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Disclaimer: Die Charaktere von Xena und Gabrielle sind Eigentum von Universal und Renaissance Pictures. Es ist keine Copyrightverletzung beabsichtigt.
Warnung: Diese Geschichte gehört zu "Alternative Fiction". Bitte lest sie nicht, wenn ihr minderjährig seid oder es an eurem Ende von der Welt illegal sein sollte.
Notiz: Alle Beschreibungen der Flora und Fauna in dieser Geschichte sind real, ebenso die der Indianergruppen und der natürlichen Topografie. Sie sind Bestandteil meiner eigenen Feldforschungen in diesem Gebiet. Cats Paw kommt als mögliches Medikament bei der Behandlung von Krebs in Betracht.

 

Amazon Encounter

By
Anne Azel
a_azel@hotmail.com

Übersetzung von finonomene@planet-interkom.de

Teil 1
Morgan Andrews spähte durch das Fenster der Chesna und ihre Augen leuchteten vor Aufregung. Unter ihr lag das wogende Gras der Savanne, dehnte sich nach allen Richtungen aus, nur hier und da durchschnitten von breiten, tiefen Flüssen und Waldgürteln. Graue, schwere Wolken verdeckten die Sicht und Morgans Augen wandten sich voller Interesse ihren Reisebegleitern zu. Am anderen Ende, tief in der Mitte des Flugzeuges saß ein Rentnerpaar aus Florida. Sie hatten gerade ihre Zitrusplantagen verkauft und verbrachten jetzt ihren Ruhestand auf Reisen. Morgen mochte sie. Sie waren bestimmt gute Eltern gewesen, sorgsam und voller Freundlichkeit. Morgan hatte Betty und Joe Harris erst an diesem Morgen im Touristen-Van kennen gelernt, der sie an ihrem Hotel eingesammelt hatte, um sie zu dem kleinen Flugplatz zu bringen.
Sie hatte auch Arthur Berkler dort getroffen, einen Geschäftsmann auf dem Weg zu den Holzanbaugebieten im Regenwald. Er saß neben ihr auf dem mittleren Sitz in der Reihe, sein Aktenkoffer stand geöffnet auf seinem Schoß. Morgen hatte während ihres zweistündigen Fluges ab und zu über seine Schulter mitgelesen und war nun bestens über Berklers Angebot informiert. Sie lächelte. Ein Glück für Berkler, dass er für eine Firma arbeitete, die Holzprodukte herstellte und keine Medikamente. Morgans Mission in diesem Gebiet war da etwas geheimnisvoller. Berkler war übergewichtig und er brauchte wesentlich mehr Platz, als dafür vorgesehen war. Glücklicherweise war in dieser Höhe die Luft in der Chesna kühl und trocken. Darüber war Morgen froh, denn er war ziemlich verschwitzt und erhitzt gewesen, als sie ihre Sitze in dieser "fliegenden Konservenbüchse" eingenommen hatten, wie Betty es genannt hatte. Berkler schien sie alle vollständig zu ignorieren und das kam Morgan gerade recht, denn sie war wirklich nicht gut auf Leute zu sprechen, die den Regenwald abholzten.
Das kleine Flugzeug holperte durch die raue Luft und Morgan schluckte. Bitte, bring mich nicht in die Verlegenheit, mich übergeben zu müssen, betete sie. Die Maschine war alt und vollgestopft und roch nach verstaubten Ledersitzen und Schweiß. Die Plastikfenster waren zerkratzt und das Funkgerät des Piloten war auf dem Armaturenbrett mit dünnen grünen und roten Drähten festgezurrt. Vom ursprünglichen Funkgerät war nur ein gähnendes Loch auf dem Kontrollbrett übriggeblieben. Für gewöhnlich machte Morgan das Fliegen überhaupt nichts aus, jetzt aber fühlte sie sich ein wenig unsicher in einem Flugzeug, das nur noch von Kreativität und Glück zusammengehalten zu werden schien.
Die Wolken hatten sich verdichtet und sie flogen blind durch die grauen Nebel. Feuchtigkeit schlug sich an der Windschutzscheibe nieder und Tropfen rollten über die Seitenfenster. Der Pilot, ein dicker, lockiger Brasilianer schien sich zu langweilen. Hin und wieder drehte er an den Knöpfen des Funkgerätes. Seine Haut war kupferfarben und sein Fünf-Uhr-Schatten war schon zu erkennen, obwohl es erst kurz nach Mittag war. Sein Gesicht hatte den blutunterlaufenen Ausdruck eines Trinkers, stellte Morgan mit einiger Besorgnis fest. Er sah ziemlich alt aus, aber vielleicht auch nicht, beschloss sie nach einem zweiten Nachdenken, sein Haar wies kein Grau auf, dicht und schwer ringelte es sich über den großen, schwarzen Kopfhörern. Morgan wünschte sich, sie hätte auch ein Set. Die sechssitzige Maschine röhrte lautstark und machte jede Konversation unmöglich, es sein denn, man schrie sich an.
Die Person, die sie jedoch am meisten interessierte, war eine große Frau, die neben dem Piloten saß. Sie hatte sich in letzter Minute auf dem Flugplatz zu ihnen gesellt, in raschem Portugiesisch auf den Piloten eingeredet, sich dann umgedreht und war in langen Schritten zum Haupthangar zurückgerannt. Der Pilot hatte daraufhin Morgan höflich gebeten, vom Vordersitz auf einen in der mittleren Reihe zu wechseln, wo sie sich neben dem schwitzenden Berkler in die Ecke gequetscht hatte. Ein paar Minuten später war die große Frau wieder aufgetaucht und hatte sich in den Sitz des Copiloten geschwungen, auf dem Morgan zuvor gesessen hatte.
Sie war überraschend gutaussehend. Mit ebenmäßigen, klassischen Gesichtszügen und einem großen, gertenschlanken Körper, der die Grazie eines Leoparden und die Stärke eines Bären ausstrahlte, als sie sich bewegte. Ihre Augen waren von klarem Blau im Gegensatz zu ihrem dunklen Haar und ihrem Teint und es schien beinahe etwas nicht menschliches in ihnen zu glimmen. Sie waren eiskalt und verströmten sich dennoch in einem inneren Leuchten. Für eine Sekunde hatten sie sich in Morgans gebohrt und sie war von ihnen festgehalten worden, bis die Frau ihren Blick gelöst und sich abgewandt hatte. Der kurze Augenkontakt hatte Schauer über Morgans Rücken geschickt.
Die fremde Frau war in ein paar raue Khakishorts und ein ärmelloses Baumwollhemd gekleidet. Sie trug knöchelhohe Schnürstiefel aus hochpoliertem Leder und einen geflochtenen Ledergürtel. Sie sah aus, als wäre sie aus den Seiten eines Ralf Lauren Safari Kataloges gefallen. Ja, genau, schnaubte Morgan bei sich selbst, ein einziger Blick auf die taffe Erscheinung der Lady ließ keinen Zweifel daran, dass sie die Hauptsache war. Nicht dass daran überhaupt hätten Zweifel aufkommen können, denn als sie sich umdrehte wurde klar, dass der Gurt über ihrer Brust eine braune Lederscheide mit einer Machete auf ihrem Rücken festhielt.
Die Frau schob die Waffe fort, als sie sich in ihren Sitz schwang und schloss die Tür. Sie nickte dem Piloten zu und gab ihm damit das Freizeichen für den Start. Alle Gespräche in dem kleinen Sechssitzer waren bei ihrem Erscheinen verstummt, alle Blicke auf sie gerichtet. Wenn die Frau sich dessen bewusst war, dann gab sie keine Anzeichen dafür von sich, sie ignorierte einfach alle.
Alles, was Morgan jetzt von dieser Unbekannten sehen konnte, waren ihre Schultern und der Scheitel ihres dunklen Kopfes. Sie ertappte sich dabei, dass sie sich wünschte, auf Berklers Platz zu sitzen, so dass sie während des Fluges wenigstens einen Blick auf das Profil erhaschen könnte. Morgen bemerkte, dass Berkler aufschaute und wie seine Augen gierig über die Frau im Sitz des Copiloten hinwegglitten. Vergiss es Berkler, die frisst dich bei lebendigem Leibe auf, dachte Morgan mit einem inneren Kichern. Wenn sie überhaupt Notiz von dir nimmt!
Morgan versank ins Grübeln. Das kleine Flugzeug war noch immer umgeben von grauen, feuchten Wolken. Ich denke, deswegen nennt man ihn wohl Regenwald, überlegte sie und versuchte, ihre panischen Gedanken - sie könnten gegen einen Berg prallen oder mit einem anderen Flugzeug zusammen stoßen oder der Motor könne im Regen versagen - keinen Platz zu lassen.
Sie sah auf und schnappte nach Luft, als sie entdeckte, dass die blauen Augen sie im Spiegel der Sonnenblende, die die Frau gerade heruntergeklappt hatte, anstarrten. "Sie sind Andrews?" fragte eine tiefe und melodische Stimme, die das "r" in ihrem Namen auf eine Weise rollte, die Morgen als überaus angenehm empfand.
"Ja," erwiderte sie einsilbig, mehr jedoch aus Schock, denn aus Absicht.
Die Augen nickten kurz. "Ich werde Sie in die Dörfer bringen," stellte die Frau fest, die Blende schnappte zurück und beendete das Gespräch damit recht effektiv. Morgen entdeckte, dass sie den Atem angehalten hatte und als sie endlich ausatmete, klopfte ihr Herz wie wild. Das ist meine Führerin! Oh Mann!
Warte, bis meine Familie herausfindet, dass ich im Dschungel mit einer Amazone verloren gegangen bin!
Zu Morgans großer Erleichterung, öffneten sich die Wolken und sie konnte wieder den Boden von ihrem Fenster aus sehen und unter ihr tauchte der grüne Waldessaum des Regenwaldes am Rande der Großen Savanne auf. Morgan war überrascht, dass der Übergang nicht allmählich verlief, sondern dass der Wald wie eine solide Wand das riesige Amazonasbecken vom Grasland der Ebene abschnitt. Nach nur ein paar Minuten hatten sie die Ebene hinter sich gelassen und jetzt erkannte Morgan die undurchdringliche Dichte des Regenwaldes. Hier und da durchschnitten von einem ausgetrockneten Flusslauf, den der Dschungel noch nicht wieder zurück erobert hatte. Im Laubteppich tauchten hin und wieder ein paar rote Farbtupfer auf, wohl Blätter einer Art Rankpflanze oder der blaue Rauch eines Indianerfeuers, meilenweit unter ihnen. Morgan jauchzte vor Entzücken. Ihr Traum vom großen Abenteuer sollte nun endlich wahr werden!
Der Pilot drosselte den Motor der kleinen Maschine und sank. Jetzt konnte Morgan an Berkler vorbei durch das gegenüberliegende Fenster eine grasbewachsene Lichtung erkennen, auf der eine kleine Landebahn von der Vegetation des Waldes freigemacht worden war. Das Flugzeug pegelte sich ein und senkte sich langsam, küsste den Boden zuerst mit den Hinterrädern und setzte dann auch auf die vorderen auf. Der Metallvogel war einmal mehr zum schwerfälligen Erdenwesen geworden. Morgans Gesicht war gegen das Fenster gepresst, während das Flugzeug über die staubige Landepiste holperte, eine Neunzig- Grad Wendung vollführte, weiter geradeaus fuhr und schließlich in Sicht der Gebäude auf der Lichtung zum Stehen kam.
Die dunkelhaarige Frau öffnete augenblicklich ihre Tür, als könnte sie nicht einen Moment länger die Enge des Flugzeuges ertragen. Bevor der Pilot noch die Motoren abgeschaltet hatte, war die fremde Frau bereits mit ausgreifenden Schritten unterwegs. Der Pilot klappte den Sitz zurück und Morgan quetschte sich hindurch und sprang in das Gras. Im Gegensatz zur kühlen Luft des Flugzeuges herrschte hier draußen die feuchte Hitze des Amazonas. Um die Mittagszeit flirrte die Luft und war schwer zu atmen, es schien als würde sie weniger Sauerstoff enthalten.
Betty folgte als nächste und Morgan bot der älteren Frau eine Hand an, als diese aus dem Flugzeug glitt. "Danke," lächelte Betty, "Mein Gott, wenn Joe mir vorher gesagt hätte, dass wir drei Stunden lang in diesem winzigen Ding fliegen müssen, dann wäre ich heute noch in Florida! Ich hatte solche Angst!"
Morgan lachte und schenkte der Frau eine beruhigende Umarmung, "Sie hatten allen Grund zur Angst. Diese ganzen Turbulenzen, Sie hatten großes Glück, dass Ihnen mein Mittagessen nicht in den Schoß gefallen ist!"
Bettys Ehemann Joe kam um das Flugzeug herum, "Also ehrlich, ihr Mädels, ich dachte Frauen sollen in Wirklichkeit heutzutage das stärkere Geschlecht sein. Hölle, so schlimm war es doch gar nicht," grummelte er vor sich in. Morgan gefiel Joes Art, mehr als nur einsilbige Wörter zu verwenden.
