mit lauten Stimmen zerstört. Instinktiv hatte sich Kyrtsakas vorwärts bewegt. Da hatte eine verärgerte erdbeerblonde Frau einen Mann mit einem Besenstil auf den Boden festgenagelt und schrie ihn auf ägyptisch an.
Soweit Kyrtsakas ausmachen konnte, während sie da mit verschränkten Armen stand und grinsend zusah, hatte der Mann in Frage versucht ihre Tasche zu klauen, was zu diesem katastrophalen Ergebnis führte. Die Marktleute schienen die Frau zu kennen und unterstützten ihre Seite mit viel Gelächter. Dann entdeckte Willy aus dem Augenwinkel das Messer. Sie stürzte sich auf die Frau, wodurch sie beide zu Boden stürzten. Das Messer streifte Willy's Arm und bohrte sich dann tief in eine hölzerne Tür.
Die Menschenmenge drängte besorgt vorwärts, während sie nach der Polizei rief und Hilfe anbot. In all der Aufregung entschlüpfte der Dieb, um sich zweifelsohne mit seinem Komplizen dem Messerwerfer an vorher vereinbarter Stelle zu treffen.
"Wao! Das war knapp! Danke!", lächelte die kleine Frau, während sie sich auf ihre Knie erhob. "Ich bin Cheops Malone."
Willy lächelte zurück. "Major Wilhelminia Kyrtsakas", antworte sie, ihre Hand ausstreckend. Die kleine Hand, welche sie ergriff, war überraschend kräftig.
"Hey, sie sind ja verletzt!", rief Cheops, als sie das Blut entdeckte, welches Willy's Arm herunter lief.
Willy stand auf und zog Cheops auf ihre Füße. "Ist schon ok. Ich werde mich im Hotel darum kümmern", murmelte sie, während sie sich umdrehte, um zu gehen.
"Nein. Mein Haus ist nicht weit von hier. Lassen sie mich die Wunde ordentlich säubern und ihnen eine Tetanus Spritze geben", hatte Cheops argumentiert. Sie wusste nicht, ob es an der Hitze oder daran lag, dass sie ihren Sohn vermisste, der immer noch in der Schule in England war, aber sie hatte zugestimmt.
Sie waren einige Blöcke in die Richtung von Gizehs Stadtrand gegangen, bevor sie ein kleines Lehmhaus betreten hatten. Drinnen waren die Wände gepflastert und mit Szenen des alten Ägypten bemalt. Die Möbel waren aus Holz, einfach und praktisch. An den Wänden standen Sofas, die mit orientalischen Teppichen und Kissen bedeckt waren. Willy hatte am Tisch Platz genommen und Cheops hatte ihren Arm gesäubert, desinfiziert und bandagiert, bevor sie ihr eine Spritze gegeben hatte. Sie war zum Essen geblieben, hatte Cheops Tochter getroffen und war irgendwie bis zu diesem Zwischenfall nicht wirklich gegangen.

Willy blendete die Erinnerungen aus und nahm die Leute, welche bei der Tour dabei sein würden, mit professionellem Interesse unter die Lupe. Es waren nur ein paar. Ein Pärchen aus New York mit einem lauten, breiten Akzent, welcher sie klischeehaft erscheinen ließ. Ein New-Age Pärchen, welches sein Nachschlagewerk mit sich trug und angestrengt aussah. Sie waren aus Salt Lake. Der letzte war ein älterer Mann, der mit seinem gelangweilt aussehenden Sohn reiste. Cheops verteilte Informationspakete und Namensschilder. Als nur noch eins übrig war, ging sie zu Willy hinüber und reichte es ihr.
"Ich muss mit dir reden", sagte sie mit besorgtem Blick. "Wir sehen uns später."
Willy's Gesicht gab ihre Verblüffung nicht Preis. Sie nickte lediglich und beobachtete, wie Cheops seufzte und sich umdrehte, um zu den anderen zurück zu gehen. "Okay, meine Damen und Herren, wir besteigen jetzt den Minibus und fahren dann zum Kairomuseum." Cheops lächelte glücklich und führte die Gruppe vorwärts. Willy folgte einige Schritte dahinter.
Auf der Fahrt von Gizeh zurück nach Kairo sprach Cheops von Ägyptens Vergangenheit. Sie erklärte, dass es im Altertum drei bedeutende Reiche gegeben hatte: Das frühe, das mittlere und das späte Königreich. Danach erzählte sie von der griechischen Invasion unter Alexander dem Großen und dem römischen Einfluss durch Cäsar und Antonius und von der modernen Zeit, welche die Kolonisation durch die Briten mit sich brachte und letzten Endes von der Befreiung unter Nasser.
Am Museum angekommen besorgte sie die Eintrittskarten und führte die Gruppe durch die strengen Sicherheitsvorschriften, bevor die Leute ausschwärmen konnten, um sich die Ausstellung alleine anzusehen. Cheops war amüsiert, dass sie sich wie jede Gruppe auf kürzestem Wege zu King Tut's Artefakten begaben. Als Archäologin wusste sie, dass es weit aus bedeutendere Stücke der Vergangenheit in den staubigen Ecken dieses berühmten Museums gab, als die, die in Tut's Grab gefunden worden waren, aber die Leute liebten Gold und Rätsel und Carter's Ausgrabung hatte genug von beidem!
