Disclaimer: Die Charaktere von Xena und Gabrielle sind Eigentum von Universal und Renaissance Pictures. Es ist keine Copyrightverletzung beabsichtigt.
Dank: Mein Dank geht an die Leser, die so nett waren, mich von ihrer Freude an meinen Geschichten in Kenntnis zu setzen. Ihr seid ein toller Haufen! Mein besonderer Dank geht an Lisa, Inga und Susan, meine langmütigen und hart arbeitenden Betareaderin.
Warnung: Diese Geschichte gehört zu den "alternative" FF. Bitte lest sie nicht, wenn ihr minderjährig seid oder es an eurem Ende der Welt illegal sein sollte.
Hinweis: Die Jahreszeiten-Serie ist in einem ganz anderen Stil geschrieben, als meine anderen Geschichten. Es gibt keine großen Abendteuer und dramatischen Kampfszenen. Dieser Vierteiler beschäftigt sich mit der Art Courage, die es braucht, um in der heutigen Welt eine Frau und/oder homosexuell zu sein.
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Copyright © Februar 2010 jany

 

Autumn Winds

By
Anne Azel
a_azel@hotmail.com

Übersetzung von jany

Teil 1
Die Reporter hatten an jenem kalten Augusttag wie angewiesen an der alten Mauer zusammengedrängt gewartet bis die Beerdigung vorbei war. Der Presse war es nicht gestattet gewesen, die Kathedrale zu betreten, aber die Liste der Gäste hatte sich wie die Hautevolee der Reichen und Berühmten gelesen und sein Redakteur wollte unbedingt einige gute Fotos von dem Moment haben, an dem sie die Kathedrale verließen. Jedes Gesicht würde zweifelsohne die politisch angemessene Menge an Trauer zeigen.
Der Reporter zitterte und stellte den Wollkragen seiner Jacke gegen den bitterkalten Wind auf. Es gab niemand Berühmteren als die "außergewöhnliche Williams-Familie". Philip Williams war ein Waliser, der nach Kanada eingewandert war. Durch harte Arbeit und brillante Geldgeschäfte hatte er sich seinen Platz in der überraschten kanadischen Führungsschicht erobert.
Schon immer ein Nonkonformist gewesen, überraschte er die konservative kanadische Führungsschicht erneut, als er mit 53 Jahren Alexandria Thasos, die Primaballerina des königlichen Winnipeg Ballettes, heiratete. Diese war zu jener Zeit gerade einmal 22 Jahre alt. Zur großen Überraschung aller hielt ihre stürmische Ehe, bis Williams mit 76 bei einem mysteriösen Bootsunfall ums Leben kam.
Alexandria hatte ihrem "Philly" drei ebenso außergewöhnliche Kinder geschenkt; Roberta, Elizabeth und William. Roberta, die Älteste, hatte Oscars für ihre Arbeit als Schauspielerin, Dramatikerin und Regisseurin gewonnen. Sie war wie ihr Vater; brillant, skrupellos und ehrgeizig. Einer ihrer Kritiker hatte einmal geschrieben: "Robbie Williams kann jeden zum Star machen. Das einzige, was es ihn kostet, ist seine Seele!"
Die zweitälteste war Elizabeth, die öffentlichkeitsscheue Physikerin, welche so komplexes Fachwissen über die Quantenmechanik besaß, dass ihr kaum jemand folgen konnte. In Fachkreisen wurde jedoch akzeptiert, dass nur sie und Gott die Kräfte, welche zur Erschaffung des Universums notwendig gewesen waren, vollständig verstanden.
"Billy-the-Kid" Williams, der jüngste Spross und das schwarze Schaf der Familie, hatte mit seiner Wilden Art drei Weltcupsiege in der Formel 1 und den Edelstahlsarg gewonnen, welcher gerade aus der Kathedrale getragen wurde.
Der Reporter verließ den Schutz der Mauer und ging hinaus in den beißenden Wind, um sich an die dreckige, gelbe Absperrung zu lehnen, welche auf Bitten des Bürgermeisters durch die besorgte Polizei errichtet worden war.
Die Menge wartete ungeduldig auf den Trauerzug aus Berühmtheiten. Der Sarg wurde von Billy-the-Kids Teamkollegen getragen. Sie waren in ihren Teamfarben gekleidet; schwarze mit einem roten Streifen längs des Hosenbeins.
Der blaue Stahl des Sarges war teilweise von einer schwarzweiß karierten Fahne verdeckt, welche nur wenige Momente zuvor von Alexandria auf dramatische Weise ausgerollt worden war. Die beiden Schwestern hatten seinen roten Helm am Sargende platziert. Er hatte gute Arbeit geleistet. Billys hübscher Kopf war unbeschädigt, jedoch bei dem Unfall gänzlich von seinem Körper getrennt worden.
Hinter dem Sarg ging Alexandria die Treppen hinunter. Sie war theatralisch in schwarzem Nerz - ein anderer, als zur Beerdigung ihres Gatten - gekleidet. Der glänzende, rote Verschluss des Nerzes, betonte ihren langen Hals und wiederholte das Rennfahrermotiv. Sie schien zutiefst unglücklich angesichts des Todes ihres Sohnes, doch der Reporter bemerkte beim Blick durch die Kamera, dass ihre Augen trocken waren.
Einen Schritt hinter der dramatischen Alexandria gingen die überlebenden Geschwister; Roberta, groß, dunkel und voller Energie lächelte die Gaffer spöttisch an, während die mausgraue Elizabeth ihren Kopf gesenkt hielt. Dies geschah jedoch nicht aus Trauer, sondern weil sie in berauschender Betrachtung des größeren Universums versunken war.
Danach folgte in stiller Würde und von den anderen vollkommen vergessen, Billys Frau, Janet. In ihren Armen trug sie ein Baby. Billys Kind. Der Reporter machte einige Nahaufnahmen. Dies war der erste Auftritt der dritten Generation. Was für eine Tradition, der das kleine Kind gerecht werden musste!
Die Trauergesellschaft blieb auf den letzten Stufen stehen und sah zu, wie der Sarg in einen schwarzen Leichenwagen geschoben wurde. In diesem Moment schoss der Reporter das Bild, das in schwarzweiß in den Zeitungskiosken überall auf der Welt zu sehen sein würde.