Betty jedoch gab ihrem Mann einen freundschaftlichen Stoß in die Rippen und wandte sich wieder Morgan zu, die gerade ihre Tasche vom Piloten entgegennahm. "Er ist in Vietnam Helikopter geflogen, daher ist er es gewohnt, sich den Hintern auf dem Boden platt zu sitzen ," erklärte sie. Zu ihrem Mann gewendet lachte sie, "Und ich bin ziemlich abgebrüht, wenn ich es schon dreißig lange Jahre mit dir aushalte!"
Morgan folgte den anderen und genoss das freundliche Geplänkel der Harrisens, während ihre Augen voller Interesse über die Siedlung Los Amazonos wanderten. Sie war wirklich am ersten Eindruck ihrer neuen Umgebung interessiert, aber sie musste auch zugeben, dass sie eigentlich nach der großen, dunkelhaarigen Frau Ausschau hielt, die ihre Führerin werden sollte.
Von Carlos Hütte aus beobachtete Kris die Gruppe mit ausdrucksloser Mine. Ihre Augen hingen an der kleinen Frau mit den erdbeerblonden Haaren. Sie schien ein wenig steif vom Flug zu sein, dennoch ansonsten relativ fit, wie sie zugeben musste, als sie ihren Blick über die Gestalt des Neuankömmlings gleiten ließ. Nett. Etwas jung vielleicht, um ein Doktor der Wissenschaft zu sein. Natürlich, jeder der einigermaßen fähig war oder erfahrener, würde zu Hause geblieben sein und für sich Karriere machen, statt sich der Feldforschung zu verschreiben. Diese Art von Arbeit war nur etwas für Studenten. Kris seufzte, Mist, ich hoffe, sie gehört nicht zu diesen Grünen oder diesen Fanatikern, die die Welt retten wollen, indem sie ihr Leben dem Studium von Erdwürmern widmen.
Carlos kam mit einer Decke um die Schultern heraus und trat neben Kris. "Diese Kleine da, sie ist hübsch," er grinste anzüglich.
Kris schnaubte, sie war sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass der gutaussehende und flirtende Carlos glücklich verheiratet und ein loyaler Mann war. Er hatte nur immer das Gefühl, dass er sein Latinoblut verraten würde, wenn er das Spiel nicht mitspielte. Kris beschloss, sich darauf einzulassen. Mit einer Bewegung, schnell wie der Blitz, schoss ihr Arm hoch und ihre Hand schloss sich mit festem Griff um seine Kehle. Sie drehte sein Gesicht so, dass sie in seine überraschten Augen sehen konnte und warf ihm ihren einschüchternsten Blick zu, "Sie gehört mir," flüsterte sie leise mit einem Hauch Ärger, "Fass... sie nicht an." Carlos schluckte hart und Kris hielt ihn noch eine Sekunde länger fest, bevor ein strahlendes Lächeln ihre weißen Zähne leuchten ließ und sie ihm freundschaftlich die Wange tätschelte.
"Muttergottes! Kristinia Thanasis, tu das nie wieder! Du hast mich halb zu Tode erschreckt!"
Kris zuckte mit den Schultern und hob die Hände, während sie spielerisch zurück wich, "Was denn?!" fragte sie unschuldig. Sie drehte sich um und überließ Carlos seinem Vergnügen, ihren großen, schlanken Körper zu betrachten, während sie die Machete umlegte. Über die Schulter gewandt, sagte sie, "Ich muss mit Fernando reden." Dann war sie gegangen. Carlos schüttelte den Kopf und war froh, dass Kris in ihm einen Freund sah. Er hasste den Gedanken, sie zur Feindin zu haben, weil er den leisen Verdacht hatte, dass alle Gerüchte über sie wahr sein könnten.
**********
Morgan entdeckte die Frau von ihrer Unterkunft aus, als diese hinüber zum Hauptgebäude ging, wo der Speisesaal und die Küche waren. Sie sah, wie sie den kleinen, rundlichen Besitzer, dessen Name Fernando war, umarmte und sich dann neben ihn an die offene Bar auf der Veranda setzte. Sicher war er nicht ihr Ehemann! Morgan wandte sich ab, aus irgendeinem Grunde, den sie nicht erklären konnte, war sie ein wenig verärgert, dass diese Frau den Männern hier so viel Freundschaft entgegen zu bringen schien.
Die Hitze war schrecklich. Ihre Kleidung hing feucht an ihr und rieb unangenehm. Sie packte Shorts aus und zog ihre Bluejeans aus. Es ist sowieso Zeit, sich zu zeigen, dachte sie und zerrte das Hosenbein über die Schiene an ihrem rechten Unterschenkel. Es war nicht, weil sie etwas gegen die Schiene gehabt hätte, nach sieben Jahren hatte sie gelernt, sie zu akzeptieren, aber sie hasste es, wenn die Leute zu höflich waren, um sie direkt zu danach zu fragen. Sie seufzte, zog ihre Shorts über die muskulösen Beine und ein T-Shirt über ihren flachen, festen Bauch. Die Kleidung war kühl und konservativ genug, um die meisten ihrer Narben zu verdecken.
Sie hörte, wie die Harrises aus dem Bungalow neben ihrem kamen. Sie waren alle von Fernando eingeladen worden, einen Nachmittagsdrink auf der Veranda zu nehmen. Morgan schaute sich noch einmal um, um sicher zu gehen, dass alles ordentlich verstaut war, so wie Fernando es ihnen geraten hatte, nachdem er sie begrüßt und zu den Bungalows geführt hatte. Er hatte erklärt, dass die Affen sich sonst die ihnen genehmen Dinge einfach holen würden. Wie war der Witz, den Fernando gemacht hatte? Irgend etwas mit Affen, die pünktlich um fünf Uhr eintreffen würden... Morgan lächelte und machte sich in Gedanken eine Notiz, ein Foto von ihrem Bungalow für ihre Familie zu Hause zu machen. Er bestand aus einem Grasdach auf drei hohen Pfosten. Es gab eine schmale, umlaufende Veranda mit einer Hängematte und dahinter ein Zimmer mit zwei einzelnen Betten unter Moskitonetzen, einen Holztrog und hinter einer Graswand gab es eine Dusche, aus der kaltes, bräunliches Wasser tröpfelte und eine Toilette von zweifelhafter Konsistenz. Neben dem Trog standen drei alte Whiskeyflaschen, gefüllt mit frischem Wasser. Die Wände des Bungalows waren nur etwa zwei Meter hoch. Der Rest war offen und gestattete der Luft hindurch zu zirkulieren.
Zufrieden, dass alles vernünftig weggepackt war, schloss Morgan die Tür und ging die Treppe des Umganges hinunter. Sie wusste ohne hin zu sehen, dass diese klaren, kalten Augen auf sie fixiert waren. Sie konnte sie spüren, als würde ihr ein eisiger Tropfen den Rücken hinunter rinnen. Sie zwang sich aufzublicken und den Kontakt herzustellen, während sie hinüber lief, um sich den anderen anzuschließen.
Berkler hatte Fernando an der Bar in die Ecke gedrängt und redete auf ihn ein, Betty und Joe bestellten ihre Drinks beim Barkeeper. Die dunkelhaarige Frau sprang über das Verandageländer und kam ihr auf halbem Wege entgegen. So nahe, dass Morgan einfach in diese Augen sehen musste. Die Frau war mindestens einen Kopf größer als sie selbst. "Wir müssen reden," sagte die größere Frau und schaute missmutig auf Morgan herab.
Jetzt, da sie diese Frau zum ersten Mal aus der Nähe sah, realisierte Morgan, dass sie wohl um einige Jahre älter als sie war. "OK," stimmte Morgan zu und folgte der sich bereits entfernenden Gestalt. Die Frau ging auf ein großes Grasgebäude mit einem konischen Dach aus Zweigen zu. Sie hielt mit einem Arm die Türe auf und wartete, dass Morgan eintrat. Das Innere war eine Art rustikaler Konferenzraum, mit hölzernen Bänken und einem kleinen Labor. Wie in allen diesen Häusern, roch es ein wenig muffig und stark nach feuchtem Betonfußboden.
"Die Universität benutzt diese Einrichtung als Feldlabor. Sie können gerne die beschränkten Möglichkeiten während Ihres Aufenthaltes hier nutzen. Setzen," kommandierte die Frau.
"Bin ich ein Hund?" fragte Morgan und ihr Gesicht verfärbte sich, während in ihren grünen Augen ein plötzliches Feuer aufloderte. Der Mund der Frau kräuselte sich ein wenig, wie ein angedeutetes Lächeln und intensive, blaue Augen betrachteten sie von oben bis unten. Morgan hielt sich zurück, "Nein, das sind Sie nicht," sagte die ältere Frau mit leiser, gefährlicher Stimme. "Bitte nehmen Sie Platz, Ms. Andrews. Ich bin Thanasis, Kris Thanasis." Die ältere Frau hockte sich auf eine Bank und plazierte ihre Beine auf der vorderen Reihe. Sie hob eine dunkle Augenbraue und Morgan verbiß sich ihren Zorn und setzte sich hin.
Morgan hielt dem Blick stand und sagte sehr bestimmt, "Das werden Sie nicht tun."
Die Frau schaute sie irritiert, dann überrascht an, "Was werde ich nicht tun?"
"Sie werden nicht sagen, dass ein Krüppel nicht in den Regenwald gehört. Und wenn Sie es doch tun, dann werde ich Sie zur Hölle schicken," sagte Morgan und Wut färbte ihre Wangen.
Die Augenbraue wanderte wieder nach oben. "Nein. Nein, das wollte ich eigentlich auch nicht," erwiderte Kris mit mühsamer Kontrolle. "Wenn Sie versuchen wollen, mit dieser Schiene zu laufen, dann ist es Ihre Entscheidung und Sie müssen mit den Konsequenzen leben. Für mich stellt es nur eine weitere Komplikation dar, das ist alles."
"Ich bin keine Komplikation, Ms. Thanasis," grollte Morgan.
"Das wird sich noch herausstellen. Nach welcher Art Flora suchen Sie denn hier draußen?" fragte die dunkelhaarige Frau und ihre eisblauen Augen hielten Morgans Blick fest.
Morgan zögerte. "Das werden wir besprechen, wenn wir in dem entsprechenden Gebiet sind."
Die Augen verengten sich. "Ich bin nicht an Ihren kleinen Geduldsspielen interessiert, Ms. Andrews. Ich will nur meine Zeit nicht damit vergeuden, in die falsche Richtung zu marschieren. Was glauben Sie, nützt diese Pflanze denn der Menschheit?"
Morgan hob eine Hand und schob sich das Haar zurück, "Das weiß ich erst sicher, wenn ich sie gefunden und getestet habe. Keine Sorge, Ms. Thanasis, alles was ich brauche ist ein Führer. Mit dem Rest komme ich schon klar."
Das kantige Gesicht verhärtete sich zu Stein und in den Augen tanzte Ärger. "Lassen Sie uns Ihre Theorie doch testen, sollen wir?" zischte Kris wütend und mit einer gleitenden Bewegung erhob sie sich und ging zur Hintertür. Sie drückte sie auf und hielt sie für die kleine Frau fest, die noch immer überrascht auf der Bank saß. Kris trieb es auf die Spitze, indem sie direkt Morgans Bein anstarrte, als diese sich verlegen auf die Füße zwang und mit grimmiger Entschlossenheit im Gesicht an der größeren Frau vorbei ging. Kris lächelte böse. Diesen Blick werde ich dir bald vom Gesicht wischen, du kleine starrsinnige Hexe, dachte sie.
Kris verschwand auf einem schmalen Dschungelpfad. Der Weg führte über einen unwegsamen und rutschigen Hügel und endete an einer Flussbank. Am Fuße des Hügel drehte sie sich um und beobachtete, wie Morgan sich behutsam herunter arbeitete. Mein Pech, dachte Morgan, glitschige, unwegsame Hügel sind das einzige, was schwierig ist für mich! Sie stieg seitwärts über eine tiefe Furche und verlagerte ihr Gewicht, um ihr geschientes Bein nachzuziehen. Gerade als sie soweit war, rutschte ihr Fuß auf dem modrigen Gelände fort und sie stolperte vorwärts.
Harte, doch warme Arme griffen sie aus der Luft und zogen sie an Kris' Körper. Die größere Frau hatte im Bruchteil einer Sekunde die Distanz den Hügel hinauf zurückgelegt, um Morgans Fall aufzuhalten.
"Halt dich fest," instruierte sie die überraschte Ärztin und sprang mit Morgan in den Armen in einem Salto wieder auf den Strand zu. Hier setzte sie die Füße der kleineren Frau wieder auf festen Boden.
Morgan stand stocksteif. Sie war wütend auf sich selbst und ein wenig schwindelig von dem Sprung, ein Arm hielt sich noch immer vergessen am Unterarm der Frau zur Unterstützung fest. Stille. Schließlich nahm Kris die kleinere Frau bei den Schultern und drehte sie herum, so dass sie sich gegen den Körper der größeren Frau lehnen konnte. Über Morgans Schulter hinweg zeigte sie mit ihrem langen Arm auf das brackige Wasser des Flusses.
"Dort. Siehst du sie? Stachelrochen. Gefleckte. Hier kann man aber auch einfarbige finden."