Sie drehte sich um und sah dass Willy wartete. "Ich wollte dir nur sagen, dass ich kein williges Opfer sein werde. Ich möchte nicht sterben. Aber ich habe auch keine Angst vor dem Tod oder vor dir. Dennoch bin ich besorgt, dass du dem Tourismus von Ägypten noch mehr schaden könntest, obwohl er derzeit nicht noch mehr schlechte Werbung gebrauchen kann. Das einzige was ich sagen will ist, dass, wenn du mit deiner verrückten Rache Erfolg hast, du es nicht auf eine Art tun sollst, die ein schlechtes Licht auf Ägypten wirft."
"Einverstanden", antworte Willy und Cheops nickte. Kurz darauf ging sie davon. Willy folgte ihr mit kalten, blauen Augen, welche Bewunderung widerspiegelten.
Cheops ging an den Bücher- und Souvenirständen vorbei, bevor sie den Gang betrat, der sie zu dem kleinen offenen Innenhof bringen würde. Es war eine stille Oase innerhalb des berühmten Museums, wo man von den Touristenmassen abgeschirmt in Ruhe denken konnte.
Sie könnte die Polizei benachrichtigen, dass sie bedroht worden war, aber mit den extremen Maßnahmen, die die ägyptische Regierung angeordnet hatte, um die Touristen vor weiteren Vorfällen zu schützen, wäre es unwahrscheinlich, dass genug Polizisten übrig waren, um sie vor einem Profikiller wie Will zu schützen. Wenn sie ihr denn überhaupt glaubten!
Sie könnte auch die R.A.F. benachrichtigen, dass einer ihrer Offiziere verrückt geworden war, aber sie war sich nicht sicher, ob Will immer noch dem Militär angehörte. Es schien zumindest so, als wäre sie als Zivilistin hier. Das Militär würde es nicht für seine Angelegenheit halten, wenn sie die Behauptung denn ernst nahmen.
Sie hatte einen Kollegen namens Roger in Leeds, von dem sie wusste, dass er mit Soldaten zusammengearbeitet hatte, welche Kriegsverletzungen erlitten hatten. Es wäre vielleicht eine gute Idee, ihn um Rat zu fragen.
Nein, es gab nur zwei Auswege zu dieser Situation. Entweder würde Willy ihre Drohung wahr machen oder Cheops würde es schaffen, ihr den Plan auszureden. Das zweite Szenario schien das bessere zu sein, schloss Cheops mit einem bitteren Lächeln. Aber wie redete man vernünftig mit einer Person, die so leidenschaftlich und konzentriert war wie Will? Und war sie seelisch stabil? Sie sah aus und benahm sich, als wäre etwas sehr verkehrt. Sie hatte gesehen, dass die anderen Touristen sie besorgt angesehen hatten. Ihre Sprache war leicht undeutlich, ihre Hände zitterten und ihr Gang war steif, so anders als die Frau, in die sie sich hoffnungslos verliebt hatte.
Sie hatte ihre erschöpfte Tochter in dieser Nacht mit dem Versprechen zu Bett gebracht, dass sie Willy bald wieder einladen würde. Die angespannte Soldatin war bei der Ankunft ihrer Tochter ganz sanft geworden und sie hatten zu dritt Fußball in der Wüste hinter dem Haus gespielt. Nachdem sie ins Wohnzimmer zurück gekehrt waren, hatte sie Will einen türkischen Kaffee angeboten und sie hatten bis lang in die Nacht geredet. Beide hatten die Gesellschaft der anderen und die berauschende sexuelle Anspannung genossen, welche sich zwischen den subtilen Sticheleien und Schmeicheleien wieder fand.
Sie war überrascht gewesen, herauszufinden, dass Willy einen Sohn hatte, der das Produkt einer langen, turbulenten Affäre mit einem anderen Offizier war, die mit dem Tod des Soldaten im Golfkrieg geendet hatte. Cheops hatte Willy von ihrer unglücklichen Ehe mit einem College Professor erzählt, die kurz nach der Geburt ihrer Tochter zu Ende ging. Er war nicht daran interessiert gewesen sich um eine Familie zu kümmern. Cheops hatte wieder ihren Mädchennamen angenommen und zog ihre Tochter nun glücklich alleine auf.
Bevor Will mit dem Versprechen am nächsten Abend zurückzukommen gegangen war, hatten sie sich für einen Moment unbeholfen gegenüber gestanden. Dann hatte sich Will herunter gebeugt, einen Moment gezögert, falls Cheops hätte einen Rückzieher machen wollen, und dann die Lippen der Archäologin mit ihren eigenen in Besitz genommen. Cheops hatte sich kampflos ergeben und die Kriegerin in ihrem Herzen willkommen geheißen.

Sie hatte gedacht, dass ihre Liebe ewig dauern würde. Kurz nach dem ersten Abend war Will's Sohn angekommen und die vier waren zu einer scheinbar untrennbaren Einheit geworden. Bis zu dem "Zwischenfall". Danach war das Leben für immer verändert.
Cheops saß gedankenverloren in dem kleinen Hof und genoss die Morgensonne, die die Wüstenluft erwärmte. Sie zwang sich nicht mehr länger an Will's Drohung, sondern an den Reiseplan des heutigen Tages zu denken. Nach dem Museum würden sie nach Gizeh zurückkehren, um sich die Pyramiden anzusehen. Danach würde es Abendessen geben, was von einer Volkstanzeinlage begleitet werden würde. Sie seufzte, es würde ein langer Tag werden!
"Ich habe dir türkischen Kaffee mitgebracht", sagte eine Stimme neben ihr und Cheops sprang überrascht nach oben. Sie blickte auf und sah Willy ruhig mit einer kleinen Tasse in der Hand neben sich stehen. Das klassisch hübsche Gesicht war bewegungslos, emotionslos und gab nichts preis.