Dort stand Alexandria in dramatischer Pose und einen Schritt hinter ihr Elizabeth, gedankenverloren und halb verdeckt vom schwarzen Fell ihrer Mutter. Rechts abseits ragte Roberta empor. Statt zum Sarg zu sehen, blickte sie nach links, an ihrer Schwester vorbei, dort hin, wo Billys Frau mit stiller Würde, die Arme schützend um ihr Kind gelegt, stand. Janet Williams blondes Haar war der einzige helle Fleck in der dunklen Szene.
Robertas Gesicht zeigte berechnende Neugier, als hätte sie gerade erst mitbekommen, dass ihr Bruder eine Familie hinterlassen hatte. Es schien als würde sie überlegen, welche Rechte und Pflichten sie ihnen gegenüber hatte, was sie natürlich auch tat.
Eine schwarze Stretch-Limousine fuhr langsam vor und das Rennteam, nun von der Last des Sarges befreit, drehte sich herum und reihte sich links und rechts neben der Limousine auf. Die Mitglieder auf der linken Seite öffneten die Türen, um die Williams Familie einsteigen zu lassen. Alexandria und Elizabeth traten vor und verschwanden im luxuriösen Inneren. Roberta ging zu Janet Williams hinüber, nahm sie beim Ellenbogen und führte die überraschte Frau und ihr Kind hinunter zum Fahrzeug. Dann stiegen alle drei ein und die Rennteammitglieder schlossen die Türen, bevor sie auf die nächste Limousine warteten, welche sie zur Grabstelle bringen würde.
Im Inneren herrschte für einen Moment Stille, bevor sich Alexandria bewegte. "Danke Roberta. Wie immer wundervoll choreographiert. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob wir nicht für die Presse noch etwas länger auf der Treppe hätten stehen bleiben sollen."
Die beiden Schwestern tauschten ein hauchdünnes Lächeln. "Unsinn Alexandria, das Licht war heute viel zu grell. Es wäre dir nicht gerecht geworden", antwortete Robbie praktisch, wobei sie die vor Schock weit aufgerissenen Augen der kleinen Frau sah, welche ihr gegenüber saß. 'Billy hatte einen guten Geschmack', dachte sie, während ihre Augen langsam den Körper der kleinen Frau entlang wanderten.
Alexandria schniefte. "Vielleicht. Das ist dein Gebiet und ich werde mich deinem Urteil beugen Robbie. Beth, halt deine Schultern gerade Liebes." Beth gehorchte sofort, während ihr die Röte den Nacken hinauf schoss.
"Ich habe deinen Artikel über deine Beobachtungen des Ereignishorizontes von Cygnus X-1 gelesen. Kann ich annehmen, dass du der Meinung bist, dass die aktuellen Daten den Schwarzschildradius bestätigen?", fragte Robbie, während sie ihre neonblauen Augen auf ihre Schwester richtete. Robertas prüfendem Blick nicht mehr länger ausgesetzt, entspannte sich Janet. Sie sah, wie auch Elizabeth lockerer wurde, nachdem ihre große Schwester ihr zur Hilfe geeilt war und die Unterhaltung zu einem ihr angenehmen Thema umgelenkt hatte.
"Die Lichtwellenfront hat es zweifellos nicht geschafft in der Unendlichkeit zu verschwinden und schwebt nun etwa 30 Kilometer von dem Stern entfernt, wie es nach dem Schwarzschildradius zu erwarten wäre. Was interessant ist", fuhr die Einsiedlerin mit Begeisterung für ihr einziges Interessengebiet fort, "ist, dass nach den Prinzipien der Quantenmechanik Partikel aus einem schwarzen Loch entkommen können. Das wäre nach der klassischen Mechanik undenkbar."
Robbie nickte. "Die Unschärferelation", murmelte sie, während sie dem Gedankengang ihrer Schwester folgte.
Beth lächelte. "Planck's Konstanten kommen an der Stelle ins Spiel, an der…"
Alexandria winkte verärgert mit der Hand. "Mädchen, ihr müsst den Kopf von Billys Frau nicht mit den Williams'schen Gedankenspielen zum Platzen bringen! Seid höflich."
"Mein Name ist Janet", kam eine sanfte, feste Stimme aus der Ecke. Alle Augen richteten sich überrascht auf die kleine blonde Frau.
Beim Klang ihrer Stimme, fing das Kind auf ihrem Schoß an zu strahlen und griff nach oben. "Mami, Mami."
Die grünen Augen wandten sich von der Familie ab und konzentrierten sich auf ihre Tochter, wobei ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbrach. "Hallo meine Kleine", gurrte Janet Williams, während sie das Kind mit dem Lederhandschuh spielen ließ, den sie ausgezogen hatte.
Robbie bewegte sich unbehaglich. Elizabeth verschwand wieder in sich selbst und Alexandria sah mit Verblüffen zu dem Baby hinüber, als hätte sie gerade erst realisiert, dass sie nun Großmutter war. Und genau das, hatte sie in diesem Moment erkannt. "Ich lasse mich nicht Großmutter nennen!", verkündete sie.
Janet blickte erschrocken auf, bevor ihre Augen einen kühlen Grünton annahmen. "Falls meine Tochter und ich sie je wieder treffen sollten, Mrs. Williams, wie sollen wir sie dann ansprechen?"
Robbie brach in schallendes Gelächter aus, was den Fahrer der Limousine dazu veranlasste überrascht in den Rückspiegel zu sehen. Roberta Williams war im wahren Leben genauso schön, wie auf dem Bildschirm. Er fragte sich, ob die Gerüchte um ihre Homosexualität wahr waren. 'Verdammt schade, wenn es so ist', dachte er, während er seine Augen widerwillig wieder zur Straße wandte.
Beth zuckte in ihrer Ecke zusammen, während Alexandria sich für eine ihrer bemerkenswerten Tiraden sammelte. Sie wurde jedoch durch eine große, starke Hand auf ihrem Arm aufgehalten. "Alexandria gehört nicht zur mütterlichen Sorte. Wir sprechen sie mit Alexandria an. Hinter ihrem Rücken nennen wir sie allerdings was immer wir uns trauen", erklärte Robbie, ihre außergewöhnlichen Augen erneut auf Janet gerichtet.
Janet nickte und verstand, dass Roberta wieder einmal zur Rettung geeilt war. "Also wirklich Roberta!", rief Alexandria. "Was soll... Janice denn denken?!"
"Janet. Und was interessiert es uns, was sie denkt?", fragte Robbie mit gehobener Augenbraue.