Morgan drehte ihren Körper und schaute Kris eine lange Zeit in die Augen. Hier draußen, nur ein paar Meter tief im Dschungel, hatten diese Augen die Farbe des klarsten, reinsten Himmels angenommen. "Ich bin gestürzt," stellte sie voller Bitterkeit fest.
"Ich habe dich aufgefangen," sagte Kris sachlich. "Das ist eine weitere Komplikation. Aber wie du gesehen hast, komm ich damit zurecht. Und du? Kannst du dir helfen lassen oder wirst du starrköpfig bleiben und hinstürzen, wenn ich nicht in der Nähe sein kann?" fragte sie herausfordernd.
Morgan drehte sich um und beobachtete die farbigen Körper der Stachelrochen, die elegant im Wasser ihre Bahn zogen. Plötzlich schoss einer von ihnen vorwärts und ließ nur noch eine schlammige Wolke hinter sich zurück. "Sie können sich wirklich schnell bewegen, wenn sie wollen," erkannte sie.
"Ja," antwortete Kris hinter ihr stehend. Schweigen. Dann eine überraschende Entscheidung, "Willst du nicht den Drink ausfallen lassen und mit dem Boot ein wenig flussabwärts paddeln?"
Morgan wandte sich mit neugierigen, grünen Augen um und erforschte die blaue Tiefe, "Das würde mir sehr gefallen," erwiderte sie leise.
Kris nickte ernst und ging, um ein etwa 4 Meter langes Boot vom Strand in das teefarbene Wasser zu schieben. Sie hob ein handgefertigtes Paddel aus dunklem Holz auf, dessen Blatt die Form einer Pikkarte hatte. Sie drehte sich um und traf auf Morgans Augen, dann reichte sie ihr eine Hand, um der kleinen Ärztin beim Einsteigen zu helfen und sie im Boot bis zu einem rauen Holzbrett, das als Bank diente, zu führen. Morgan zögerte eine Sekunde, dann lächelte sie und legte ihre Hand in die der starken Frau und gestattete ihr, ihr Balance zu geben, bis sie beim Sitz angekommen war. "Du bist mit mir im Arm und mit einem Salto zum Ufer heruntergesprungen," sagte Morgan und schüttelte ungläubig den Kopf, während ihre Führerin das Kanu tiefer ins Wasser schob und sich rasch an Morgan vorbei über die Reling schob und ihren Platz im Heck einnahm.
"Das ist eine Fähigkeit, die heutzutage nicht mehr sehr oft erforderlich ist," erwiderte die Führerin trocken. Morgan schaute über ihre Schulter auf die kräftige Frau, entdeckte das Funkeln in deren Augen und lachte. Dann drehte sie sich herum und ließ Kris sie mit leisen, kraftvollen Bewegungen den Fluss hinuntertreiben..
**********
Kris beobachtete das Ufer, während sie mit langen und gleichmäßigen Schlägen paddelte. Warum zur Hölle tat sie das?! Sie ärgerte sich über Morgans Launen und hatte eigentlich geplant, sie zu demütigen und sie dann mit dem ersten Flugzeug wieder nach Hause zu schicken. Stattdessen hatte sie ihre Haut und ihr Gesicht gerettet und ihr nun auch noch die Sightseeing Tour über den Fluss angeboten. Mist! Was ist bloß los mit dir, Thanasis?! Die Wahrheit war, dass ihr der Geist dieser kleine Ärztin irgendwie gefiel. Sie ließ sich nicht durch diese Schiene aufhalten und als es nicht funktionierte, hatte sie ihren Fehler ohne Entschuldigung zugegeben. Kris musste sich eingestehen, dass sie zögernd begann, Morgan zu mögen. Vielleicht würde der Job gar nicht mal so schlecht werden.
"Siehst du die Löcher in der Sandbank. Da ist zu dieser Jahreszeit wenn das Wasser niedrig steht das Nest von einem Grünen Königsfischer. Aber wenn die Regenzeit einsetzt, dann ist alles unter Wasser und dann nutzen es die Aale als Unterschlupf," erklärte Kris.
"Wie Untermieter, was? Das machen sie da, wo ich herkomme auch," bemerkte Morgan heiter, als Erwiderung hörte sie hinter sich nur ein Schnauben.
"Dieser kahle Baum mit den dunklen Früchten, die an den Zweigen hängen, nennt man einen Fledermausbaum. Die Früchte sehen aus, wie Fledermäuse, die an einem toten Baum hängen. Auf diese Weise lassen die Vögel sie in Ruhe." Weihte Kris sie mit einer knappen Erklärung ein. Sie glitten den Fluss entlang, meist in stillem Einverständnis, es sei denn, Morgan hatte eine Frage oder Kris gab ein paar Informationen in ihrer kryptischen Erklärungsweise preis. Die Dämmerung war schon hereingebrochen, als sie wieder am Ufer ankamen und Kris einmal mehr Morgan behilflich war, sich über den schmalen Rand des Kanu zu bewegen. Sie schob das schwere Boot weiter auf den Strand und dann reichte sie Morgan die Hand, um sie an Land zu geleiten. Sie ließ Morgan stehen und beschäftigte sich damit, das Boot und die Paddel ordentlich zu verstauen.
"Danke, das war großartig! Ich habe so viel gelernt!" sagte Morgan begeistert, ihre Augen weit offen vor Aufregung über all die erstaunlichen Dinge, die sie in so kurzer Zeit erfahren und gesehen hatte.
"Gut," erklärte Kris in geschäftsmäßigem Tonfall, "Weil der Grund, warum ich mit dir reden wollte ist dieser: ich kann dich erst in ein paar Tagen in die Dörfer führen. Fernandos regulärer Führer, Carlos, erholt sich gerade von einem Malariaanfall und so gehe ich ihm mit den Touristen zur Hand," beendete Kris mit finsterem Blick.
"Die Harrises sind keine große Herausforderung," erwiderte Morgan zuversichtlich und Kris schaute sie überrascht an. "Oh... ich meine... wäre es OK, wenn ich mich auch anschließe? Nur um die Zeit zu überbrücken, bis du frei bist?" Kris hob eine Augenbraue, dann nickte sie und drehte wandte sich dem Hügel zu. Sie sah Morgan an und bot ihr eine Hand an. Diesmal gab es kein Zögern, Morgan kam heran und erlaubte der starken Frau, sie den Hügel hinauf zutragen. Auf der Kuppe angekommen, ließ Kris sie rasch zu Boden gleiten und Morgan musste mit dem weiteren Weg alleine zurecht kommen. Auf halbem Wege durch den Busch legte Kris ihre langen Finger auf Morgans Schultern. Sich dicht vorbeugend flüsterte sie, "Sieh langsam nach oben, siehst du den großen Schnabel, der aus dem hohlen Baumstamm ragt? Das ist ein Toucannest."
"Toucans?" wisperte Morgan mit einem versteckten Kichern, "Wie auf den Fruitloops?"
Kris nickte mit dem Hauch eines Lächelns, "Ja, aber im wahren Leben sind sie keine so netten Vögel. Sie stehlen die Eier aus den Nestern der anderen Vögel. Dafür dient der lange Schnabel, damit plündern sie die Nester. Aber beim Fliegen ist es nicht sehr praktisch, Sie verlieren dauernd das Gleichgewicht und taumeln auf und ab." erklärte die große Frau mit der Hand demonstrierend. "Der Schnabel zieht sie nach unten."
Morgan nickte und die beiden gingen weiter den Pfad entlang. Kris war eine unerschöpfliche Informationsquelle, erkannte Morgan. Sie sprach Englisch ohne jeden Akzent, schien sich jedoch im Portugiesischen und Spanischen ebenso gut zurechtzufinden. Wer war sie? Außerdem war sie unglaublich stark! Morgan wusste von ihrer Ausbildung als Ärztin, das es nur wenige Athleten gab, die Ausdauer und Kraft genug besaßen, um derartige Saltos ausführen zu können und dabei noch jemanden festzuhalten.
Sie traten gerade aus dem Regenwald auf die Lichtung, als ein unglaublicher Lärm losbrach. Instinktiv trat Morgan einen Schritt näher an die große Frau heran. "Was ist das?" fragte sie.
Kris zuckte mit den Schultern, "Die Fünf-Uhr-Affen," erklärte sie sachlich. "Die Spinnenaffen haben gelernt, dass die Lichtung eine sichere Zone ist. Wenn also gegen fünf Sonnenuntergang ist, dann kommen sie aus dem nahen Wald und schlafen in den Bäumen bei der Siedlung. Das bietet ihnen in der Nacht Schutz vor ihren natürlichen Feinden, wie zum Beispiel dem Jaguar."
Morgan lauschte Kris' Erklärung, während die feingliedrigen Affen mit den langen Armen und Beinen durch die Baumwipfel schwangen. Sie schrien laut, stießen gegen Baumstämme, verfehlten manche Zweige oder prallten gegeneinander. "Große Güte! In den Tarzanfilmen hatten sie diese Probleme aber nie!" lachte Morgan.
Kris stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. "Ja, nun, im realen Leben, können die Dinge manchmal überraschend sein, besonders wenn man sich durch die Äste hangeln muss."
"Eine weitere Ihrer seltenen Fähigkeiten, Ms. Thanasis?" scherzte Morgan.
"Ich bin Kris," sagte die große Frau im Davongehen. Morgan beobachtete, wie die Frau anfing, mit raumgreifenden Schritten zu laufen, bis sie am anderen Ende der Landebahn verschwunden war. Sie schüttelte ihren Kopf.
Sie hatten, Dank Kris Thanasis kryptischem Verhalten und ihrer eigenen Dünnhäutigkeit, einen ziemlich schweren Start gehabt. Und doch fand sie sich, trotz der kurzen Zeit, zu dieser geheimnisvollen Frau hingezogen. Seltsam. Sie seufzte und ging auf die anderen zu, die bereits alle auf der Veranda saßen.
Als sie die Treppe hinaufging, spürte sie die Blicke auf ihr Bein mehr, als dass sie sie sah. Im Stillen stöhnte sie auf. Da wären wir also wieder. Vielleicht sollte ich eine Erklärung auf einem Pappschild um den Hals tragen! "Morgan! Wo sind Sie gewesen?! Kommen Sie und setzen Sie sich zu uns," sagte Betty und klopfte auf den Sitz neben sich auf der Couch.
Joe beugte sich jedoch von seinem Bambusstuhl nach vorne und berührte die Schiene an Morgans rechtem Bein. "Zur Hölle, Liebes, was ist Ihnen denn zugestoßen?" fragte er in seiner langsamen Art, sowohl Neugier als auch Besorgnis in der Stimme.
"Joe!" mokierte sich Betty mit schockierter Verlegenheit, "Vielleicht möchte Morgan lieber nicht..."
Morgan lachte und schenkte Joe einen warmen Blick voller Verständnis. Danke Joe, da kann ich es gleich hinter mich bringen, dachte sie. "Als ich im Studium war, habe ich mir den Unterschenkel bei einem Verkehrsunfall gesplittert," erklärte Morgan. "Es ist ein so großer Schaden angerichtet worden, dass ich nun diese Schiene als Unterstützung brauche, damit ich vernünftig stehen oder laufen kann." Morgan drehte ihr Bein ein wenig, so dass Joe sehen konnte, dass die Schiene entlang ihrer Wade bis kurz unter das Knie verlief. Breite Lederriemen fixierten sie am Bein.
"Nun, Liebes, ich hoffe, Sie hatten seine Autonummer!" grummelte Joe ehrlich wegen Morgan besorgt.
"Oh, ja," antwortete Morgan schlicht, während sie bitter dachte, und ob, ich hatte jede Menge Zeit dafür, als sie dreimal über uns hinweggefahren sind! Vielleicht gab ihr Gesicht zuviel von ihren Gedanken preis, Betty jedenfalls griff herüber und drückte kurz ihre Hand und Joe lehnte sich zurück und wechselte schnell das Thema.
Der Rest der Zeit bis zum Abendessen verging in freundlicher Konversation, vor allem weil Morgan die Harrises mit Fragen über ihre Familie und das Plantagengeschäft, das einer ihrer Söhne übernommen hatte, sowie die ständig wachsende Zahl ihrer Enkelkinder löcherte. Morgan fühlte sich wie in einem Humphrey Bogart Film, auf dieser Couch aus Bambus und Leinen sitzend und mit dem Blick über die Lichtung zu dem dunkler werdenden Regenwald wandernd. Der Himmel war tintenschwarz und mit hell leuchtenden Sternen betupft. Mit Vergnügen sah Morgan zum ersten Mal das Kreuz des Südens, das die Australische Flagge ziert. Die Nachtluft war kühl und trug den Duft von Erde mit sich und das Summen Tausender Insekten, deren Heimat am Amazonas war, schwirrte um sie her.
Julio, der Kellner, rief sie in den Speiseraum, einen großen Saal mit bespannten Wänden und einem hölzernen Dach. Drinnen waren Picknickbänke in einer Reihe aufgestellt, die als Esstische dienten. Voller Konzentration servierte ihnen Julio das Essen, Hühnchen, Bohnen und mehlige Kartoffeln von rosaroter Farbe. Feuerameisensauce war ebenso verfügbar und alle brachen in Gelächter aus, als Berkler sich ein Stück Hühnchen, mit einer großen Menge davon in den Mund schob mit der Bemerkung, er liebe scharfes, mexikanisches Essen. Morgan versuchte ein wenig davon und fand es sehr scharf, aber auch sehr sauer. Sie meinte, dass sie sich wohl an den Geschmack gewöhnen konnte, nicht jedoch an das Knacken der Insektenkörper darin.