Cheops reichte nach oben und ergriff die kleine Tasse mit dem dicken, sirupartigen Kaffee. Ihre Finger streiften die der Kriegerin und die Augen der beiden Frauen blickten erstaunt über die Intensität der Berührung auf. Sie trafen sich, bevor sie wegschauten.
"Weißt du, ich habe dich dafür gehasst, dass du mich zum sterben zurückgelassen und meine Tochter mitgenommen hast", gestand Cheops.
"Ich habe dich nicht zum sterben zurückgelassen", knurrte Willy.
"Es war Ismail der mich gefunden und versorgt hat, bis ärztliche Hilfe kam", sagte Cheops, mürrisch in die Tiefen ihrer Tasse blickend. "Er hat gesagt, dass du, als er angekommen ist, die Kinder nach draußen getragen hast."
"Ich weiß, was ich getan habe! Es ist für immer in mein Gehirn gebrannt!", schnappte Willy. "Ich habe die Wunde abgebunden und dein Bein verbunden. Ist es nicht richtig geheilt? Du humpelst."
Cheops ignorierte die Frage. "Warum bist du gegangen?"
"Ich habe meinen Sohn gefunden", sagte Willy, während sie ausdruckslos in den Garten hinausblickte.
"Und meine Tochter", erinnerte sie Cheops verärgert.
"Ich habe eine Nachricht zum Krankenhaus geschickt, in der stand, dass ich sie zusammen beerdigt habe", erklärte Willy, Cheops plötzlich anblickend. In den blauen Augen brannte ein intensives Licht, das aus ihrem Inneren zu kommen schien. Wenn sie verärgert war, waren sie nicht menschlich.
"Ich habe sie nicht bekommen", antwortete Cheops, dem starrenden Blick mit grünen vor Emotionen aufleuchtenden Augen antwortend.
"Nicht meine Schuld. Ich habe meine Pflicht getan."
"Pflicht! Um Himmels Willen, Will! Sie waren unsere Kinder!", explodierte Cheops und Tränen stiegen in ihren Augen auf.
Will sagte nichts. Sie brachte die Worte nicht über ihre Lippen. Sie hob die Tasse an und erlaubte dem dicken, bitteren Kaffee, den aufsteigenden Knoten in ihrer Kehle herunter zu spülen. Ihre Hände zitterten.
Cheops Gesicht wandelte sich von angespanntem Ärger zu Verwirrung. "Was stimmt nicht mit dir, Will? Bist du krank?", sie blickte mit flehenden Augen auf.
"Nein", kam die kalte Antwort.
Cheops nickte und schaute weg. "Danke für den Kaffee. Ist das ein Ritual des Sondereinsatzkommandos, Kaffee und Konversation vor der Ermordung?"
"Es ist wichtig, dass du begreifst, dass ich dich nicht im Stich gelassen habe", kam die kalte Antwort.
Cheops warf ihre Tasse über den Rasen und sprang auf ihre Füße. "Verdammt noch mal!", schrie sie und Tränen bahnten sich einen Weg über ihr Gesicht, als sie an Willy vorbei rannte. "Scher dich zum Teufel!"
Nachdem sie gegangen war, stand Willy für lange Zeit nur da und starrte ins Leere. ‚Ich bin bereits verdammt Cheops', dachte sie. Dann holte sie die Tasse aus dem Blumenbeet und brachte beide zurück zum Erfrischungsstand. Rache auf einem persönlichen Level war nicht süß, stellte sie fest.
"Ich sag's dir Abe, kein Mann, der sein Gold mit sich begraben lässt, ist zivilisiert. Sobald wir wieder in New York sind, gehen wir zum Anwalt. Hörst du! Du wirst das nicht mitnehmen!", sagte Betty, ihrem geduldigen Ehemann spielerisch auf den Arm schlagend.
"Ja Betty", antwortete Abe, während er lächelnd mit den Augen rollte. Er wusste, dass hinter der harte Schale, ein Herz aus Gold steckte.
"Hey sie, kommen sie her", rief Betty plötzlich über Abe's Schulter, während sie mit der Hand winkte. Abe fühlte eine große Gestalt hinter sich, die kalte Schauer über seinen Rücken laufen ließ. Er bewegte sich zur Seite und sah die seltsame Frau, die sich den ganzen Morgen am Rand der Gruppe versteckt gehalten hatte. ‚Betty! Was machst du da?!', dachte er.
"Schauen sie Liebes, ich habe sie im Bus schon ihren Kopf reiben sehen. Haben sie Kopfschmerzen? Ich habe zu Abe gesagt, dass sie bestimmt eins von diesen halb verhungerten Models sind, die bei Zeiten sterben, da sie Dietpillen nehmen, nicht wahr Abe?", schwafelte Betty, als sie tief in ihre riesige Tasche griff.
"Ahh Betty, ich denke nicht...", fing Abe an.
"Hier! Ich habe diese Banane vom Frühstückstisch mitgehen lassen", erklärte Betty stolz und hielt das fragliche Objekt der verwirrten Kriegerin hin. "Essen sie das okay? Es enthält Dinge, die Frauen brauchen."
"Betty! Du weißt nicht ob sie ein Model ist! Du solltest dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern!", brummte Abe.
Betty rollte verärgert mit den Augen. "Erzählen sie es ihm", verlangte sie von Willy.