"Warum haben sie mich zu dieser Limousine geführt?", fragte Janet, während sie in diese erstaunlichen Augen blickte, nachdem sie sich ihr wieder zugewandt hatten.
"Show", erklärte Robbie geradeheraus, während sie ihre langen Beine streckte, bis ihre Wade Janets Fußgelenk berührte.
Dieses Mal lachte Alexandria. "Robbie führt immer Regie, nicht wahr Liebes?"
"Immer", murmelte Robbie weiterhin in Janets Augen blickend.
Janet sah nicht weg. Klein beigeben war außer Frage. Sie hatte Gerüchte gehört, die besagten, dass Robbie lesbisch und sehr wild sei. Machte Roberta sie gerade an? Nein, das war unwahrscheinlich. Sie war immerhin Billys Witwe und hatte ihre 2-jährige Tochter auf dem Arm. Das allein sollte jegliches Interesse vertreiben. Nein, dies war lediglich eins der kleinen Williams'schen Spielchen, dessen Motiv ihr jedoch nicht klar war.
"Billy hat versäumt uns zu informieren, dass er geheiratet hat. Sie sind eine ziemliche Überraschung für uns gewesen, als wir in der Zeitung von der Hochzeit und der darauf folgenden Geburtsanzeige gelesen haben. Ich hatte nicht gedacht, dass Billy..."
"Roberta! Du gehst zu weit. Ich sehe ein, dass sie eine angeheiratete Williams ist, aber wir kennen sie doch kaum!", unterbracht Alexandria.
Das Anhalten der Limousine verhinderte jede weitere Diskussion. Alexandria stieg gefolgt von Elizabeth auf der einen Seite aus, während Robbie auf der anderen ausstieg. "Roberta, würde es dir etwas ausmachen?", fragte Janet, während sie ihr das Baby hinhielt. Robbie blinzelte verwirrt, bevor sie sich wieder erholte und vortrat um das Baby unbeholfen entgegen zu nehmen.
Janet stieg schnell aus der Limousine, da sie befürchtete, dass das Baby bei der steifen, kalten Frau fremdeln würde. Sehr zur Überraschung von beiden, blickte das kleine Kind jedoch in Robbies blaue Augen und quietschte vergnügt, bevor sie ihren Kopf in Robbies Nacken und ihren kleinen, rundlichen Arme in dunklem, dickem Haar vergrub. Als Robbie versuchte, die zweijährige zurückzugeben, verzog sie das Gesicht und hielt sich noch fester. Janets Augen leuchteten angesichts der Verwirrung, welche sich auf Robertas Gesicht breit machte. Sie hob ihre Hand, um das nervöses Grinsen zu verstecken, bevor sie sich in Gedanken an die Stirn fasste. "Hören Sie, vielleicht tragen Sie sie besser für eine Weile. Das ist nicht der richtige Ort für eine Szene", schlug sie vor.
Robbies Augen verengten sich zu Schlitzen. Janet starrte unschuldig zurück. "Bleiben Sie an meiner Seite!", befahr Robbie und Janet nickte, bevor sie pflichtbewusst ihre Hand um den Ellenbogen der großen Frau legte. Bei der Berührung sahen sie einander an. Der Wind ließ ihre Haare sanft um ihre Krägen wehen. Über ihnen raschelten die Blätter. Dann gingen sie zu Alexandria und Elizabeth hinüber, welche neben dem Grab standen.
Der Reporter machte ein Bild von der versammelten Williamsfamilie. Roberta, welche jetzt die dritte Generation hielt, war sichtlich das Familieoberhaupt. Alexandria und Elizabeth spielten ihre Rollen und die kleine Ehefrau hielt sich zur Unterstützung an Robertas starkem Arm fest, während sie zusah, wie der Sarg ihres Mannes auf die Grabstütze gelegt wurde. Dieses Foto erschien auf Seite zwei.
Am Ende der Beisetzung, trat jedes der Familienmitglieder vor und warf eine rote Rose mit einem schwarzen Band auf die karierte Flagge, welche den Sarg bedeckte. Robbie gab ihre Rose erst dem Baby, bevor sie sie neben den roten Helm warf. Die ernsten, blauen Augen folgten ihr mit großem Interesse. Als letztes folgte Janets Rose. Sie beugte sich hinunter und legte ihre Rose auf den Sarg. "Danke", flüsterte sie, bevor sie sich wieder aufrichtete und mit Tränen in den Augen zurück an Robertas Seite ging.
Robbie legte instinktiv ihren langen Arm um die trauernde Frau und fragte sich, was ihr egoistischer Bruder je in seinem Leben getan hatte, für das man ihm dankbar sein sollte. Danach machte sich die Familie wieder auf den Weg. Robbie hatte auf dem einen Arm das wunderschöne Kind, während der andere um die bestürzte Frau gelegt war. Alexandria und Elizabeth folgten, wobei Alexandria ein wenig überrascht darüber war, dass ihre starke Tochter ihr die Show gestohlen hatte, indem sie die Führung übernahm.
An der Limousine angekommen, drehte sich Robbie um, um ihrer Schwester in die Augen zu sehen. Elizabeth nickte kaum merklich, bevor sie ihrer Mutter ins Fahrzeug folgte, um sich dieses mal neben sie zu setzen. Als nächstes stieg Janet ein und wartete darauf, ihr Kind gereicht zu bekommen. Zu ihrer Überraschung hielt Roberta das kleine Mädchen weiterhin fest, während sie auf den Sitz neben ihr rutschte.
Auf dem Weg zum Hotel erzählte Janet Gutenachtgeschichten für Rebecca, welche gemütlich auf Robbies Schoß saß und müde mit deren Goldkette spielte. Das kleine Mädchen beobachtete aufmerksam das Gesicht seiner Mutter, während diese einfache, aber wunderschöne Märchen erzählte. Die drei Williams saßen erstaunt daneben und sahen zu, wie die goldhaarige Frau Liebe für ihre Tochter ausstrahlte, während sie ihre Geschichten erzählte.
Nachdem das Kind in Robbies Armen eingeschlafen war, flüsterte sie zu Janet: "Übernachten Sie im gleichen Hotel?"
"Nein, nein, ich plane noch heute nach Hause zurück zu fahren", erklärte die Witwe.
"Wo steht ihr Auto?", wollte Robbie wissen.
"Beim Beerdigungsinstitut", antwortete Janet, als die Limousine vor dem Hotel hielt. "Ich kann mit dem Taxi zurückfahren."