Im Raum wurde es still und Morgan schaute auf, um die dunkelhaarige Frau hinter sich zu entdecken. Mit einer graziösen Bewegung nahm sie schweigend neben Morgan Platz und Julio eilte herbei um ihr das Essen zu bringen.
"Fernando," äußerte sie als Begrüßung.
Fernando sah vom Brotschneiden auf, ein erfreutes Lächeln auf dem Gesicht, "Ah, meine schöne Kriegerin erweist mir die Ehre!" Kris' Augenbraue schoss in mokanter Art nach oben und sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Essen zu.
Morgan mochte den Duft der Frau. Sie hatte sich eindeutig geduscht, nach ihrem Spurt und roch nach Seife und sonnengetrockneten Kräutern. Ihr Körper strahlte eine Wärme aus die für Morgan spürbar war, die nur wenige Zentimeter von ihr entfernt saß. "Morgan," unterbrach Joes Stimme ihre Grübeleien, "Was für ein Doktor sind Sie denn eigentlich?" Morgan ließ ihre Gabel sinken, "Nun, nach meinem... Unfall, war es klar, dass ich nicht lange genug würde stehen können, um auf dem Gebiet zu arbeiten was mich am meisten interessierte. So bin ich in der Forschung gelandet. Ich arbeite für eine Pharmaziefirma. Ich bin diese Art irrer Wissenschaftlerin, die man sonst in den Filmen sehen kann, in einem Labor voller sprudelnder Glaszylinder und Reagenzgläser! Normalerweise mache ich keine Feldforschung... aber dann kam dieser Auftrag... und... nun ja, ich brauchte einfach Abstand," erklärte sie. Ein Knoten formte sich in ihrer Brust und sie fand es schwierig, ihrer Stimme die nötige Heiterkeit zu verleihen. Aber davon schien niemand Notiz zu nehmen. Betty nutzte die Gelegenheit, um eine Geschichte zu erzählen, wie eine Freundin von ihr sich einer alarmierenden Menge von Schönheitsoperationen unterzogen hatte, um über den Tod ihres Mannes hinweg zu kommen. Morgan saß da und spürte die Wut und die Angst wieder in sich aufsteigen, als eine starke Hand für eine Sekunde über ihren Rücken strich. Morgan schaute auf die schweigende Frau neben sich, aber da war kein Anzeichen, dass diese sie berührt hatte, zu erkennen. Morgan stieß den kräftigen Arm kurz mit ihrer Schulter an und wurde mit einem raschen Blick und einem Lächeln von Kris belohnt. Am anderen Ende des Tisches beobachtete Fernando sie mit interessiert- traurigem Blick.
*********
Nach dem Essen verabschiedete sich Kris und verschwand. Für eine Weile saßen die verbleibenden fünf mit ihrem Kaffee auf der Veranda und erzählten. Berkler erklärte die Notwendigkeit des Holzeinschlages und wie die Firmen damit den unterentwickelten Nationen unter die Arme griffen. Morgan verbrachte ihre Zeit damit, angestrengt über ihre eigene Aufgabe nachzudenken.
Nachdem er in der Küche gegessen hatte, kehrte Carlos zu dem Gebäude, das als zentraler Anlaufpunkt diente, zurück und fand Kris, wie sie einen Rucksack packte. "Ich dachte du bleibst hier und hilfst mir aus?" fragte er überrascht.
"Das tue ich," murmelte Kris beschäftigt. "Ich habe beschlossen, dass ich zu Morgan ziehe."
Carlos Augen wurden groß. "Mein Gott! Kris, ich hatte ja keine Ahnung, dass du und sie... ich hätte doch nie..." sprudelte er hervor, bis Kris ihm das Wort abschnitt.
"Ich kenne sie nicht, Carlos, noch plane ich, über sie herzufallen, es macht einfach nur Sinn, in relativem Komfort ein wenig an einer funktionierenden Beziehung zu arbeiten, solange wir hier rumhängen müssen. Es ist immer blöd, wenn man erst auf dem Weg herausfindet, dass man nicht miteinander klarkommt," erklärte Kris desinteressiert vom Badezimmer aus, wo sie ihre persönlichen Sachen aus dem Regal zusammensammelte.
Carlos nickte zustimmend. Er hatte selber ein paar Exkursionen geleitet, wo die unterschiedlichen Persönlichkeiten hart aufeinander geprallt waren und es war miserabel gewesen. "Ich bin nur traurig. Ich hatte gehofft, die Nacht mit dir neben mir in der Hängematte zu verbringen. Ahhh!" Er stöhnte auf, als Kris ihm im Vorbeigehen einen Schlag in den Bauch versetzte.
Kris schaute ihn über die Schulter hinweg an, während sie den Rucksack über die andere Schulter hob, "Hab ich es mir doch gedacht," sie ließ ihren Blick langsam über ihn gleiten, "All das Gerede und Getue, arme Maria!" und damit verschwand sie durch die Tür.
Carlos lachte und schüttelte seinen Kopf. "Das ist eine, oh, oh, so schlimm!"
Als Morgan bei ihrem Bungalow ankam, fand sie eine flackernde Öllaterne auf dem Tisch gleich neben der Tür. Sie lächelte über den wohlbedachten Service und schaltete die Taschenlampe aus, die sie und die Harrisses während des Weges benutzt hatten. Es gab keine Elektrizität in dieser Gegend und der Generator versorgte vor allem die Hauptlodge für vier Stunden jeden Tag. Als sie eintrat, wäre sie beinahe aus der Haut gefahren, ihr Herz schlug ihr in der Kehle, bis sie realisierte, dass es Kris war, die unter einem der Moskitonetze auf der Liege lag. Sie trug Unterwäsche und las in einem Fliegerjournal. "Du hast mich zu Tode erschreckt! Ich wusste nicht, dass wir einen Bungalow teilen."
Kris schaute von ihrem Journal hoch. "Ja, ich bleibe hier. Das gibt uns die Chance, ein wenig Routine zu bekommen." Erklärte sie und kehrte zu ihrer Lektüre zurück.
Morgan nickte und wandte sich zögernd ihren Taschen zu. Schließlich seufzte sie. Auf der Wanderung würde Kris die Narben sowieso sehen. Da konnte sie es jetzt genauso gut hinter sich bringen, beschloss sie und zog ihr T-Shirt über den Kopf. Dann drehte sie sich um und setzte sich auf das Bett, um ihre Hosen vorsichtig über die Schiene zu streifen. Im Aufsehen traf sie auf blaue Augen, die sie anstarrten. "Kein schöner Anblick, hm?" sagte sie und sah auf die Narben hinunter, die kreuz und quer über ihren Oberkörper verliefen, während sie sich nach vorne beugte, um die Schiene abzunehmen.
"Du bist in guter Verfassung," beobachtete ihre Führerin, "Das macht es leichter auf dem Weg. Hast du irgendwelche inneren Verletzungen, von denen ich wissen sollte?" fragte Kris und hielt damit die Situation auf einem professionellen Level, weil sie Morgans Unbehagen spürte.
Morgan schüttelte ihren Kopf. "Nein, jetzt ist alles ganz gut verheilt," erwiderte sie, froh über Kris' Geradlinigkeit und Objektivität. Sie stand auf und ging zum Holztrog, der als Waschbecken diente. Sie goss Wasser aus der Whiskeyflasche hinein, putzte sich die Zähne und wusch sich, dann ging sie zu ihrer Liege.
Kris krabbelte unter ihrem Netz hervor und kam herüber. "Leg dich hin, ich stecke das Netz fest. Die kleinste Öffnung und diese Mistviecher fressen dich auf." Morgan schlüpfte unter das weiße Laken und Kris löste das Netz vom Haken unter der Decke. Sorgfältig stopfte sie alle Ecken unter die Matratze. Dann löschte sie die Lampe und ging zu ihrem eigenen Bett. Morgan konnte hören, wie die Federn quietschten, als sie sich hinlegte und wie anschließend ihr Netz festgestopft wurde. Stille. "Diese Narben auf deinem Bauch, die stammen von Kugeln, nicht wahr?" fragte Morgan.
"Ja," antwortete Kris offen.
"Ist irgend etwas dabei zu Schaden gekommen?" fragte sie weiter.
"Ich heile schnell. Es gibt keine Probleme," kam die Erwiderung.
"Kris?..."
"Ich habe ein paar Feinde," entgegnete Kris kurzangebunden.
Morgan verstummte. Diese Frau wurde für sie mehr und mehr zum Rätsel. Bevor sie sich für die Nacht verabschiedet hatte, hatte Fernando sie zur Seite genommen... Kleines, hatte er gesagt, du kannst dein Leben der Kriegerin anvertrauen, aber denke immer daran, dass sie gefährlich ist. Sei vorsichtig.
Was hatte er damit gemeint? Dass Kris Thanasis eine dunkle Vergangenheit hatte? Oder war da mehr?
**********
Das Frühstück war eine fröhliche Angelegenheit, mit viel Gescherze und Gelächter zwischen einer Gruppe von Fremden, die nun, durch die Natur der Isolation zu guten Freunden geworden waren. Sogar der geschäftsorientierte Berkler war ein wenig entspannter und erzählte von seinen reichen Erfahrungen mit seinen Kunden. Heute wollte Fernando ein Treffen mit der örtlichen Behörde für ihn arrangieren. Sie befand sich in einer kleinen Stadt, etwa Hundert Meilen nach Osten. Das aufwärmende Dröhnen der Piper Cub war schon zu hören, als sie das Frühstück beendeten.
Kris hatte nicht mit ihnen gefrühstückt. Als Morgan unter ihrem Moskitonetz aus ihrem heißen, stickigen Schlaf erwacht war, entdeckte sie, dass Kris schon gegangen war. Ihr Rucksack lag mitten auf ihrem ordentlich zurechtgezogenen Bett. Morgan hatte sich den Schlaf aus den Augen gerieben und versuchte den leichten Kopfschmerz und die Übelkeit, das Ergebnis des Jetlags und der überwältigenden Hitze, zu vertreiben. War sie wirklich erst vor zwei Tagen in Südamerika angekommen?
Sie zwang sich in eine sitzende Position auf dem Bettrand und griff automatisch nach ihrer Schiene. Ihre Hand stoppte auf halbem Wege. Die Plastikschiene war mit Baumwollstreifen umwunden. Wut kroch in ihr hoch, die jedoch schnell wieder schwand. Kris war die Expertin hier. Wenn sie der Meinung war, die Schiene bräuchte eine Umwicklung, dann sollte sie sie auch so verwenden. Und eigentlich machte es sogar Sinn. Das Material würde die Feuchtigkeit absorbieren. Sie hatte schon gestern bemerkt, dass die ansonsten recht bequeme Schiene feucht geworden war und bereits mittags schon auf ihrer Haut gescheuert hatte.
Dann entdeckte sie ein zusammengefaltetes Stück Papier, das unter eine Schnalle der Schiene geschoben worden war. Morgan hatte es herausgezogen und aufgefaltet.
‚Wollte dich nicht wecken, wenn du so eine ruhelose Nacht hinter dir hast. Die Baumwolle wird verhindern, dass du dir das Bein wundscheuerst und dir so eine Infektion zuziehst. Klopf deine Schuhe aus, bevor du sie anziehst. Schreckliche Dinge, zum Beispiel die schwarzen Spinnen, übernachten gern darin.
Ich sehe dich nach dem Frühstück. K.'
Morgan folgte Kris' Anweisungen. Zum einen, weil sie erkannt hatte, dass es wert war, auf Kris zu hören und zum anderen, weil sie die geheimnisvolle Frau, die die Einheimischen ‚die Kriegerin' nannten, wohl wenig beeindrucken würde, wenn sie es nicht tat. Bevor sie zum Frühstück ging machte sie ihr Bett und stellte ihre Tasche ebenso ordentlich in die Mitte darauf. Sie wollte ihrer Führerin damit eine Botschaft hinterlassen, dass sie schnell lernte und dass sie ihr ruhig eine gewisse Routine zutrauen könnte. War dies nicht genau der Grund, warum Kris hier eingezogen war?
Kris beendete ihren Lauf, strolchte durch die Küche und griff sich einen von den flachen Maiskeksen, die Fernandos Frau für das Frühstück gebacken hatte. Sie kaute darauf herum, während sie zu Morgans Hütte zurück ging. Morgan war natürlich schon fort, Kris hatte ihr Lachen aus dem Speisesaal gehört, als sie vorbeiging. Ihre Augen wanderten zu Morgans Bett und sie nickte zufrieden. Morgan hatte alles zu ihrer Zufriedenheit hinterlassen und die Baumwolle wurde offensichtlich auch benutzt. Als sie sich ihren eigenen Sachen zuwandte, fand sie eine Notiz, die Morgan auf die Rückseite ihres eigenen Zettels geschrieben hatte.