Willy's belustigte Augen wanderten von Betty zu Abe. "Ich bin grad medizinisch aus dem R.A.F. Sonderkommando entlassen worden. Ich wurde von Terroristen gefangen genommen... es war nicht wirklich angenehm", erklärte Willy, obwohl sie sich nicht sicher war, warum sie es tat. Betty hatte ihr mit ihrer rauen Freundlichkeit gegenüber Fremden irgendwie gefallen. Sie hielt die Banane hoch. "Danke, ich werde sie im Bus essen", versprach sie und ging davon.
"Model!", spottete Abe, seine Frau zärtlich knuffend.
"Nun, sie hätte eins sein können! Sie ist wunderschön!", verteidigte sich Betty.
Cheops brachte sich selbst wieder unter Kontrolle, bevor sie ihre Gruppe suchen ging. Sie fand das Ehepaar aus Salt Lake City und den Vater mit seinem Sohn, welche artig am Treffpunkt warteten. "Hi, dann fehlen ja nur noch die Laytons und dann können wir los", bemerkte sie.
"Was ist mit Wilhelminia Kyrtsakas?", brummte der ältere Gentleman. "Wollen sie sie hier lassen?"
In Cheops machte etwas einen Hüpfer, als sie den Namen ihrer Exgeliebten hörte. "Kennen sie Willy?!", fragte sie verwirrt.
"Nein, ich habe nur ihr Namensschild gelesen", antwortete der alte Mann selbstgefällig.
Cheops lachte angesichts ihrer eigenen Dummheit. "Das macht Sinn", stimmte sie zu. "Will kennt diesen Teil von Ägypten sehr gut. Sie hat hier früher gelebt. Sie kann auf sich selbst aufpassen", versicherte Cheops der Gruppe. Cheops dachte, dass Aaron Scott ein schwieriger alter Trottel werden würde. Ebenso sein Sohn Bob, der sie anzüglich beguckte.
"Sie sieht nicht wirklich gut aus", bemerkte die prüde Ehefrau aus Salt Lake, deren Ehemann zustimmend nickte.
‚Jean und Bill Bartlett', meldete sich Cheops Gehirn. "Da kommen die Laytons", sagte Cheops, womit sie das Thema glücklich so schnell wie möglich wechselte.
Betty kam hektisch auf sie zu, während Abe ihr folgte. "Haben sie Will gesehen?", fragte Aaron beharrlich.
"Sie sitzt im Bus und isst die Banane, die ich ihr gegeben habe", erklärte Betty. "Sie ist Engländerin und wurde aus medizinischen Gründen von der R.A.F. entlassen, da sie von Terroristen gefangen gehalten und gefoltert worden ist!", offenbarte Betty stolz. Die Gruppe blickte sie erstaunt an.
"Das ist meine Betty. Sie hätte Vernehmungsbeamtin werden sollen. Sie könnte Informationen aus einem Toten raus kriegen.", erklärte Abe stolz.
Einige aus der Gruppe lachten darüber und Cheops nutzte die Gelegenheit, um die Gruppe zurück zum Bus zu führen. Sie versteckte ihre Bestürzung hinter einer Fülle von Fakten über einige Ausstellungsstücke, die die Touristen gesehen hatten. Währendessen fragte sie sich, warum es sie interessierte, dass die Frau, die sie töten wollte, im Krieg gefangen genommen worden war.
Wills lange Beine waren auf dem Rücksitz des Busses ausgestreckt. Ihre Augen waren geschlossenen und ihr Kopf lehnte gegen das Fenster. Sie sah erschöpft aus. Cheops wusste jedoch, dass sie wahrscheinlich genau wusste, was um sie herum passierte. So war sie nun mal, beobachtend, wachsam und immer auf der Hut.
Die Gruppe stieg mit einer Menge Krach und Verwirrung wieder in den Minibus, bevor sie sich für die Fahrt nach Gizeh wieder beruhigte. Cheops stand am vorderen Ende und lehnte sich gegen die Sicherheitsstange, während sie das Mikrofon benutzte, um der Gruppe einige Hintergrundinformationen über die Großen Pyramiden von Gizeh zu geben.
"Die Pyramiden von Gizeh wurden als königliche Gräber zwischen 2700 und 1000 vor Christus gebaut. Die größte ist Khufu mit einer Höhe von 480 Fuß. Sie besteht aus 2.3 Millionen Steinblöcken, von denen jeder 2.5 Tonnen wiegt! Es ist auch heute noch, die größte Einzelkonstruktion, die jemals von Menschen errichtet wurde."
"Wow! Das ist großartig!" spornte sie Bob an, der Cheops direkt gegenüber saß.
"Sie wissen verdammt viel von diesem Zeug!"
Cheops lachte gutmütig, "Nun, ich habe schließlich ein Doktorat in Ägyptologie. Außerdem bin ich in Gizeh aufgewachsen. Meine Eltern waren beide Archäologen. Sie haben in den Überresten der Stadt der Toten gearbeitet, welche die großen Pyramiden umgibt. Das sind die Mastaba Gräber der Familie des Pharaos, seiner Beamten und Höflinge."
"Was bedeutet Mastaba?", fragte Bob, der an jedem Wort hing, welches Cheops von sich gab. Willy, die still im hinteren Teil des Busses saß, spürte, wie sich ihre Nackenhaare vor Verwirrung aufstellten.
"Mastaba bedeutet wörtlich übersetzt Schlammziegelbank. Die Ägypter dachten, dass diese alten Gräber den in der Sonne getrockneten Schlammbänken, die man vor ihren Häusern findet, sehr ähnlich sahen", erklärte Cheops.