Alexandria gab ein Geräusch von sich, welches irgendwo zwischen einem Quietschen und einem Schnauben lag. "Meine Liebe, es warten 400 Gäste auf dem Empfang auf uns, die ihre letzte Ehre erweisen wollen. Benehmen Sie sich! Roberta!?"
Robbie richtete ihre Augen auf Janet, welche so aussah, als wollte sie rebellieren. "Sie werden mir folgen und darauf vertrauen, dass ich mich um alles kümmere. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Sie keinem von Alexandrias so genannten Freunden aussetzen." Der finstere Blick auf Janets Gesicht verschwand und man konnte an seiner Stelle beinahe ein Lächeln erkennen.
"Roberta!", protestierte ihre Mutter.
Robbie ignorierte Alexandria und wandte sich zu ihrer Schwester. "Entschuldige Schwesterherz, ich fürchte du musst mir heute Deckung geben, während ich Babysitter spiele."
Elizabeth nickte ohne etwas zu sagen. Es war offensichtlich, dass Roberta in ihren Augen das sagen hatte.
Dann verließen sie den Wagen, wobei Roberta weiterhin die rechtmäßige Erbin auf dem Arm behielt. Es war wichtig der Presse eine geschlossene Williamsfront zu zeigen. In der Lobby mussten sie sich durch die Reporter hindurchdrängen. Robbie hatte einen Arm beschützend um Janet gelegt und ihren Kragen hochgeklappt, um das Gesicht des Babys zu bedecken, während sie geradewegs auf den wartenden Fahrstuhl zusteuerten.
Im obersten Stockwerk angekommen, wurden sie vom Manager empfangen und in eine private Suite gebracht, wo sie ihre Mäntel ablegten und ihr Make-up erneuerten. Janet nutzte die Zeit, um mit Rebecca auf dem Boden zu spielen, nachdem sie sie gewickelt und gewaschen hatte. Dann gingen sie in den benachbarten Saal hinüber, um die Gäste zu begrüßen.
Der Abend rauschte an der gefühlsmäßig ausgelaugten Janet einfach vorbei. Robbie führte sie umher und als sie bemerkte, dass sie nicht mehr länger gerade aus gucken konnte, brachte sie sie zurück ins Schlafzimmer und ließ sie mit Rebecca zusammen schlafen.
Einige Stunden später, kehrte Robbie zurück und stellte fest, dass Mutter und Tochter immer noch schliefen; Rebecca sicher unter der Decke und Janet nur im Unterkleid auf der Decke, ihr Arm beschützend um ihre Tochter gelegt. Ihr erdbeerblondes Haar hatte sich auf dem Kissen ausgebreitet.
Robbie lehnte für einen Moment am Türrahmen und genoss den Anblick. 'Sie ist eine schöne Frau', beschloss sie, 'Photogene Gesichtszüge. Ob sie wohl schauspielerisches Talent hat?' Sie stieß sich vom Türrahmen ab und ging zum Bett hinüber. "Janet. Janet. Hey!", rief Robbie, bevor sie an der nackten Schulter der zierlichen Frau rüttelte. Die Haut war warm und seidig weich unter Robbies Hand, bevor sie sie wieder wegzog.
"Huh? Oh! Wie spät ist es?", fragte die blonde Frau, offensichtlich noch nicht ganz wach.
"Zeit zu gehen", antwortete Robbie. "Ich werde Ihnen einen Kaffee besorgen, während Sie sich anziehen." Sie drehte sich herum und ging davon. Janet stand auf, wusch sich, zog sich an und kümmerte sich um Rebecca.
Robbie kehrte wenig später mit einem Tablett, auf dem sich Kaffe, ein Glas Milch und einige Kekse befanden, zurück. "Hier. Die Limousine wartet bereits. Sie wird uns zu ihrem Auto bringen. Dann werde ich mit Ihnen Heim fahren", organisierte Robbie.
"Mir geht es gut, wirklich", erklärte Janet schnell, "Ich komme von hier an alleine klar."
"Füttern Sie das Kind", war Robbies einzige Antwort, bevor sie erneut den Raum verließ.
Als sie zurückkehrte, war sie in Jeans, einem rauen Baumwollhemd und einer Wildlederjacke gekleidet und hatte eine kleine Reisetasche in der Hand. Janet war gerade dabei, Rebecca ihre Jacke anzuziehen. "Das ist nicht notwendig", beschwerte sich Janet.
"Doch ist es. Sie sind müde und emotional und haben vor mit der einzigen Williamserbin 800 Kilometer im Dunklen zu fahren", erklärte Robbie unverblümt.
"Zum Teufel mit den Williams!", blaffte Janet, die langsam wütend wurde, angesichts der Absicht dieser Frau, sich in ihr Leben einzumischen.
"Zu spät, sie sind bereits verdammt", antwortete Robbie ruhig. "Ich werde fahren und Sie können sich um...."
"Rebecca", sagte Janet bissig.
"...um Rebecca kümmern", wiederholte Robbie und sah zu dem Kind, als sie den Namen erfasste. Dann griff sie in ihre Jackentasche und zog ein Mobiltelefon heraus. "Rowe, wir verlassen jetzt das Hotel. Ich werde für zwei Tage fort sein, vielleicht auch länger." Dann legte sie auf.
"Ich brauche Ihre Hilfe nicht", sagte Janet entschlossen und mit scharfem Unterton in der Stimme.
"Gut. Sie bekommen sie auch nicht, sondern Rebecca", murrte Robbie, während sie Rebecca hochhob und Janet aus dem Zimmer zum Fahrstuhl führte. Diesmal verließen sie das Gebäude durch einen Seiteneingang und stiegen in die Limousine, welche bei ihrer Ankunft vor- und nachdem sie eingestiegen waren wieder losfuhr. Die Fahrt zum Beerdigungsinstitut verlief in völliger Stille.
Die Limousine hielt neben dem einzigen Fahrzeug auf dem Parkplatz des Beerdigungsinstitutes. Es war ein alter, leicht verbeulter Chevy Truck mit verlängerter Fahrerkabine. Für einen Moment herrschte Stille. Dann schnaubte Robbie: "Was - ist - das?!"
"Mein Truck", antwortete Janet, während sie mit Rebecca, ihrer Handtasche und der Wickeltasche mit leichten Schwierigkeiten ausstieg und zu dem roten, verstaubten Fahrzeug hinüberging. Sie verlagerte Rebecca auf eine Seite und suchte in der Jackentasche nach ihren Schlüsseln. Ihre Handschuhe fielen hinunter und Rebecca bewegte sich unruhig.