‚Ich hoffe, ich habe dich nicht wachgehalten. Danke für deine Sorge um meine Sicherheit. Ich schätze deine Aufmerksamkeiten für Details und werde versuchen, mich daran zu halten, wenn wir auf der Wanderung sind. M.
PS: ich habe meine Schuhe sehr sorgfältig ausgeklopft! Keine Untermieter, Gott sei Dank!'
Kris lächelte und suchte in ihrer Tasche nach dem Waschbeutel und ging dann zur Dusche. Hinter dem Paravent drehte sie das Wasser auf und zog sich aus. In der engen Kabine hing noch der Geruch von Morgans morgendlichen Ritualen. Da war ein zarter Duft nach süßem Gras und Kräutern, der die Führerin berührte. Bisher funktionierten die Dinge ganz gut. Die nächsten Tage würden zeigen, ob Morgan eine Plage oder eine Hilfe auf der Exkursion sein würde. Bisher schien es sich, bis auf die Schiene, ganz gut zu entwickeln. Aber Kris machte sich Sorgen über den Ausdruck von Schmerz und Verwirrung, der in den Augen der kleinen Frau verborgen war. Emotionaler Stress war das letzte, was sie draußen im Regenwald gebrauchen konnte und Morgan lief ganz offensichtlich vor irgend etwas oder irgend jemandem davon und so, wie sie beim Abendessen reagiert hatte, verfolgte es sie bis in ihre Alpträume.
Kris trocknete sich ab. Sie hasste es, mit Unbekanntem klarkommen zu müssen. Und sie hasste Gefühle. Sie musste es einfach nehmen, wie es kam. Außerdem mochte sie Morgan, irgendwie. Das war überhaupt ein guter Anfang, beschloss sie, steckte ihr Hemd in die Shorts und zog den Reisverschluss zu. Dann setzte sie sich auf ihr Bett und zog Socken und ihre hohen Wanderstiefel an. Nachdem sie sich umgeschaut hatte, ob auch alles OK war, verließ sie die Hütte um sich, wie ein Kindermädchen, um die unerfahrenen Touristen zu kümmern. Christus, wie hat sich mein Leben verändert! Grübelte sie dumpf.
Die nächsten Tage erwiesen sich als außerordentliche Überraschung für Kris. Die Harrises stellten sich als glückliches und williges Paar heraus und die vier verbrachten jeden Tag unter Kris erfahrener Führung. Am ersten Tag fuhr sie mit ihnen im Kanu den Fluss hinunter. Auf dem Weg hatte sie ihnen eine Menge exotischer Vögel gezeigt, oder einen faulen Kaiman, der in der Sonne döste. Sie hatten über dem Bootsrand gelehnt und die Rochen beobachtet, die voller Grazie unter ihnen dahingeschwommen waren oder voller Staunen die Papageienschwärme über ihren Köpfen bewundert. Und Kris bemerkte, dass sie das Land durch die Augen dieser Menschen selber neu entdeckte.
OK, sie musste auch zugeben, dass sie sich selber ganz schön in Szene setzte. Zum Erstaunen der Harisses lief sie am Rand des Bootes entlang, sprang und tauchte in das braune Wasser und erschien ein paar Sekunden später mit einem Matamata von beachtlicher Größe in der Hand wieder an der Oberfläche. Vorsichtig legte sie ihn im Boot ab und benutzte dann ihre Arme, um aus dem Wasser wieder ins Kanu zurück zu schnellen. Dann erklärte sie der beeindruckten kleinen Gruppe, dass diese kleinere Schildkrötenart zu den Spezies auf der Erde gehörte, die sich im Laufe ihrer Entwicklung am wenigsten verändert hatten. Sie zeigte ihnen den lederigen Panzer und die süße, kleine Nase und dann ließ sie sie vorsichtig wieder ins Wasser gleiten. Morgan reichte ihr voller Bewunderung in den Augen ein Handtuch und das gab Kris das Gefühl, als wäre sie zehn Meter groß. Es war wirklich lächerlich, wie sie auf diese kleine Gruppe ahnungsloser Touristen reagierte!
Betty hatte sie sogar eine Heldin genannt! Mein Gott! Wenn diese Frau wüsste, von wem sie da geführt wurde! Es geschah später am gleichen Tag, als sie an einer Bucht angehalten hatten um zu schwimmen. Nach dem Essen wollte Joe sein Glück versuchen und fischen und Kris hatte ihm eine Angel gereicht und einen Grashüpfer als Köder gefangen. Joe zog kurz darauf einen zappelnden Fisch an den Strand, aber als er danach greifen wollte, war Kris von irgend woher aufgetaucht und schob seine Hände weg. Der zappelnde, orangerote Piranha biss in ihre Finger und sie musste seine Kiefer auseinander zwingen, um seine scharfen Zähne aus ihrem Fleisch zu ziehen. Nachdem sie ihn vom Haken befreit hatte, tötete sie ihn rasch. Blut tropfte von ihrer Hand. Plötzlich war Morgan mit dem Erste Hilfe Koffer erschienen, hielt vorsichtig Kris' Hand fest und legte einen Verband an. "Hey, es ist OK. Ich sprühe etwas darauf, um eine Infektion zu verhindern," sie zuckte.
Morgan schaute ungläubig auf. "Sehe ich aus, wie eine Ärztin, die zulässt, dass sich ihre Patienten selber infizieren, indem sie ihre Wunden mit Frostmittel behandeln?!" Am Ende musste sich Kris auf eine Ecke des Bootes setzen, bis Morgan die Wunde ordentlich desinfiziert und verbunden hatte. "Wenn es immer noch blutet, bis wir zurück sind, dann werde ich es mit ein paar Stichen nähen müssen," warnte sie und Kris hob ungläubig eine Augenbraue.
Danach hatte Betty ihre Führerin zur Heldin erklärt, auch wenn diese versucht hatte zu erklären, dass es sich bei dem Verbrecher um einen einzelnen, orangenen Piranha handelte, der selten angriff, es sei denn, er würde provoziert. Und dass er längst nicht so gefährlich sei, wie die kleineren grauen Piranhas, die in Schwärmen auftraten und selbst ein großes Tier binnen Minuten bis auf das Skelett abnagen konnten. Sie erklärte auch, bevor sie schwimmen gingen, dass sie das Wasser untersucht hatte, indem sie ein wenig Fleisch von ihrem Sandwich hinein geworfen hatte, um zu sehen, ob es die Aufmerksamkeit eines solchen Schwarms erregen würde. "Ich wusste, dass es hier einzelne Exemplare gibt, aber es war nicht gefährlich, bis Sie einen gefangen haben," sagte sie.
Bevor sie den Strand verlassen hatten, hatte sie sorgfältig den Fisch in der Kühlbox verstaut. An diesem Abend, beim Essen, hatte der Koch stolz Joe seinen Piranha als Appetitanreger serviert, sehr zur Freude von Kris' Gruppe. Sie hatten alle von dem dunklen, öligen Fleisch gekostet, sehr zufrieden mit ihrem Abenteuer, mit Piranhas zu schwimmen und sogar einen davon zu essen.
"Das war wirklich nett von dir, den Fisch für Joe mit zu nehmen," hatte Morgan später am Abend kommentiert, als sie endlich eine zögernde Kris soweit gebracht hatte, sie nach ihrem Finger sehen zu lassen. Kris wurde bei diesem Lob rot. Sie war nicht daran gewöhnt, als ‚nett' bezeichnet zu werden. "Mein Gott! Sieh dir das an!" rief Morgan aus und rieb mit einem Finger über die Haut, die sich über dem Biss gebildet hatte. "Junge, du heilst wirklich schnell!" Kris hatte gegrinst und ihre Hand mit einem Hab-ich-dir-doch-gesagt-Gesicht weg gezogen.
Am zweiten Tag hatte Kris sie auf eine fünf Meilen Wanderung in den Dschungel hineingeführt. Während des Marsches hatte sie auf verschiedene Pflanzen hingewiesen und ihnen die Vögel gezeigt, die weit oben durch das Laub flogen.
Sie fing Insekten und zeigte ihnen sogar einen kleinen Elefantenkäfer, der seinen Namen von seinem langen Rüssel hatte, der sich hin und her bewegte. Sie hielten an einem großen Ameisenhügel an und beobachteten die Straße der Arbeiter, die Blätter wie Segel vor sich her in Richtung des riesigen Nestes trugen. Kris erklärte, dass sie diese Blätter zerkleinerten, um einen Nährboden herzustellen, auf dem ein Pilz wachsen würde, von dem sie sich ernährten und dass dies die einzige Nahrungsquelle für diese Ameisen sei. Müde und vollgestopft mit Wissen war die kleine Gesellschaft frühzeitig zurück gekehrt. Kris hatte nach Morgans Bein gesehen und war erfreut, dass die Baumwolle jegliches Scheuern zu verhindern schien, zumindest auf diesem einfachen Gang. "Habe ich die Musterung überstanden?" hatte Morgan ein wenig beleidigt gefragt.
"Ja," hatte Kris unverblümt geantwortet.
"Hättest du es abgelehnt, mich mit zu nehmen, wenn die Schiene gerieben hätte?" fragte Morgan.
"Ja," erwiderte Kris und sah in Morgans Augen. "Warum hast du Alpträume?" fragte Kris.
Morgans Gesicht verschloss sich. Sie stand ohne ein Wort auf und verschwand hinter dem Paravent. Eine Sekunde später hörte Kris, wie die Dusche angestellt wurde. Ich schätze, ich werde die Antwort nicht so bald heraus finden, seufzte sie.
Am letzten Tag der Tour der Harrises durch den Amazonas, führte sie Kris im Kanu flussabwärts. Sie zeigte ihnen die Schmetterlingsnester im warmen Sand und wo die Kormorane ihre Flügel nach dem Tauchen zum Trocknen aufspannen. Sehr zur Freude ihrer kleinen Gruppe brachte sie sie zu einem Wasserfall, der über mehrere Terrassen in die Tiefe schoss. Hier verbrachten sie die meiste Zeit des Nachmittages und rutschten die glatten Steine in das Becken am Ende des Wasserfalles hinunter.
Zuerst hatte Morgan am Rande des unteren Beckens gesessen, damit beschäftigt, den anderen zuzusehen. Hin und wieder war sie selber ins Wasser gestiegen, um sich abzukühlen. Ihre Schiene lag sicher am Ufer. Plötzlich war die große Gestalt der Kriegerin an ihrer Seite. "Willst du auch mal rutschen?" hatte sie gefragt. Morgan hatte ihr erklärt, dass sie ohne ihre Schiene nicht die Felsen hinaufklettern könnte und Kris hatte spielerisch in ihr Ohr geflüstert, "Ich weiß." Dann hatte sie eine überraschte Morgan hochgehoben, als wäre sie eine Puppe und war fröhlich den Weg hinauf gerannt, wo die Harrises warteten. Diese stürzten sich lachend den Wasserfall hinunter und waren bald mit vielen Spritzern verschwunden. Dann hatte Kris sich ins Wasser gesetzt auf den Platz zwischen ihren Beinen gewiesen. "Setz dich hierher, ich halte dich mit meinen Armen fest." Hatte Kris einer sehr nervösen Morgan erklärt, die sich schließlich zu Boden gleiten ließ und in den Schutz des starken Körpers der großen Frau schlüpfte. Nach einem kräftigen Stoß rutschten sie den Wasserfall hinunter, bis sie über die letzte Kante glitten und mit einem lauten Klatschen in das Becken tauchten. Der Tag war wirklich gut gelaufen, dachte Kris. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal... nun, ja... nur gespielt hatte. Es hatte sich gut angefühlt. Und es war eine überraschende Erkenntnis für Kris, dass sie Freude am Spielen hatte.
**********
An diesem Abend, nachdem Kris Gute-Nacht gesagt hatte, entdeckte sie, dass Joe ihr nach draußen gefolgt war. "Eh, hören Sie, Kris," sagte er und griff nach ihrer Hand, "Hier ist ein wenig von Betty und mir für diese großartige Tour. Sie haben sich wirklich selbst übertroffen und wir wissen das wirklich zu schätzen," lächelte Joe und tätschelte tatsächlich der konsternierten Kriegerin die Wange. Das Blut pulsierte durch Kris' Körper und ihre Hand krampfte sich um das Geld zur Faust.
Dann war plötzlich Morgan da und klopfte ihr gegen die Brust, "Hey, Kris, bevor du verschwindest, könntest du mir zu Hand gehen?" fragte sie und lächelte zwischen Joe und Kris hin und her.
Kris lächelte schwach zurück, "Sicher Morgan," presste sie hervor und hob ihre Hand um Joe das Geld in den Rachen zu stopfen. Zu ihrer Überraschung schloss sich Morgans Hand um ihre zitternde Faust.
"Das ist großartig! Komm mit!" blubberte Morgan fröhlich und zog Kris in die Dunkelheit. "Ich verabschiede mich morgen früh von Ihnen, Joe," rief sie über Kris' Schulter hinweg, während sie die große Frau mit sich zog.
"Sicher, Liebes," rief Joe, der Tatsache nicht gewärtig, wie nahe er davor gewesen war, von einer beleidigten Kriegerin niedergeschlagen zu werden.