"Also werden wir uns einen Friedhof angucken", fragte Betty laut.
"Im Grunde genommen schon, ja", bestätigte Cheops. "Traditionell haben die lebenden Ägypter auf der östlichen, der Seite der aufgehenden Sonne, des Nils gelebt und die toten auf der westlichen, der Seite der untergehenden Sonne. In Kairo gibt es eine riesige Totenstadt. Dort haben die Familien Häuser über den Gräbern ihrer verstorbenen gebaut. Dort gibt es auch Straßen und sowohl reiche Häuser als auch arme Nachbarschaften. Vom Hang aus sieht es wie ein sich der Länge nach hinstreckender Vorort aus, nur dass alle Leute tot sind."
"Wow! Das wäre ein großartiger Ort für ein D&D Spiel!", schlug Bob vor.
"Das würde ich nicht empfehlen. Moslems nehmen ihren Glauben sehr ernst", antwortete Cheops, bevor sie das Thema wechselte. "Ich wurde nach dem Pharao Khufu benannt. Cheops ist das griechische Wort für Khufu." Cheops stellte das Mikro aus und reichte es zurück zum Fahrer, bevor sie sich wieder in ihren Sitz setzte.
Willy's Augen verengten sich, als Bob sich herüber lehnte und Cheops weitere Fragen stellte. Nach einigen Minuten setzte er sich neben sie auf die Bank. Als er den Arm um die Sitzlehne legte, stand Will auf und ging schwankend nach vorn. Sie tippte Bob mit Nachdruck auf die Schulter. "Ich muss mit der Führerin reden", sagte sie geradeheraus, woraufhin Bob nach einem kurzen Zögern schmollend an seinen Platz zurückkehrte.
Willy ließ sich neben Cheops nieder und starrte durch die Frontscheibe. ‚Warum habe ich das getan?', wunderte sie sich. "Will?", fragte Cheops, sich sachte näher zu der unruhigen Kriegerin lehnend.
"Hmmm", antwortete Willy, während sie nach unten blickte, wobei sie den Duft von Wüstenblumen und Sonnenlicht einfing, den sie als Geschmack der wunderschönen Frau neben sich in Erinnerung hatte.
Cheops reichte herüber und bedeckte Willys Hand. Sie spürte, wie die Frau vor Abscheu zuckte, aber die Hand nicht unter ihrer eigenen fort nahm. "Danke."
"Ist schon gut", murrte sie desinteressiert.
"Betty hat uns davon erzählt... was mit dir passiert ist", gestand Cheops. Die Hand versteifte sich und fing an zu zittern. Cheops legte ihre eigene darum. Daraufhin wurde die Hand scharf weggezogen.
"Was zur Hölle tust du da?!", zischte Willy.
"Mitfühlen", antworte Cheops leise.
"Such dir wen anders zum bemuttern!", knurrte Willy grausam.
"Wir werden von einem Fluss schlechten Blutes getrennt Will, aber ich kann ehrlich sagen, dass es nie wieder jemanden nach dir geben wird. Du warst meine Seelengefährtin." Willy stand auf und ging ohne ein Wort nach hinten. Cheops seufzte traurig und hob ihren Rucksack auf, um ihn auf den nun leeren Platz zu legen, um Bob davon abzuhalten wieder zu ihr zurückzukehren. Dann blickte sie launisch aus dem Fenster.
Den Feind im Bett, war das nicht der Ausdruck? Sie war bis jetzt nicht wirklich weit gekommen, wenn es darum ging Will's Mauern aus Hass einzureißen, aber sie wusste, dass die Kriegerin bei diesem Willenskampf im Vorteil war. Dennoch war sie Cheops zur Hilfe gekommen. Ein Teil von dem, was sie früher verbunden hatte, schien immer noch in ihr vorhanden sein. Cheops musste es nur finden.
Sie fuhren zurück ins Hotel und gingen nach einem leichten Mittagessen durch die Gärten und den Hügel zu den Pyramiden hinauf. Araber, die auf Kamelen ritten und traditionelle Kleidung trugen, boten an sich für etwas Geld mit den Touristen fotografieren zu lassen und Abe bestand darauf, dass Betty sich fotografieren lassen sollte. Auch die Bartletts wollten ein Foto von sich haben. Bob und Aaron gingen weiter, nachdem sie gesagt bekommen hatten, dass sich alle in einer Stunde an der Sphinx treffen würden. Damit war Cheops erneut mit Will alleine.
"Ich habe gelesen, dass du immer noch an KV 5 arbeitest", bemerkte Willy, während sie mit ihren Turnschuhen nach dem Kies trat.
"Ja es war... zeitweise ziemlich schwer. Ich schaff es immer noch nicht in die Nähe des Hatshepsut Tempels zu gehen", gestand Cheops, während sich ein Klumpen in ihrem Hals formte. Sie schluckte. "Möchtest du eins der Mastaba sehen, an den meine Eltern gearbeitet haben?", fragte sie, mehr um das gefährliche Thema zu wechseln, als aus irgend einem anderen Grund.
"Klar", kam die schnelle Antwort.
Cheops blickte nach oben. "Du wirst nicht die Gelegenheit haben mich zu töten Will. Ich werde dich garantiert nirgendwo hin mitnehmen, wo es keine Zeugen gibt."
Will lächelte kalt. "Es hätte bis jetzt genug Gelegenheiten gegeben dich zu töten Cheops. Aber ich habe es nicht eilig. Schließlich habe ich für die Tour bezahlt."