Starke Arme nahmen ihr das Kind ab. "Hier. Öffnen sie die verdammte Tür, bevor Sie das Kind auf seinen Kopf fallen lassen", brummte Robbie. Janet beugte sich hinunter und hob ihre Handschuhe auf, bevor sie den richtigen Schlüssel fand, ums Auto herum ging und die Beifahrertür aufschloss. Robbie folgte ihr mit ausdruckslosem Gesicht. Janet legte die Wickeltasche ins Auto und drehte sich herum, um Robbie das schlafende Kind abzunehmen, wodurch alle drei für einen Moment dicht beieinander waren. Robbies Körper war warm, was wohl auch der Grund dafür war, dass Rebecca gerne dicht bei ihr war. Janet konnte einen leichten Hauch von Kräutern wahrnehmen und blickte in Robbies Augen auf, als diese sprach. "Ich fahre. Sie können von mir aus deswegen jetzt stinksauer sein, aber es wird sich trotzdem so abspielen."
Janet seufzte frustriert und zog Rebecca von Robbie weg in ihre Arme. Das schläfrige kleine Kind streckte eine Hand über Janets Schulter hinweg. "Oby, Oby komm", jammerte sie.
Janet setzte das Kind in seinen Kindersitz auf der Rückbank und schnallte es sorgfältig an. Sie blickte zu ihrem kleinen Mädchen hinunter und fragte sich, wie sie so schnell eine Beziehung zu dieser fremden Frau aufgebaut hatte. Sie sah ihrem Bruder Billy erstaunlich ähnlich, aber Rebecca hatte ihren Vater nie getroffen. Das konnte also nicht der Grund sein. Seltsam.
Sie kam wieder aus dem Auto und schob die Lehne des Beifahrersitzes nach hinten. Dann drehte sie sich zu Roberta. "Vielen Danke, dass Sie sich um uns sorgen, Ms. Williams. Rebecca und ich kommen klar", sagte sie, während sie erneut ihre Schlüssel rausholte.
Robbie trat vor und sperrte Janet zwischen ihrem Körper und dem Türrahmen ein. Sie legte ihre Hand um Janets und drückte zu.
"Das tut weh!", blaffte Janet, woraufhin sich die Hand der andere Frau etwas entspannte.
"Lassen Sie die Autoschlüssel los. Sie können sich nicht gleichzeitig um ein müdes Babykümmern und fahren", befahl Robbie. Für einen Moment starrten sie einander an, während ein Willenskampf zwischen ihnen tobte. "Bitte", knurrte die Regisseurin, woraufhin Janet ihre Hand öffnete und die Schlüssel herunterfielen. Robbie hob sie auf und ging zur Fahrerseite hinüber, bevor sie einstieg und sich zu der verärgerten Frau umdrehte.
"Bei den wenigen Gelegenheiten, in denen ich mich verpflichtet fühle, Verantwortung für andere zu übernehmen, geschieht dies aus gutem Grund. Stellen Sie meine Autorität nicht in frage", erklärte Robbie ruhig, wobei ihre blauen Augen einen eisigen Farbton annahmen. Janet blickte zu ihrer Tochter. "Denken Sie nicht einmal daran", kam die ruhige Antwort auf den Plan einfach mit ihrer Tochter abzuhauen, der gerade erst in Janets Gehirn aufgekeimt war. Die zierliche Frau sah zurück zur Fahrerin, bevor sie einstieg und die Tür zuschlug.
"Das ist Entführung", knurrte sie, während sie verärgert durch die Frontscheibe blickte und ihren Gurt anlegte.
Robbie lehnte sich nach vorn und drehte den Schlüssel. Der Motor startete unter Protest. "Setzen Sie es auf die Liste mit meinen Vergehen", antwortete die Regisseurin bitter. "Scheiße! Ist das das beste Fahrzeug, das mein Bruder besitzt?!"
"Billy und ich haben nie zusammengelebt", blaffte Janet. Der Ärger brachte sie dazu, mehr zu sagen, als sie normalerweise getan hätte.
"Ja nun, wie sind Sie dann zu dem Kind gekommen?", fragte Robbie sarkastisch.
"Das geht Sie nichts an", knurrte Janet, während sie ihre Hände in ihrem Schoß faltete, um sie vom zittern abzuhalten.
Das starke Kinn der Fahrerin spannte sich, als sie auf die Straße hinausfuhr. "Ist sie Billys?"
Janet lächelte spöttisch, sagte jedoch nichts. Sie fuhren weiter. Robbie bewegte das Auto meisterhaft durch den Stadtverkehr und dann hinaus auf den Highway nach Norden.
Einige Stunden später hielt Robbie an einer Selbstbedienungstankstelle und stieg aus. Janet sah der berühmten Regisseurin beim Tanken und Reinigen der Scheiben zu. Sie sah in Jeans ebenso energiegeladen, aus wie in dem schwarzen, maßgeschneiderten Mantel aus angerauter Seide, welchen sie zur Beerdigung getragen hatte. Darunter hatte sie ein graues Kostüm aus Wolle getragen, welches elegant geschnitten war und gut zu der roten Seidenbluse gepasst hatte. Elizabeth hatte ebenfalls grau getragen, akzentuiert durch einen roten Seidenschal. Janet verstand nun, dass es Show gewesen war. Die ganze Beerdigung war bis hin zu den Kostümen von Roberta arrangiert worden, um den Williams Mythos aufrechtzuerhalten.
Robbie stieg wieder in den Truck. "Haben Sie Hunger?", fragte sie. "Es ist 20 Uhr und die Sandwichs auf dem Empfang waren nur zum Anschauen und nicht zum Sattessen."
Janet überlegte. Sie war am verhungern, aber eine Pause würde sie zwingen Rebecca zu wecken und noch mehr Zeit mit der unangenehmen Roberta zu verbringen. Der Hunger siegte. "Ja etwas zu essen wäre nicht schlecht. Rebecca könnte jedoch etwas übellaunig sein. Sie mag es nicht geweckt zu werden."
"Nun wenn sie anfängt zu schreien, stopfen wir ihr einen Hamburger oder etwas anderes in den Mund", schlug Robbie vor, während sie nach hinten zu dem Baby blickte, welches in seinem Kindersitz schlief. Sie hielte eine kleine Hand zur Faust geballt gegen ihr Auge. 'Sie ist irgendwie süß für ein Baby', dachte Robbie.