Als sie in sicherer Entfernung vom Speisesaal und außer Sicht waren, fuhr Morgan herum und nahm Kris vorsichtig bei den Unterarmen. "Kris, was soll das? Ich habe es bis in den Speisesaal gespürt. Diesen schrecklichen Zorn... Was ist denn passiert?" fragte sie besorgt.
Kris zitterte noch immer vor Wut. Mit zusammengebissenen Zähnen fauchte sie, "Er hat mir ein Trinkgeld gegeben," sie öffnete ihre Hand und ließ die Scheine auf den Boden flattern. Morgan versteckte ihr Lachen, das in kleinen Glucksern kam, hinter der Hand.
"Das... ist... nicht... lustig!" erregte sich Kris mit einem rauen Flüstern.
"Kris, es ist OK. Er wollte dich nicht verletzen. Er hat nur nicht erkannt, dass du nicht bist, was du zu sein scheinst," erklärte Morgan freundlich und schüttelte sie. "Sieh mal, nimm das Geld," Sie bückte sich und hob es auf und drückte es Kris in die Hand. "Und sag Fernando, dass Joes es dir gegeben hat, damit er es unter den anderen aufteilen kann."
Kris zögerte einen langen Moment und nahm dann langsam das Geld. "Bist du jetzt OK?" fragte Morgan. Kris nickte schmollend. "Komm jetzt, ich brauche dich wirklich, damit du mir zeigst, wie man richtig packt," sagte Morgan, nahm Kris wieder beim Arm und zog ihre Führerin, einseitig die Konversation aufrecht erhaltend, mit sich zu ihrem Bungalow.
Mit einsilbigen, schroffen Worten instruierte Kris Morgan, wie sie ihre Sachen für solch eine Expedition am besten zu verstauen hatte. Und während Morgan packte, wieder auspackte und erneut packte, um alles an den rechten Platz zu kriegen, saß Kris auf ihrem Bett und nahm erst eine Handfeuerwaffe und dann ein Gewehr auseinander und reinigte sie. Morgan erkannte wohl, dass Kris kaum ihre Wut zügeln konnte. Sie versuchte, ihre Zunge im Zaum zu halten, aber sie konnte einfach nicht. "Kris, wir nehmen die aber nicht mit uns, nicht wahr?" fragte sie und versuchte, nicht missbilligend zu klingen.
Ein scharfer Blick aus blauen Augen. Hier brannte ein inneres Feuer, dass Morgan veranlasste, überrascht einen Schritt zurück zu treten. Lange, starke Finger strichen hungrig über die dunkle, metallene Oberfläche. "Doch, das tun wir," kam die bestimmte Erwiderung.
Morgan sank auf ihr Bett und versuchte, ihren Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen, bevor sie fortfuhr. Sie schluckte und ihre Augen glitten unwillkürlich zurück zu Kris, die beinahe zärtlich das Gewehr berührte.
"Ich... ich... mag keine Waffen," sagte sie.
"Ich ja," lautete die Antwort.
"Sind sie denn notwendig? Ich meine, du hast die letzten drei Tage auch keine Waffen getragen," argumentierte Morgan und strich sich mit einer zitternden Hand eine Strähne hinter das Ohr.
Kris schnaubte und stand auf, ihr Körper glühte vor Gewaltbereitschaft. "Wir gehen hier nicht auf eine Besichtigungstour für Touristen, Kindchen. Wir begeben uns in wirklich gefährliche Regionen. Und wir werden für eine sehr lange Zeit auf uns gestellt sein. Wenn du Angst vor Waffen hast, dann solltest du vielleicht keine Feldforschung betreiben," schnarrte sie.
Morgan stand ihr innerhalb einer Sekunde gegenüber, doch zu ihrer Überraschung wurde ihre Vorwärtsbewegung abgefangen und sie fand sich auf dem Rücken liegend auf Kris' Bett wieder. Kris rammte ihr das Knie in die Brust und hielt sie nieder, "Tu... das... nie... wieder!" brüllte die Kriegerin und stützte sich auf die kleine Blonde. Morgans Welt versank und sie fand sich in einer dunklen Nacht vor sieben Jahren wieder. Die Erde war nass von Schnee und Blut. Ihrem Blut und dem von Rick. Das Gewicht seines toten Körpers drückte sie auf den kalten Boden. "Morgan! Morgan!" hörte sie jemanden rufen, aber sie konnte nicht entkommen. Ihr Körper war zu sehr gebrochen und Rick lag direkt über ihr.
Einige Zeit später bemerkte Morgan warme, starke Arme, die sie hielten. Eine wundervolle, tiefe Stimme sang in leisem Spanisch in ihr Ohr. Mit Mühe versuchte sie, ihre Augen zu öffnen.
"Hey, bist du OK?" fragte Kris leise und schaute mit besorgtem Blick in Morgans Gesicht.
Morgan nickte und wischte sich mit zitternder Hand über ihr feuchtes Gesicht. "Ich glaube, du hattest eine Panikattacke oder so etwas. Bist du wirklich OK. Ich wollte dir nicht solche schreckliche Angst einjagen. Ich habe nur reagiert. Ich wollte dir nicht weh tun," versuchte Kris zu erklären und klopfte verlegen auf Morgans Schulter.
Morgan nickte und dann realisierte sie, dass sie in den Armen ihrer Führerin lag, die die kleinere Frau vorsichtig festhielt. Sie rutschte beiseite und setzte sich auf die Ecke des Bettes. "Ich bin OK, Kris. Es warst nicht wirklich du. Nicht, dass du einem nicht ziemliche Angst einjagen könntest, wenn du wütend bist!" fügte sie mit einem nervösen Kichern hinzu. "Es war nur, wie ein Flashback... für einen Moment... ich..." Morgan suchte nach einem Halt.
"Es war nicht nur ein Autounfall, nicht wahr?" fragte Kris unverblümt und legte eine Hand auf Morgans Arm. Abwesend griff Morgan danach und spielte mit Kris' langen Fingern, sehr zum Erstaunen der dunkelhaarigen Frau. "Nein, ich kannte diesen Spanier aus dem Medizinstudium. Wir waren einfach gute Freunde, weißt du," erklärte Morgan und sah Kris um Verständnis heischend an. Kris nickte. "Er war in einer Straßengang gewesen, aber er hatte sich gefangen und war wieder zur Schule gegangen. Jedenfalls, um es kurz zu machen, eine andere Gang hat ihn mit mir spazieren gehen sehen. Sie haben im Vorbeifahren auf ihn geschossen, dann haben sie gewendet und uns ... überfahren... ein paar mal. Es hatte geschneit und Rick lag direkt auf mir. Deswegen habe ich überlebt," endete sie und senkte den Blick. Sie erkannte, dass sie die ganze Zeit Kris' Hand gestreichelt hatte. Sie ließ sie fallen. "Ich werde besser fertig mit dem Packen," murmelte sie. Kris nickte, stand auf und ging.
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Kris stand gedankenverloren im frühen Morgengrauen. Eine Gruppe heulender Affen war in der Nähe und ihre Schreie hallten durch den Nebel der Berge wie ein stürmischer Wind durch einen Canyon. Sie hatte schlechte Laune. Sie war noch immer wütend über das Trinkgeld und verärgert über das, was letzte Nacht zwischen ihr und Morgan vorgefallen war. Es würde mit Sicherheit ihre Arbeitsbeziehung beeinflussen. Jetzt würde Morgan Angst vor ihr haben. Sie hat einen guten Vorgeschmack davon bekommen, wie gefährlich ich sein kann, dachte sie. Vielleicht war es das Beste so. Und dann war da noch der ganze andere Mist, mit dem Kris' pragmatischer Verstand klarkommen musste, zum Beispiel, dass Morgan ihren Ärger mit Joe gespürt hatte; und ihre eigene Wut darüber, dass sie versucht hatte Morgan zu töten, als ob es irgend etwas mit ihr zu tun hatte! Und dann gab es ja noch diese Nervosität und den ganzen Tumult, dass sie Morgan ebenfalls verärgern könnte. Sie schüttelte den Kopf, um die ganze Verwirrung loszuwerden und rannte los.
Morgan winkte dem Flugzeug zum Abschied hinterher, das die Harrises zu einer Tour durch die Anden brachte. Jetzt waren nur noch Kris und sie hier. Zumindest hoffte sie, dass das der Fall war. Sie hatte Kris seit letzter Nacht nicht mehr gesehen. Leise seufzend wandte sie sich um und prallte direkt gegen die Brust der besagten Kriegerin. In ihrem schwarzen T-Shirt und den kurzen Sporthosen, eng an dem muskulösen Körper anliegend und vom Laufen verschwitzt, sah sie aus, wie ein sprungbereiter und tödlicher, schwarzer Panther. Morgan quietschte überrascht auf und Kris trat augenblicklich einen Schritt zurück, ihre blauen Augen dunkel und wachsam. "Du hast mich halb zu Tode erschreckt!" schnappte Morgan, eine Hand auf der Brust.
Kris' Gesicht war steinstill. "Wie spät ist es?" fragte sie kühl.
Morgan schaute schockiert auf und fragte sich, ob sie die Konfrontation vermeiden sollte. Nein. Sag ihr die Wahrheit. "Du hast mir Angst gemacht, als du sagtest, du hättest Feinde. Jemand, der dich so hasst, dass er dich erschießen könnte. Es macht mir Angst, dass ich dir mein Leben anvertrauen muss, aber niemals vergessen darf, dass du gefährlich bist. Es macht mir Angst, wenn du mich zu Boden wirfst und mich fest hältst, als wäre ich nicht mehr als eine Puppe. Und es macht mir auch Angst, dass du diese Gewehre mitnehmen willst." Blaue Augen verengten sich zu Schlitzen und strahlten in eisigem Feuer. "Aber weißt du, was mir wirklich Angst einjagt, Kris?" Die blauen Augen sanken mit wachem Interesse in ihre. "Was mir wirklich Angst einjagt, ist die Tatsache, dass ich es vermasseln könnte und du mich nicht mehr führen willst." Blaue Augen weiteten sich verwirrt. Für eine Sekunde erwärmten sie sich beinahe, während das Schweigen zwischen ihnen hing.
"Ich bin die einzige Führerin, die die Gegend kennt, also bin ich dazu gezwungen. Wir brechen in zwanzig Minuten auf," lautete schließlich die Antwort der großen Frau. Sie drehte sich um und ging, sich umzuziehen und ihr Gepäck zu holen.
Morgan brachte ein schwaches Lächeln zustande, "Das... war verdammt knapp."


Teil 2
Kris belud sorgfältig das Kanu, bedeckte die Fracht mit einer Plastikplane und band sie fest. Zufrieden half sie schweigend Morgan in das Boot, wo sie das Gepäck so arrangiert hatte, dass sie sich mit dem Rücken dagegen lehnen konnte. Mit einem kräftigen Stoß schob sie das schwere Boot vom Ufer weg und sprang über den Rand. Mit ausgebreiteten Armen, um die Balance zu halten, ging sie zum Heck und griff rasch nach dem zweiten Paddel. Starke, erfahrene Schläge drehten das wackelige Boot herum und sie waren auf ihrem Weg zum Alto Venturi Fluss, der sie schließlich zu den Wassern des Orinoco führen würde. Morgan nahm ihr Paddel und versuchte ihr Bestes, sich den langen und gleichmäßigen Schlägen ihrer schweigsamen Gefährtin anzupassen.
In kurzer Zeit war Morgan nass von Schweiß und völlig überhitzt. Die Luft stand und die Brise, die die letzten Tage angenehm gemacht hatte, war verschwunden. Sie trieben immer weiter vorwärts. Morgan ertrug es mit grimmiger Entschlossenheit.
Es war lange Nachmittag, als die stille Kriegerin endlich Halt machte und ihr Gefährt in eine grüne Lagune steuerte. Als Morgan mit steifen Beinen ausstieg, durchbrach etwas sehr Großes das stille Wasser und verschwand gleich darauf wieder, nur eine leicht gekräuselte Oberfläche zurücklassend und Morgan dachte zunächst, sie hätte gar nichts gesehen. "Ahh, Kris, ich glaube, da ist etwas im Wasser," flüsterte sie nervös und brach das Schweigen, dass schon fast den ganzen Tag zwischen ihnen herrschte.
"Süßwasserdelphine. Es gibt ein Rudel von sechs Tieren, die hier fischen," erklärte ihre Führerin, die damit beschäftigt war, ein Bündel unter der Plane hervor zu suchen. Gerade in diesem Moment durchbrachen zwei Delphine die Oberfläche Seite an Seite und tauchten wieder unter Wasser.
"Wow!" stieß Morgan hervor, ihre Augen vor Erstaunen weit aufgerissen, suchte sie das Wasser ab, um einen weiteren Blick zu erhaschen.
Kris lächelte leise über die Freude ihrer Reisegefährtin. Sie war sich nicht sicher, warum sie wollte, dass Morgan dieses Schauspiel sah, es war ja keine Besichtigungstour oder so etwas. Sie war angeheuert worden, um die Kundin in das Gebiet zu bringen, in das sie wollte und das war alles. Sehr zu ihrem eigenen Erstaunen, hatten ihr die drei Tage mit ihr und den Harrisses gut gefallen. Sie mochte besonders Morgans unschuldiges Vergnügen am Regenwald. Zur Hölle, sie mochte Morgan! Es war dumm und diese Anziehung machte sie wütend auf sich selbst, aber sie erfüllte sie auch mit einem gewissen Glücksgefühl, dass sie schon... eine lange, lange Zeit nicht mehr... verspürt hatte. "Ich dachte wir setzen vielleicht ein frühes Camp an und schwimmen ein wenig mit ihnen," sagte Kris ein wenig unsicher. Völlig überraschend kam Morgan herüber und schenkte ihr eine rasche Umarmung. "Hey! Was machst du da?!" grummelte die größere Frau plötzlich sehr verlegen, als könnte Morgan ihre Gedanken lesen.