Cheops Gesicht wurde bleich. Gletscherblaue Augen schienen in ihr Inneres zu langen und ihre Seele zu vereisen. Sie zwang sich, gerader zu stehen und Will einen verächtlichen Blick zuzuwerfen. "Ich werde sicher stellen, dass sie was für ihr Geld bekommen Major, zumindest was die Tour angeht. Hier entlang", wies sie an, während sie sich vorsichtig ihren Weg den lockeren Hügel hinunter in die Totenstadt bahnte, welche in Khufus Schatten lag.
Will passte ihr Tempo an und blieb in Cheops Nähe, so dass sie ihr helfen konnte, falls sie hinfiel. Irgendwas war definitiv nicht in Ordnung mit ihrem Knöchel. Er schien sich nicht zu beugen.
Sie näherten sich einem Mastaba, an dem einige Archäologen und ihre Assistenten Untersuchungen anstellten. Eine schlanke dunkelhaarige Frau mit einer Reihe kleiner Goldstecker in einem Ohr lächelte und hörte auf den Vermessungspfahl in den Boden zu hämmern. "Cheops! Schön dich zu sehen!", rief sie, bevor sie die kleine Frau umarmte und ihren Arm um ihre Schulter legte, als sie sich umdrehte, so dass sie Will anblickte.
"Das ist Dr. Sophia Polinski, Will. Soph, das ist Major Wilhelminia Kyrtsakas."
Sie schien entspannt und machte einen komfortablen Eindruck unter dem Arm der Archäologin. Waren sie Geliebte? Will spürte wie der Ärger in ihr versuchte sich frei zu kämpfen. Das war albern! ‚Warum sollte mich das kümmern?', wunderte sie sich.
"Ich freue mich eine alte Freundin von Cheops zu treffen", sagte die dünne Frau spitz, Willy's Hand kräftig schüttelnd.
Will drückte, bis sie sah, wie der Schmerz über Sophias Gesicht huschte. Dann ließ sie los. "Doktor", sagte sie. "Lass uns gehen Cheops", meinte sie ungeduldig.
Cheops drehte sich zu Sophia. "Ist es okay, wenn wir uns das Grab KP 326 angucken?", fragte sie.
"Sicher meine Liebe, tut das." Sophia lächelte und trat bei Seite, nachdem sie Cheops Schulter ein letztes mal gedrückt hatte.
Cheops ging den Weg hinunter ins Grab und Will folgte ihr launisch. Das Grab war nach der intensiven Nachmittagssonne kalt und dunkel. Für eine Minute standen sie dicht bei einander und warteten darauf, dass sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnten.
"Ich dachte ich wäre deine Seelengefährtin gewesen und es könnte niemand anderen geben", bemerkte Will mit bitterem Sarkasmus.
"Ich habe keine Affäre mit Sophia", antwortete Cheops ruhig.
"Aber sie würde gerne", knurrte Will.
"Ja sie würde gerne."
"Findest du sie attraktiv?"
"Körperlich ja", gab Cheops ehrlich zu.
Will nickte und ging tiefer ins Grab. Die orangen Wände waren mit Reihen schwarzer Hieroglyphen bedeckt. Das zylinderförmige Dach war marineblau angemalt und mit stilisierten gelben Sternen bedeckt.
"Was bedeutet es?", fragte Will, während sie sich mit den Händen in die Hüften gestemmt mit grollender Miene umsah.
"Es ist der Text des ägyptischen Totenbuches", erklärte Cheops, während sie die Wände interessiert besah.
Will lachte auf. "Du hast Mut Cheops! Das muss ich dir lassen! Du solltest besser deine Gebete lesen, solange du noch Zeit dafür hast."
"In Ordnung", antwortete die kleine Archäologin. "Auf der östlichen Wand hier drüben stehen die Morgengebete. Dort steht ‚Betet den Sonnengott an, wenn er am östlichen Horizont des Himmels aufgeht.' Hier steht dann ‚Sonnengott, du gehst auf und scheinst, um deine Mutter Nut zu ehren, die all die Götter geschaffen hat.' Auf der westlichen Seite steht ‚Empfangt im Westen unseren Sonnengott zufrieden und sicher in der Rechtschaffenheit eurer Völker. Möge der Sonnengott uns Ruhm und Macht geben.'"
"Du solltest besser dir selbst vertrauen, anstatt einem dummen Gott", sagte Will bitter.
"Das tue ich. Aber mehr noch vertraue ich auf dich", antwortete Cheops, als sie vor Will trat und aufrichtig zu ihr aufblickte.
"Tu das nicht", antwortete Will und drängte sich an Cheops vorbei, um aus dem Grab zu klettern.
"Aber ich tue es. Mein Leben hängt davon ab", flüsterte Cheops, bevor sie unbeholfen das Grab verließ.
Die Sonne blendete sie für einen Moment und als sie sich danach umblickte sah sie, wie Will in der Ferne wutentbrannt davon rauschte. Sophia kam näher und trat neben sie. "Hör mal, wenn du endlich beschließen solltest, loszulassen, könnte ich es wieder heile küssen." Cheops warf ihr einen angewiderten Blick zu und humpelte davon.
Sie fand die Gruppe, die artig auf sie vor der Sphinx wartete und legte für sie ein fröhliches Lächeln auf. "Die Legende sagt, dass Oedipus die Sphinx töten konnte, weil er die Antwort zu folgendem Rätsel wusste: Erst auf vier Beinen, dann zwei und zum Schluss drei. Wissen sie die Antwort? Nein? Das Babys krabbelt, der Mann geht und der alte Mann geht am Stock."