Janet sah Roberta müde an. Die Regisseurin hatte offensichtlich keine Ahnung von Kindern. Sie öffnete die schwere Autotür und stieg aus, bevor sie die Rückenlehne nach vorne kippte und den Gurt löste, um Rebecca herauszuholen, woraufhin diese sofort anfing zu weinen. Janet wippte sie hin und her und sprach leise mit ihr, während Roberta den Wagen abschloss und zu ihnen auf die andere Seite kam. Die große Frau sah zu dem verärgerten Baby hinunter. "Bringen Sie sie dazu aufzuhören", befahl sie.
Janet rollte mit den Augen. "Das versuche ich ja Ms. Williams, aber sie ist ein Baby, dessen Zeitplan heute fürchterlich durcheinander gebracht wurde."
Robbie streckte den Arm aus und sagte "Geben Sie her", woraufhin ihr Janet ihre schwere Tochter übergab. Die Regisseurin blickte in das überraschte Babygesicht. "Halt dem Mund", sagte sie, woraufhin Rebecca, sehr zu Janets Erstaunen, lachte und nach Robbies Kette griff. Robbie blickte zu Janet hinunter und hob mit einem selbstgefälligen Grinsen eine Augenbraue.
Janet lachte und schüttelte ungläubig den Kopf. "Für diese Angeberei können Sie sie jetzt mit Erbsenbrei füttern, Ms. Williams!"
"Mein Name ist Robbie und kein Kind sollte sein Leben mit Erbsenbrei beginnen müssen!", knurrte sie, während sie mit Rebecca über der Schulter in Richtung Restaurant ging.
Janet folgte ihr, nicht sicher, was sie von dieser ungewöhnlichen Frau halten sollte. "Alle Kinder essen anfangs Erbsenbrei. Rebecca fängt an feste Nahrung zu sich zu nehmen, aber ich hielt es für das Beste, sie während der Fahrt mit Brei zu füttern."
"Kein Wunder, dass die Welt so ein verdammtes Chaos ist, wenn alle als Babys solches Zeug essen mussten!", murrte Robbie, während sie Janet die Tür aufhielt.
"Robbie?"
"Hmmm", erwiderte die große Frau, während sie gefallen daran fand, wie Janet ihren Namen aussprach. Janet nahm in einem Separee platz und Robbie setzte sich ihr gegenüber.
"Als Teil von Rebeccas Leben, solltest du dir merken, in ihrem Beisein nicht zu fluchen", erklärte Janet sanft.
Robbie sah überrascht von Janet zu Rebecca und dann erneut zu Janet.
"Wer hat was davon gesagt, dass ich am Leben dieses Kindes Teil haben werde?!", rief sie.
Janet lächelte und sah zu ihrer Tochter hinunter, welche erneut ihre kleinen Arme um Robbies Hals gelegt hatte und glücklich auf ihrem Kragen kaute. Dann blickte sie wieder zu Robbie, welche daraufhin rot wurde. "Du bist hier oder nicht? Und du hast Rebecca bei jeder Gelegenheit genommen, die sich geboten hat."
"Hey warte mal!", protestierte Robbie mit hochroten Wangen.
"Entschuldigen Sie. Möchten sie vielleicht einen Kinderstuhl für ihre Kleine?", fragte die Kellnerin, während sie zu Robbie herunter sah.
"Agh", sagte Robbie, während sie die Antwort auf dem Fußboden suchte.
"Ja, möchte sie", übersetzte Janet. "Sehen sie sich nicht ähnlich?", fügte sie frotzelnd hinzu.
Die Kellnerin nickte und streckte einen Arm aus, um Rebeccas dunkle, vom schlaf zerzauste Haare glatt zu streichen. "Sie hat die Haare ihrer Mutter. Na wirst du später mal wie Mami aussehen?", gurrte sie.
Janet versteckte ihr Grinsen hinter der Hand, deren Arm auf dem Tisch aufgestützt war. Robbie vergrub ihr Gesicht in Rebeccas Nacken.
"Können wir bitte zwei Speisekarten haben?", fragte Janet.
"Kein Problem", sagte die Kellnerin, bevor sie davon ging.
Robbie blickte verärgert zu Janet auf. "Warum hast du das getan?!", fragte sie.
Janet grinste breit und legte ihren Kopf auf die Seite, um die verärgerte Regisseurin zu beobachten. "Das war deine Idee", erinnerte sie sie süß.
Robbie blickte finster drein und war gerade dabei zu antworten, als die Kellnerin mit dem Kinderstuhl auftauchte. "Hier haben sie ihn", sagte sie, während sie den Stuhl am Ende des Tisches abstellte und die Speisekarten auf die blaue Tischdecke legte, bevor sie ging.
Robbie sah zu Janet. Janet lächelte und wartete. Robbies Blick verfinsterte sich weiter, während sie von der Bank rutschte und Rebecca hochhob, um sie in den Kinderstuhl zu setzen. Rebecca lachte fröhlich und zappelte mit den Beinen, so dass es unmöglich wurde, sie in den Stuhl zu setzen. Robbie versucht es erneut. Auch dieser Versuch wurde fröhlich zu Nichte gemacht.
"Das Kind hat deinen kranken Sinn für Humor", murrte Robbie, als sie Rebeccas Beine mit einer Hand festhielt und sie sanft unter die Tischplatte des Kindersitz steckte, während sie Rebecca beim dritten Versuch erfolgreich in den Sitz rutschen ließ. Rebecca griff nach Robbies Goldkette, wodurch diese sich nicht wieder aufrichten konnte.
Janet beschloss klugerweise, dass jetzt der richtige Augenblick war, um zur Hilfe zu eilen, bevor die Situation in einer der berühmten Williams Szenen gipfelte. "Rebecca", rief sie sanft, woraufhin ihre Tochter Robbie augenblicklich vergaß, die Kette los ließ und ihre Arme nach ihrer Mutter ausstreckte. Janet nahm ihre Hände und küsste sie. "Du bist ein braves Mädchen", sagte sie.
Robbie seufzte und setzte sich wieder hin, bevor sie verwirrt zu Mutter und Tochter blickte. Warum war sie überhaupt hier? Warum sollte sie sich um Billys Familie kümmern?
"Und wirst du sie jetzt auch füttern, nachdem du den Kinderstuhl gemeistert hast?", fragte Janet provokativ, während sie die Speisekarte las.