"Ich drücke der großen, dunklen Kriegerin meinen Dank aus, die wie eine Verrückte den ganzen Tag gepaddelt ist, damit wir hier Zeit verbringen können," lächelte Morgan und wandte sich um, um in ihrem Gepäck nach ihrem Badeanzug zu suchen.
"Es hat einfach gut geklappt," murmelte ihre verlegene Führerin, während sie die Sachen auslud. Morgan beobachtete die große Frau bei ihrer Arbeit aus den Augenwinkeln. Kris war unglaublich gutaussehend. Nicht nett oder hübsch, ihr Gesicht war zu kantig, aber im klassischen Sinne schön, stark und edel wie eine griechische Statue. Es war faszinierend anzusehen und gleichzeitig beängstigend, wie ganz nahe an einem wunderschönen, jedoch gefährlich tödlichem Tier. Morgan fuhr mit der Zunge über ihre ausgetrockneten Lippen. Mist! Reiß dich zusammen, Morgan! Und die kleine Ärztin setzte sich auf eine Ecke des Bootes und nahm ihre Schiene ab.
Die Delphine waren klein. Vielleicht zwei Meter lang und von hellgrauer Farbe. Sie hatten lange, schmale Nasen und eckige, kleine Köpfe. Als die zwei Frauen schwammen, tauchten die verspielten Gesellen auf und stießen sie an. Nachdem sie sich, nach einem langen Tag mühseligen Paddelns in der Hitze, abgekühlt hatten, wandten sich die beiden dem Ufer zu, Kris hob automatisch Morgan hoch, als sie flacheres Wasser erreichten und stellte sie in der Nähe ihrer Schiene wieder auf den Boden. Dann warf sie ein Handtuch in Morgans Richtung. "Danke. Das war einfach großartig. Weißt du, eigentlich sollte ich hier ja arbeiten, aber bisher scheint der Amazonas nur ein riesiger Spielplatz zu sein. Ich fühle mich ein wenig schuldig," bekannte Morgan.
Kris hielt im Abtrocknen inne und schaute Morgan sehr ernst an. Sie konnte noch immer die Wärme des Körpers der kleinen Ärztin an ihrer Brust spüren. Ich muss dem ein Ende setzen, dachte Kris und gab sich selber einen inneren Ruck. "So wird es nicht bleiben. Der Alto Ventuari ist ein schwarzer Fluss. Er hat einen hohen Anteil an Tannin. Der Säuregehalt des Wassers gibt ihm sein klares, teefarbenes Aussehen. Er verhindert auch das Brüten der Moskitos. Wenn wir näher an den Orinoco kommen, dann wird sich die Sache ändern. Wir werden tief in das Amazonasbecken gelangen und dann wird es wirklich heiß und es wird viele Insekten geben.
Der Orinoco ist ein weißer Fluss. Sein hoher Schwebstoffanteil neutralisiert das Wasser und es sieht dann aus wie Tee mit Milch. Du kannst ja sehen, was hier drin ist. Und glaube mir, es gibt einige ganz gefährliche Dinge in diesem Wasser auf die es zu achten gilt. In weißem Wasser brüten die Moskitos und es gibt mehr wilde Tiere. Gehe niemals zu nahe ans Ufer ohne mich. Das Amazonasbecken ist voller Leben und bald hast du es vor Augen. Sowohl Flora, als auch Fauna, wir werden auch auf ein paar ziemlich misstrauische Indianergruppen stoßen. Also genieße diese Tage. Es wird noch ziemlich hart und zwar recht bald."
Morgan nickte ein wenig zurückgestoßen von Kris' plötzlicher Schärfe.
Sie hatten ihre Badeanzüge ausgezogen und ausgebreitet, damit sie etwas trockner würden, aber Kris hatte ihr auch erklärt, dass auf Grund der hohen Luftfeuchtigkeit nichts wirklich richtig trocknen könne, das einmal nass geworden war. Und die Kriegerin zeigte Morgan, wie man ein Camp aufschlug. Weit weg vom Wasser, für den Fall, dass Regen in den Bergen den Fluss ansteigen ließ. Hängematten mit dichten Moskitonetzen wurden zwischen zwei Bäumen aufgehängt, um die am Boden lebenden Insekten fernzuhalten und die Möglichkeit, sich dadurch Malaria einzufangen, zu verringern. Und das Laub der Bäume wurde etwas zurück geschnitten, damit die Schlangen keine Chance hatten. Morgan folgte der Lektion aufmerksam und ernst, bemüht, Kris zu zeigen, dass sie nicht leichtsinnig war. Die implizierte Kritik in Kris' früheren Hinweisen hing ihr noch immer an. Irgendwie war ihr die Meinung dieser Frau wichtig. Kris machte Feuer und sie teilten sich ein heißes Essen aus Reis und Tomaten, das Morgan zubereitet hatte. Augenscheinlich war Kochen das Einzige, was ihre kompetente Führerin nicht konnte!
Nach dem Essen reinigte und ölte Kris ihre Waffen, was Morgan ignorierte und statt dessen ihr Feldtagebuch begann. OK, dachte Kris, ich war ein wenig streng zu ihr und sie mag keine Waffen. Kris stöhnte innerlich auf, ihr behagte dieses unangenehme Schweigen gar nicht. Sie legte die Waffen beiseite und stand auf, um etwas im Gepäck zu suchen. Aus einem Impuls heraus hatte sie ein paar Süßigkeiten aus der Küche mitgehen lassen, bevor sie abgefahren waren. Es schien, als wäre jetzt die rechte Zeit dafür.
"Ahh, die waren bei den Lebensmitteln. Sie schmelzen ziemlich schnell. Ach, vielleicht können wir sie rösten oder so etwas," schlug sie verlegen vor.
Morgan schaute überrascht auf und lächelte schließlich ein wenig nervös, wegen des plötzlichen Stimmungsumschwunges der Kriegerin. "Das würde Spaß machen!... OK," stammelte sie. Kris nickte und verbarg ihr Erröten, indem sie in der Dunkelheit verschwand um ein paar Zweige zu schneiden.
Der Vollmond ging über ihren Köpfen auf und wie Kinder steckten sie ihre Marshmallows ans Ende der Stöcke. "Kris, kann ich dir eine etwas persönlichere Frage stellen?" fragte Morgan, als sie ruhig unter den sanften Strahlen des Mondlichts saßen.
Kris schwand der Mut. Die letzten vier Tage waren so schön gewesen. Sie hätte dieses Gefühl so gerne noch eine Weile länger behalten. Sie fühlte sich einfach entspannt mit Morgan zusammen. Es lag nicht nur daran, dass sie diese Frau attraktiv fand, es war viel komplexer als das. Die Frau schien etwas in ihre Interaktionen zu bringen, das Kris bisher vermisst hatte. Hölle! Sie hatte im Wasserfall mit den Harisses gespielt wie ein Kind, nur um Morgan zu beeindrucken.
"Du kannst fragen. Ich weiß nicht, ob ich antworten kann," erwiderte die dunkelhaarige Frau seufzend und schaute traurig ins Feuer.
"Warum hast du Feinde, die dich töten wollen?"
Blaue Augen schossen hoch, Zorn und dann Sorge wechselten sich in ihrem Blick in schneller Folge ab. "Ich bin hier, um dich zu führen und nicht, um dich zu unterhalten," kam die kurzangebundene Erwiderung. Morgan sah aus, als wäre sie geschlagen worden, dann nickte sie schnell und starrte ins Feuer, Verwirrung und Schmerz füllten ihre Augen.
Die große Frau erhob sich, um den Lichtkreis des Feuers zu verlassen, dann seufzte sie, drehte sich um und setzte sich wieder hin. "Tut mir leid, warum fragst du nicht etwas anderes," murmelte die mysteriöse Frau in der sichtbaren Anstrengung, sich ein wenig sozialer zu verhalten.
Morgan zögerte. Auf der einen Seite wollte sie etwas über diese Frau erfahren, die sie so unglaublich faszinierend fand. Andererseits... "Dein Name klingt griechisch," forschte Morgan weiter und versuchte die stoische Frau zum Reden zu bewegen, nun, da sie einmal angefangen hatte. Kris zuckte zusammen. Oh ha, einen anderen nerv getroffen. Verdammt. "Ich... ich habe meinen Namen geändert. Den Geburtsnamen meiner Mutter wieder angenommen. Mein Großvater mütterlicherseits war Grieche. Eingewandert nach dem Krieg. Mein Vater ist Südamerikaner, e.. er weiß nicht, dass ich noch lebe..." Eine Zeit lang starrte Kris ins Feuer. "Hast du Familie?"
"Ja, Eltern. Mom ist Ärztin und Dad ist Mechaniker. Mein Vater hat auch griechische Vorfahren, aber ich glaube, das ist schon länger her."
Kris sah interessiert auf und es schien, als würde sie sich ein wenig entspannen, wie Morgan gehofft hatte. "Das ist eine seltsame Kombination. Wie haben sie sich kennen gelernt?"
"Mom hatte einen alten Wagen, um den sich Dad gekümmert hat, während sie im Praktikum war. Er hat immer gesagt, dass sie ihn heiraten musste, weil sie nie genügend Geld hatte, ihn zu bezahlen!"
Kris lächelte. Ein wirkliches Lächeln. Das erste, das Morgan bisher gesehen hatte. Ein weißes Aufblitzen der ebenmäßigen Zähne und ein Funkeln, das in ihren Augen tanzte und das sie wesentlich jünger aussehen ließ. Und jetzt zur Sache! dachte Morgan. "Ich habe noch einen jüngeren Bruder, Scott." Das Lächeln war fortgewischt und ließ nur noch zusammengekniffene Lippen zurück. Und was jetzt? "Hast du Brüder oder Schwestern?"
Kris stöhnte und schluckte und stand in einer einzigen fließenden Bewegung auf. Sie schaute hinunter in die grünen Augen, die ihren Blick mit soviel Mitgefühl erwiderten. "Ich hatte einen kleinen Bruder, Neil. Vor zwei Jahren habe ich ihm eine Überdosis Kokain gespritzt, er ist gestorben," bekannte die Kriegerin. In der schockierten Stille schaute Kris in die Sterne und versuchte, die Tränen fortzuzwinkern.
"Hast du deswegen deinen Namen geändert?" fragte Morgan.
Kris nickte und dann wandte sie sich ab und verschwand schweigend zwischen den Bäumen. Morgan blieb beim Feuer zurück und realisierte, dass Kris ein bemerkenswertes Zeichen von Vertrauen gesetzt hatte, auch wenn sie nur einen geringfügigen Teil ihres Schmerzes preisgegeben hatte, jetzt brauchte die Kriegerin wohl Zeit für sich alleine.
Das konnte sie verstehen. Hatte sie sich nicht auch deswegen um diese Feldstudie hier bemüht? Um allein zu sein. Fort von all diesen mitleidigen Blicken. Um ihren inneren Frieden wieder zu finden. Sie hoffte, dass sie damit erfolgreicher war, als Kris. Die Frau war ein Rätsel. Äußerlich so unglaublich stark und doch im Inneren ihrer Seele so fatal verletzt. Morgan wollte sie finden, sie halten, bis der Schmerz nachließ, doch sie wusste auch, dass die seltsame dunkle Frau noch keine Vergebung ihrer Schuld finden würde.
**********
Sie folgten dem Fluss weitere fünf Tage, es entwickelte sich eine gewisse Routine und die beiden funktionierten recht gut als Team. Am sechsten Tag regnete es. Nicht etwa nur ein kurzer Regenschauer, der für den Amazonas typisch war, sondern ein stetiger, kalter Regen, der den ganzen Tag über anhielt. Um die Sache noch schlimmer zu machen, wehte der Wind von den Bergen herab und kühlte ihre Körper bis auf die Knochen aus. "Wie kann es so nahe am Äquator nur so kalt sein," murmelte Morgan mit klappernden Zähnen.
"Es ist nicht wirklich kalt, du hast nur zu viel Körperwärme verloren," erwiderte ihre Führerin, der das miserable Wetter nicht das geringste auszumachen schien. Morgan nickte nur. Sie würde nicht jammern, das war sicher. Sie legte ihr Paddel nieder und griff nach der Plastiktasse, die sie als Schöpfer benutzten, um das Wasser aus dem Boot über den Rand zu schöpfen.
Plötzlich schrie Kris, "Paddeln!" Morgan ließ die Tasse fallen und schnappte sich ihr Paddel in dem Moment, als die erste Welle des steigenden Wassers sie traf. Innerhalb von Minuten wurden sie den Strom entlang in die reißenden Fluten gezogen. Kris kämpfte mit all ihrer nicht unbeträchtlichen Kraft, um das Boot in eine sicherere Zone zu steuern.