"Ich benutze keinen Stock", murrte Aaron.
Cheops knirschte mit den Zähnen, aber lachte freundlich. "Das ist so, weil sie im Herzen immer noch jung und attraktiv sind", schmeichelte sie ihm. Der alte Mann strahlte und stieß seinem Sohn Bob in die Rippen. Die Gruppe lachte und Cheops fuhr fort. "Die Sphinx ist eigentlich ein Löwe mit dem Gesicht des Pharaos. Es war weit verbreitet Sphinxen herzustellen und wir werden viele von ihnen sehen. Aber diese hier ist einzigartig wegen ihrer gigantischen Größe. Aus einem natürlichen Steinhaufen gehauen, ist sie 66 Fuß hoch und 240 Fuß lang!"
"Es ist wirklich heiß hier draußen im Moment. Ich wette, dass sie alle bereit sind zum Hotel zurück zu kehren und einen kühlen Drink am Pool zu genießen. Ich werde sie dann zum Abendessen um 8 Uhr wieder sehen. Hier entlang, wir werden durch die Hintertür gehen", schloss Cheops während sie langsam um die andere Seite der Pyramide ging. Sie wollte Aaron nicht überfordern, obwohl der alte Mann in erstaunlich guter Form zu sein schien. Ihr scharfer Blickt hatte außerdem wahrgenommen, dass Will erschöpft aussah und ihre Bewegungen erneut steif und zittrig waren.
Cheops verbrachte den späten Nachmittag damit, sich um die verschieden Wünsche ihrer Klienten zu kümmern. Aaron wollte ein anderes Zimmer, so dass er neben seinem Sohn wohnen konnte. Betty wollte wissen, ob das Eis mit in Flaschen abgefülltem Wasser hergestellt wurde und die Bartletts brauchten eine Bestätigung für ihre Rückflugzeiten. Sie hatte gerade genug Zeit, um nach Hause zu gehen, ihren Gallabeeya anzuziehen und zum Abendessen zurückzukehren.
Alle Augen waren auf sie gerichtet, als sie den Speisesaal in den marineblauen fließenden Gewändern mit den Verziehrungen aus in komplexen geometrischen Mustern angeordneten Goldbändern betrat. "Meine Liebe", sagte Betty "Sie könnten in diesen Gewändern den Teufel höchstpersönlich verführen!"
"Es ist wunderschön!", bewunderte sie Jean. "Bill ich muss unbedingt eins davon besorgen während wir hier sind. Wie wird dieses arabische Kleid noch mal genannt?"
"Es ist ein Gallabeeya", antwortete Cheops geduldig zum fünften Mal.
"Ist es nicht heiß da drin?", fragte Aaron.
"Nun, dieses gehört zur Abendgarderobe und ist schwer. Wie sie ja bestimmt mitgekriegt haben, wird es in der Wüste nachts ziemlich kalt. Die, die man tags über trägt, sind gewöhnlich aus heller Baumwolle, so dass sie recht luftdurchlässig und kühl sind. Da ich in Ägypten aufgewachsen bin, fühle ich mich in arabischer Kleidung genauso wohl, wie in europäischer."
Dann kam der Kellner mit den Karten und die Unterhaltung wand sich anderen Dingen zu. Cheops war enttäuscht, dass Will nicht gekommen war. Sie hatte gewollt, dass die Frau sie in diesem Outfit sah. Es hatte eine Zeit gegeben... es war vielleicht besser nicht an die aufregenden Liebestage vor dem Zwischenfall zu denken. Dann begann das Unterhaltungsprogramm und Cheops zwang ihre Gedanken zurück ins hier und jetzt, während sie zusammen mit den anderen zum Volkstanz klatschte und den Bauchtänzern anerkennend zusah.
Als es die Höflichkeit zuließ, verabschiedete sich Cheops und ging langsam durch den Hotelgarten zu dem Pfad, der sie an der Totenstadt vorbei zu ihrem Garten führen würde. Ihre Gedanken wanderten wieder zu glücklicheren Zeiten. Will pflegte arabische Musik aufzulegen und bestand dann darauf, dass Cheops ihr den Bauchtanz vorführte. Dies führte immer zu andern Aktivitäten, die bis tief in die Nacht hin andauerten.
Gedankenverloren überhörte Cheops die Schritte hinter sich, bis sich ein Paar schlaksige Arme um ihre Taille legten. "Ich wette du kannst genauso gut bauchtanzen", flüsterte Bob in ihr Ohr.
"Lassen sie los Mr. Scott", sagte Cheops fest und versetzte ihm einen Stoß. Die Arme festigten sich und Cheops erkannte, dass sie in Schwierigkeiten steckte. "Verschwinden sie!", befahl sie. Bobs Atem roch nach Whiskey und er lachte leise bevor er sie umdrehte, um sie zu küssen. Cheops verlor ihr Gleichgewicht und fiel, wobei sie Bob mit nach unten zog. ‚Oh Gott!', dachte sie.
Sie bemühte sich ihn weg zu stoßen, während er mit betrunkenem Entzücken lachte. Dann wurde er zu ihrer Erleichterung von einer Kriegerin am Kragen hochgehoben, welche nur noch um Haaresbreite davon entfernt zu sein schien, ihn zu ermorden. "Verschwinde und komm ja nie wieder in ihre Nähe!", befahl Will, während sie den verängstigten Betrunkenen schüttelte bis seine Zähne klapperten. Sie versetzte ihm einen ordentlichen Schubs in die richtige Richtung und er torkelte durch die Dunkelheit davon, während er winselte, dass es alles ein Missverständnis gewesen sei.