"Ich kann sie füttern", murrte Robbie irritiert, während sie ihre eigene Karte las.
"Haben sie sich entschieden?", fragte die Kellnerin, welche zum Tisch zurück gekehrt war.
"Ich nehme ein Käseomelette", bestellte Robbie hinter ihrer Menükarte hervor, "und... meine Tochter kriegt Rührei."
"Ich hätte gerne Eier mit Speck und extra Toast", bat Janet mit einem Lächeln. Die Kellnerin lächelte zurück und ging die Bestellung aufgeben. Janet sah zu Robbie hinüber. "Deine Tochter?", erkundigte sie sich.
"Hey du hast damit angefangen! Was sollte ich da jetzt zu sagen? Dass ich das Kind noch nie zuvor gesehen habe?!", fragte Robbie, während sie sich nach vorn lehnte und ihr Kinn auf ihre Hand stützte. "Essen nicht ausgewachsene Menschen Rührei?", fragte sie nachträglich.
"Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für diese Frage", betonte Janet und ihre Augen tanzten spitzbübisch, während sie sich Robbie beim Füttern ihrer sturen Tochter vorstellte.
Robbie blickte auf die Tischdecke hinunter und fuhr mit ihren langen, schlanken Fingern anmutig die Muster nach. "Hör zu. Ich bin jetzt gewissermaßen das Familienoberhaupt. Ich fühle mich irgendwie verantwortlich dafür zu sorgen, dass es Rebecca gut geht, in Ordnung."
"Standet ihr euch nah, Billy und du?", fragte Janet und blickte von Robbies Händen zu ihrem Gesicht auf. Sie hatte wunderschöne Hände mit langen Fingern. Roberta Williams war in der Tat umwerfend. Eine dieser seltenen Personen, welche sich wohl fühlten und nicht von ihrer unglaublichen Schönheit beeinflusst wurden.
Robbie runzelte die Stirn. "Nein."
"Robbie, Billy hat seine Tochter nie gesehen. Die Williams haben Rebecca gegenüber keine Verpflichtungen. Ich bin in der Lage sie alleine großzuziehen."
"Was für eine seltsame Beziehung hatten mein Bruder und du eigentlich?!", fragte Robbie irritiert. Janet blieb es durch die Ankunft ihres Essens erspart zu Antworten. Diesmal bemerkte sie, dass Robbie absichtlich nicht zu der Kellnerin aufblickte. Ebenso wenig, wie sie es das letzte mal getan hatte. Sie will nicht erkannt werden! Ich habe nicht einmal daran gedacht, dass sie berühmt ist.
"Danke", lächelte Janet und zog die Aufmerksamkeit auf sich.
"Gern geschehen", antwortete die Kellnerin, bevor sie davon ging.
"Es tut mir Leid", sagte Janet, und berührte Robbies Arm.
Robbie mochte die Berührung, zeigte dies jedoch nicht. "Was tut dir Leid?"
"Dass ich die Aufmerksamkeit der Kellnerin auf dich gelenkt habe, als sie das letzte mal hier war. Es ist mir gar nicht in den Sinn gekommen... Es tut mir Leid", wiederholte Janet aufrichtig.
Robbie zuckte mit den Schultern und blickte unbehaglich drein. "Erzählst du mir nun von deiner Beziehung zu Billy, während ich versuche die Eier in das Kind zu stopfen?"
Janet blickte in jene bemerkenswerten blauen Augen, während sie überlegte. Sie schienen von Innen her zu leuchten. "In Ordnung", sagte sie, während sie sich fragte, ob Robbie verstehen würde.
Robbie griff entschlossen nach der Gabel. Janet nahm sie ihr weg und reichte ihr einen Teelöffel. "Nimm damit etwas von dem Ei und puste bis es kalt genug ist", warnte sie. Robbie nickte und nahm etwas Ei, bevor sie es kalt pustete und es Rebecca anbot. Rebecca ergriff lachend den Löffel und kippte ihr das Ei auf den Schoß.
"Scheiße!", blaffte Robbie, woraufhin Janet verärgert eine Augenbraue hob.
"Das Kind hat mich mit Ei bekleckert!", protestierte Robbie. Janet sagte nichts. Robbie nahm wieder etwas Ei, pustete und bot es Rebecca erneut an. Dieses mal weigerte sich Rebecca den Mund zu öffnen und griff stattdessen mit einer Ei beschmierten Hand nach Robbies Haaren.
Janet sah den Blick und reagierte sofort. "Hier", sagte sie, während sie Robbie eilig eine Servierte anbot, "so geht das." Janet nahm den Löffel und machte eine Portion fertig. "Bitte sehr Liebling. Mach den Mund auf für Mami. So ein braves Mädchen. Magst du die Eier, die dir Tante Robbie bestellt hat? Hier, nimm noch einen Löffel voll", überredete Janet, während sie den Löffel in Rebeccas Mund schob und ihn leicht anhob, so dass das Ei heruntergekratzt wurde, als sie den Löffel herauszog.
Robbie sah aufmerksam zu. Die Interaktion von Mutter und Tochter faszinierte sie.
"In Ordnung. Nun versuch du es", sagte Janet, als sie Robbie lächelnd den Löffel zurückgab. Robbie wiederholte ihre Handlung. Sie machte sogar Janets Tonfall und Redensart nach. Rebecca aß zufrieden ihr Ei und Janet saß mit vor Schock weit geöffnetem Mund da.
"Das bin ich!", japste sie.
Robbie lächelte und wackelte mit ihren Augenbrauen. Rebecca machte ein Bäuerchen und erbrach sich auf Robbies Hand.
Robbie hob ihre Hand und sah zu, wie das halbverdaute Ei heruntertropfte. "Und was für einen Ausdruck benutze ich nun, um zu beschreiben, was ich gerade fühle?", fragte sie still, während sie das Gesicht verzog.
"Ich sage normalerweise 'Oje'", bot Janet an, während sie sich das Lachen verkniff.
"Nein, 'Oje' ist nicht dramatisch genug", seufzte Robbie.
"Hier", sagte Janet sanft, bevor sie Robbies Hand mit einer Servierte sauber wischte. "Ich sag dir was. Was hältst du davon, wenn ich Rebecca zu Ende füttere, während du dein Abendessen isst. Ich bin es gewohnt mit nur einer Hand zu essen."
Robbie widersprach nicht. Sie hatte vorerst jeden Mutterinstinkt erstickt, der möglicherweise in ihr schlummerte. Sie sah sich ihr kaltes und teilweise erstarrtes Omelett an. Janet tat es ihr gleich. "Man gewöhnt sich daran, kaltes Essen zu sich zu nehmen", seufzte sie. Robbie nickte und aß launisch ihr Abendessen, während sie still zusah, wie Janet aß und gleichzeitig Rebecca fütterte.
Einige Zeit später verließen sie das Restaurant und Janet trug das müde, schlechtgelaunte Kind zum Wagen. Robbie hielt das heulende Kind behutsam, während Janet auf den Rücksitz kletterte. Dann reichte sie es erleichtert herüber. Janet schnallte ihre unglückliche Tochter in ihren Kindersitz, während Robbie um das Auto herumging und erneut im Fahrersitz Platz nahm. Für eine Weile wurde Janets beruhigende Stimme von den klagenden Tönen ihrer Tochter überstimmt.
Dann begann Robbie zu singen, woraufhin Mutter und Tochter Ruhe gaben. Das Lied war ein altes walisisches Schlaflied und ihre Stimme war tief und melodisch. Bald war Rebecca fest eingeschlafen und Robbie fuhr an den Straßenrand, um Janet wieder auf den Vordersitz zu lassen. "Du hast eine wundervolle Stimme", sagte sie, als sie wieder losfuhren.
"Hmm", antwortete Robbie desinteressiert.
"Hast du schon professionell gesungen? Ich kann mich nicht dran erinnern, dich in einem der Filme singen gehört zu haben. Außer in 'Dark Night' aber das waren ja nur ein paar Worte und du warst betrunken", plapperte Janet.
Eine Augenbraue wanderte in die Höhe. "Nein ich singe nicht professionell. Und ich war auch nicht betrunken. Ich habe betrunken gespielt. Das ist ein großer Unterschied", stellte die Regisseurin klar.
"Trinkst du überhaupt keinen Alkohol?", fragte Janet überrascht. Sie hatte gehört, dass die berühmte Regisseurin ein ziemlich wildes Leben geführt hatte.
"Selten und nie im Übermaß", antwortete Robbie. "Wo muss ich von der Autobahn abfahren?"
"Etwas nördlich von Bartlet", antwortete Janet, während sie das Profil der Schauspielerin studierte.
"Nichts ist nördlich von Bartlet", bemerkte Robbie sarkastisch. "Stimmt etwas nicht mit meinem Gesicht?"
Janet lächelte. "Nein, du bist wirklich bewundernswert, aber ich nehme an, das hörst du sehr oft. Ich habe lediglich versucht dich zu verstehen. Du bist eine sehr komplexe Person."
Robbie hatte schon häufig gehört, dass sie bewundernswert war, aber dass Janet dies von ihr dachte, hob ihre Laune. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob sie wollte, dass Janet sie verstand. Sie würde das, was sie dann finden würde, wahrscheinlich nicht mögen.
Janet setze sich so, dass sie mit dem Rücken an der Tür lehnte und Robbie richtig ansehen konnte. Sie war ein sonderbares und schönes Mysterium, welches mit pulsierender Energie gefüllt war, die sich innerhalb von Sekunden in Gewalt oder Führsorge konzentrieren konnte. Janet konnte sich nicht erklären warum, aber sie empfand keine Antipathie gegen diese Frau, obwohl sie anfangs gedacht hatte, dass sie dies tun würde. Tatsächlich war sie ziemlich beeindruckt von Roberta Williams.
Die Williams Familie war eine anstrengende Erfahrung gewesen. Aber was, wenn ihr etwas zustieß? Rechtlich würde ihre Tochter an Alexandria übergeben werden. Das machte Janet höllische Angst. Elizabeth schien nett zu sein, lebte jedoch in ihrer eigenen Welt. Sie hätte nicht die Zeit, sich um ein aktives Kind wie Rebecca zu kümmern. Dann war da noch Robbie...
"Kann ich dich etwas fragen?"
"Ich denke schon", seufzte Robbie, während sie darauf wartete, eine der Standardfragen gestellt zu bekommen.
"Würdest du die Vormundschaft für Rebecca übernehmen?"
Das Auto brach auf den Kiesstreifen aus, bevor es rasch wieder auf den Asphalt zurück kehrte. "Was!?"
"Ich möchte nur sicher gehen, dass sich jemand um Rebecca kümmert, falls mir irgendetwas zustoßen sollte. Billy ist tot und ich habe keine Familie. Ich möchte nicht, dass Rebeccas Kindheit so wird, wie meine ", erklärte Janet.
Robbie warf der ernsten Frau neben sich einen verstohlenen Blick zu. "Warst du ein Waisenkind?"
"Ja."
"Wer hat dich großgezogen?"
"Mein Großvater", antwortete Janet offen.
"Warum ich? Weißt du irgendetwas über mich?!", fragte Robbie ungläubig.
"Das, was ich über dich gelesen habe, war ziemlich negativ. Du sollst ein kreatives Genie aber auch ein Tyrann sein. Hast du wirklich Sally Gershmans Nervenzusammenbruch verursacht?"
"Höchst wahrscheinlich. Also warum dann ich?", beharrte Robbie.
"Ich habe heute Abend einen Teil deiner tyrannischen Natur gesehen, aber ich glaube nicht, dass sich Rebecca davon einschüchtern ließe. Ich habe heute allerdings auch eine andere Seite von dir zu Gesicht bekommen. Elizabeth verehrt dich. Alexandria respektiert dich und ich habe gelernt, dass du ein wirklich weiches Herz hast."
"Unsinn."
"Wirst du nun ihr Vormund?", wiederholte Janet und zeigte sich damit eben so stur wie Robbie.
Lange Zeit herrschte Stille und diverse Gefühle huschten über Robbies Gesicht. "Ja", sagte sie letztendlich.
"Das freut mich", sagte Janet sanft, bevor sich in ihren Sitz zurücklehnte.
Eine Stunde später bogen sie von der Bartlett Straße ab und fuhren einen holprigen Sandweg entlang, der links und rechts von dicken Bäumen gesäumt wurde. "Lebst du mit Bären zusammen?", fragte Robbie sarkastisch.
"Nur im Winter", gähnte Janet, als sie vor ihrer Hütte hielten. "Hier wohne ich", erklärte Janet.
Robbie sah die Blockhütte ungläubig an. "Mit wem? Daniel Boone!?"


 Teil 2

 

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