Will reichte hinunter und zog Cheops auf ihre Füße. Sie kippte nach vorn und die Kriegerin fing sie in ihren Armen. "Bist du ok?"
Cheops entging die Gelegenheit nicht. Sie ruhte ihren Kopf unter Wills Kinn und nickte, wobei sich ihr Kopf im weichen Material des T-Shirts der größeren Frau vergrub. Es roch nach frisch gebügelter Baumwolle und dem würzigen Duft, der Willy zu eigen war.
Willy trat zurück. "Ich werde dich nach Hause bringen."
Cheops lachte zittrig. "Vorm amourösen Betrunkenen gerettet, um von meiner Mörderin nach Hause gebracht zu werden. Das ist wirklich keine gute Nacht!"
Willy blickte unbehaglich. "Ich habe dir doch gesagt, dass ich was für mein Geld sehen möchte. Von daher bist du heute Nacht in Sicherheit."
Cheops blickte tief in Wills Augen. Sie konnte die Zweifel sehen. ‚Ich bin dabei dich zurück zu gewinnen Will. Du weißt es nur noch nicht', dachte sie. Laut jedoch sagte sie: "Danke."
Sie gingen Seite an Seite den steinigen Pfad hinunter zu Cheops Haus. Im Garten hielt Will an und sah sich um. Schmerz und Anspannung waren deutlich auf ihrem Gesicht zu erkennen. Cheops leckte sich nervös über die Lippen und ergriff die Chance. "Manchmal kann ich sie hier draußen spielen hören", sagte sie leise und Will nickte, während sie schluckte. "Ich hätte nie..."
"Ich weiß", unterbrach Willy sie schnell. "Ich möchte nicht darüber reden."
Cheops nickte. "Du bist nicht zum Abendessen erschienen", bemerkte sie.
Will sah unbehaglich aus und schob den trockenen Kies mit ihrem Fuß umher. "Ich kann mit solchen Veranstaltungen nicht wirklich umgehen. Ich mag weder Geräusche noch Menschenmengen."
"Kann ich dir einen Snack bereiten? Es ist das mindeste, was ich tun kann, dafür dass du meine Ehre gerettet hast."
"Du wärst mit ihm fertig geworden. Er war nur ein dummer Betrunkener. Du kannst nicht sonderlich gut stehen mit deinem Fuß oder?", bemerkte Will.
Cheops schluckte, sie würde Will die Wahrheit erzählen müssen und das am besten gleich, obwohl sie Angst davor hatte, dass es jede Chance darauf, dass sie jemals wieder zusammen kamen, zerstören würde. Sie hatte schon bei mehreren Leuten den angeekelten Blick gesehen, wenn sie gesehen hatten, dass sie einen künstlichen Fuß hatte. "Mein Fuß und mein Knöchel wurden amputiert Will. Ich trage eine Prothese." Der Körper neben ihr schreckte auf und wurde dann ganz ruhig.
"Du hast einen künstlichen Fuß?!"
"Ja", antwortete Cheops auf den Boden blickend, da sie sich fürchtete in Wills Augen zu blicken und den Ekel zu sehen.
Sie war komplett überrascht, als Will sie fest umarmte. "Ich habe es nicht gewusst", flüsterte sie in Cheops Haar.
"Es ist in Ordnung. Danke, dass du dich sorgst." Cheops blickte auf und traf mit ihren Wills Augen. "Hör mal, wo wir heute Nacht eh Waffenstillstand haben, möchtest du vielleicht mit rein kommen, so dass ich dir was zu essen machen kann?"
Will zog sich zurück und ließ ihre Arme zur Seite fallen. Für eine Minute standen sie da und blickten einander schweigend an, während Will mit ihren Dämonen kämpfte. "Nein", sagte sie schließlich, drehte sich um und verschwand in der Nacht.
Cheops humpelte zur Tür und ließ sich ins Haus. Mechanisch packte sie ihre Sachen und machte sich bettfertig. Morgen würden sie Sakkara besuchen und danach 300 Meilen den Nil entlang nach Luxor fliegen. Sie war begierig darauf zu sehen, welche Fortschritte KV 5 gemacht hatte und wollte mit Inge, ihrer Feldarchäologin, reden.
Es dauerte lange bis sie einschlief. In Luxor würde Will den grausamen Tag noch einmal erleben müssen, genauso wie Cheops es viele Male getan hatte, wenn sie während der Saison im Tal der Könige gearbeitet hatte. Sie dachte, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, wenn sie Will nicht bald erreichen konnte. Sie war sich sicher, dass Will bestimmt einen Plan hatte. Sie würde einen Ort, eine Zeit und eine Waffe haben und es gab nichts, was Cheops tun konnte, außer hoffen, dass noch ein Stück von der Frau, die sie liebte, in der gequälten Seele steckte.
Was war überhaupt mit Will geschehen? Sie konnte, nun da die vergangenen Monate einige unverarbeitete Gefühle geheilt hatten, verstehen, warum Will nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Und wenn es stimmte, dass Will wirklich wie gesagt erste Hilfe geleistet und das Krankenhaus darüber informiert hatte, wo sie ihre Tochter begraben hatte, war ein Teil des Grolls, den sie gegen Will gehegt hatte, nicht fair. Wenn Will sie damals nicht hatte töten wollen, warum dann jetzt? Als der Morgen den Himmel langsam rot färbte, schlief Cheops endlich ein.


 Teil 2

 

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