Schließlich entdeckte sie einen wohl oft benutzten Uferbereich und stieß das kleine Gefährt über die verwitterte Flussbank und scharfe Steine. Schnell griff sie Morgan und schob sie raus, dann schob sie das Kanu so weit wie möglich aus dem reißenden Wasser, wie sie konnte und band es sorgfältig an einem Ast in sicherer Entfernung fest. Kris Anweisungen folgend, bemühte sich Morgan, ihr beim Ausladen der Fracht zu helfen. Sie hatten gerade ihre Rucksäcke in Sicherheit gebracht, als ein Wasserschwall das Kanu traf und es gegen die Steine schleuderte. Unter Morgans Füßen war nur noch Wasser und sie suchte verzweifelt Halt an einem überhängenden Ast. Ihr Körper war bis zur Hüfte im schlammigen Wasser und die Strömung war unglaublich. Sie konnte spüren, wie ihre Hände den Halt verloren.
Dann war Kris zur Stelle und zog sie auf die sichere Sandbank zurück. "Danke," stöhnte Morgan zitternd vor Furcht und Kälte.
Die Kriegerin nickte, "Komm, es gibt hier eine Indianerfamilie," erklärte sie und half Morgan durch das am Ufer dichte Unterholz, bis sie auf einen Pfad stießen, der vom Wasser zum Land der Indianer führte. Es gab nicht viel zu sehen, nur ein geflochtener Zaun, eine mit Lehm beworfene runde Hütte mit einem Grasdach und eine offene Küche unter einem schlichten Dach. Die Familie begrüßte Kris warmherzig und sie sprach mit ihnen in ihrer Sprache. Kris führte Morgan in die Hütte. Sie zog sie aus und wickelte sie in eine Decke, dann wechselte sie ihre eigenen Kleider gegen trockene. Die faszinierte Indianerfamilie hockte zusammengedrängt am Eingang und beobachtete sie aus sicherer Entfernung. Morgan war alles egal. Sie war jenseits des Denkens. Alles was sie jetzt noch wollte, war, sich zusammenzurollen und zu schlafen, aber ihre Zähne klapperten zu arg, als dass sie es hätte können. Kris setzte sich hinter sie, zog sie gegen ihre Brust und schlang ihre kräftigen, langen Arme um sie. Sie redete leise mit den Indianern und der erwachsene Mann und die Kinder verschwanden. "Kris," murmelte Morgan, "Wie kannst du nur so warm und trocken sein?" fragte sie, aber sie war eingeschlafen, bevor sie die Antwort hören konnte.
*********
Morgan erwachte durch den Klang von Stimmen und dem Geruch nach warmer Erde. Sie zwang ihre verschlafenen Augen, sich zu öffnen und fand sich allein in einer runden Lehmhütte auf dem Erdboden. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie, dass sie vollkommen nackt war bis auf die kratzige, graue Decke, die um sie herum gestopft war. Sie setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen, als die Erinnerungen an gestern langsam ihren Weg zurück in ihr Bewusstsein fanden. Wo war Kris? Fragte sie sich. Ihr Rucksack lehnte an einer Wand und sie zog rasch ein paar Kleidungsstücke hervor. Sie wünschte allerdings, dass sie vorher eine Dusche hätte haben können. Ihr Haar war schmutzig und zerzaust und auf ihrem Körper lag eine dünne Schichte getrockneten Flussschlammes. Ab jetzt wird es wohl härter, dachte sie und rief sich Kris' Worte wieder ins Gedächtnis, während sie die Schultern streckte und lauthals gähnte.
Kris saß auf ihren Fersen und sprach mit den beiden Männern, die mit ihr am Feuer unter dem Dach saßen. Sie besprachen die Details einer Tagesjagd und gaben, wie es Männer tun, mit deren Ergebnissen an oder lachten über ihr eigenes Pech. Kris fand ihr Gespräch erholsam. Diese Männer waren Jäger, wie sie selber auch. Gelegentlich rührte einer der beiden im Topf in einer dicker werdenden Substand, der auf dem Feuer über den Kohlen stand.
Sie stellten Gift her, das sie für die Pfeile der Blasrohre brauchten. Kris passte in ihrer Art perfekt zu diesen Männern. Wurde eine von ihnen, auch wenn die Kriegerin die Männer des Regenwaldes um einiges überragte.
Ihre Gedanken, die bis dahin mit Morgan beschäftigt gewesen waren, richteten sich nun auf ihre Pläne für die heutige Jagd. Sie war erfreut, dass ihr die Führung übertragen worden war und sie das Recht auf das erste Blut hatte, aber ihr Gesicht verriet nichts davon. Sie nickte akzeptierend, ohne Ehre oder Stolz, so wie es von ihr erwartet wurde. Sie übernahm die Führung nicht als Kommandierende, das hätte das Ehrgefühl der Indianer verletzt, sondern durch Beispiel, tauchte die Spitzen ihrer geliehenen Pfeile in die Mischung und blies vorsichtig darauf um die Droge daran zu trocknen.
Sie war sich bewusst, dass Morgan am Eingang der Hütte stand und sie beobachtete und sie war froh, zu sehen, dass die kleine Ärztin sie das Gesicht wahren ließ, indem sie sich nicht zu ihr und den Männern setzte. Morgan schien immer zu verstehen. Sie war sicher eine gute Ärztin. Sie hatte ein Händchen für Menschen. Sorgfältig ihre Pfeile zusammenlegend, steckte sie sie in einen hölzernen Köcher, der über ihre Schulter hing. Dann hob sie das lange Blasrohr auf und stand auf. Mit etwa zwei Metern Länge war die harte Holzröhre gerade und perfekt ausbalanciert. Sie lag bequem und vertraut in der Hand der Kriegerin. Sie duckte sich unter der herabhängenden Ecke des Vordaches hindurch und ging über den Hof auf Morgan zu.
"Guten Morgen, Schlafmützchen," grummelte Kris und schaute auf Morgan hinunter.
Morgan lächelte vergnügt und bedeckte ihre Augen mit der Hand gegen die Morgensonne. "Selber hallo!" Mein Gott! Diese Frau strahlt eine Kraft und Kontrolle aus, dachte sie bei sich, und betrachtete den muskulösen Körper, der gegen einen langen Stab lehnte.
Kris schaute für eine Sekunde zu Boden und stocherte mit der Schuhspitze im Schlamm herum. Verdammt, diese Frau war unglaublich schön, sogar so schlammverkrustet wie jetzt! In ihrem Haar tanzten rotgoldene Funken vom Sonnenlicht und in ihren Augen funkelte das Leben. Kris' wachsame und zugleich verschleierte Augen trafen Morgans, "Ah... ich werde heute bei der Jagd helfen. Sie brauchen Nahrung und wir haben eine Menge unserer Vorräte verloren, wir können es wirklich gebrauchen," erklärte Kris und setzte dann nach, als wäre es ihr gerade erst eingefallen, "Bist du OK?"
Morgans Gesicht zersplitterte in ein glückliches Lächeln, sie hob den Kopf und schaute Kris mit funkelnden Augen an, "Ja, es geht mir gut... Du bist vorsichtig, OK?" setzte sie ernst hinzu.
Kris hob grinsend eine Augenbraue, "Fürchtest du, mitten am Amazonas alleine gelassen zu werden?"
"Nein, ich sorge mich nur um dich," antwortete Morgan voller freundlicher Aufrichtigkeit. Zu ihrer Überraschung verursachte diese sachliche Bemerkung ein tiefes Erröten in Kris Gesicht und die mächtige Kriegerin schien für einen Augenblick ausgesprochen verletzbar zu sein, dann sank die Maske wieder und Kris drehte sich abrupt um und ging zurück zu der Gruppe Männer, die bereits auf sie warteten.
Sie übergab einem von ihnen ihr Blasrohr und beugte sich unter das Dach. Dort hob sie einen Flaschenkürbis hoch und brachte ihn zu Morgan. "Hier, trink das," wies sie sie an und hielt ihr die Flasche hin.
Morgan roch daran und verzog das Gesicht, "Was ist das?" fragte sie.
Die größere Frau zuckte mit den Schultern, "Eine Wurzel aus dem Wald, heilt Mageninfektionen, du hast gestern wahrscheinlich eine Menge Flusswasser geschluckt. Ich dachte, wir gehen am besten sicher."
Morgan nahm die Flasche und trank die bittere Substanz ohne weitere Fragen. Wie viel wusste Kris eigentlich über Dschungelmedizin? Und kannte sie Ellburns Pflanze? Fragte sich Morgan, während sie Mühe hatte, die Flüssigkeit herunterzuschlucken, ohne dabei das Gesicht zu verziehen.
Kris lächelte und berührte für den Bruchteil einer Sekunde Morgans Arm, dann drehte sie sich um und rief den wartenden Männern etwas zu. Einer von ihnen warf ihr das Blasrohr zu, das sie mit Leichtigkeit aus der Luft fing und dann marschierten sie den schmalen Pfad durch das Unterholz in den Wald davon.
Morgan verbrachte den Tag damit, sich und ihre Sachen zu waschen und zu lüften. Der Inhalt einer schlammdurchtränkten Tasche, das einzige, was sie vor dem Fluss hatten retten können, war teilweise noch verwendbar, aber sie hatten eine Menge der dehydrierten Nahrungsmittel verloren. Glücklicherweise waren Morgans Feldtasche und ihre medizinischen Vorräte verschont geblieben, ebenso wie ihre persönlichen Rucksäcke.
Als Morgan zum Waschen aufbrach, führten die beiden Frauen und die Kinder sie unter lautem Gelächter zu einem klaren Seitenarm des Flusses. Alle mussten sie ständig Morgans langes, erdbeerblondes Haar berühren und befühlen und sie ließ sie voller Freundlichkeit gewähren, während sie unter den Blicken der Indianerfrauen ihre Wäsche wusch. Morgan genoss den stillen Tag um sich zu sammeln und sich von den Missgeschicken des Vortages zu erholen. Jedoch als die Zeit verging, wuchs ihre Sorge mehr und mehr und sie war erleichtert, als Kris kurz vor Sonnenuntergang mit zwei der Männer zurückkehrte. Zwischen ihnen hing der Körper eines großen Affen.
Kris ließ ihre Bürde von der Schulter fallen und kam zu Morgan. "Alles in Ordnung?" fragte sie und ihre Augen untersuchten Morgan nach irgend einer Veränderung.
Morgan nahm Kris den langen Stab ab, den diese immer noch fest in der Hand hielt und lehnte ihn gegen die Hütte. "Es geht mir gut. Was ist das eigentlich?" fragte Morgan und schaute erst die größere Frau an, dann auf den Holzstab.
"Ein Blasrohr," erklärte die Führerin in der ihr üblichen, kurzangebundenen Weise.
"Wirklich!" begeisterte sich Morgan und wandte sich voller Interesse der Waffe zu. Sie schaute die Ältere an, "Noch eine deiner vielen Fähigkeiten?" scherzte sie und wurde mit einem schiefen Lächeln bedacht.
"Zeig es mir," bat Morgan aufgeregt.
Die Kriegerin griff in den Köcher nach einem Pfeil und hielt ihn der Ärztin zum Betrachten hin. In ihrer Hand lag eine etwa 15 cm lange, schwarze Nadel. Am Ende waren ein paar Federn für die Balance angebracht. "Es ist eine Art Dorn von einem Baum," erläuterte Kris, "Die Spitze ist mit einem Gift getränkt, dass aus der Haut eines ganz bestimmten Frosches gewonnen wird. Es tötet das Tier nicht, wie die meisten Menschen glauben. Es lähmt es und dann kann man es töten."
Morgan nickte verstehend, sie erkannte, dass Kris ihr Interesse teilen wollte, auch wenn Morgan insgeheim um die Tiere besorgt war.
Kris griff hinter Morgan nach dem Blasrohr und ihre Körper kamen sich dadurch sehr nahe. Morgan konnte den würzigen, schweißigen Geruch der Kriegerin wahrnehmen und fühlte die trockene Hitze, die dieser Körper beinahe immer auszustrahlen schien. "Die Röhren sind so lang, um den Pfeil in der Bahn zu halten. Je länger die Röhre ist, um so genauer ist der Schuss." Kris steckte einen Pfeil in das Ende und hielt das Blasrohr dicht vor ihr Gesicht. Sie holte tief Luft und stieß sie mit einem plötzlichen, kräftigen Atemzug in die Röhre aus. Eine Explosion von Luft fuhr aus dem anderen Ende und der tödliche Pfeil schoss in einen Baumstumpf in einiger Entfernung. Morgan schaute Kris voller Erstaunen an und umarmte sie plötzlich heftig und schnell. Diesmal versteifte sich Kris nicht bei diesem Kontakt, sondern lächelte verschmitzt die kleine Ärztin an.
"Du bist mir eine, weißt du das, Kristinia Thanasis?!" lachte Morgan und schaute Kris von unten her, ungläubig mit dem Kopf schüttelnd, an.
Kris schnaubte freundlich und lehnte das Blasrohr wieder an die Hüttenwand, "Komm jetzt, zeig mir, wo ich mich waschen kann und dann lass uns sehen, was es hier zu essen gibt. Ich bin halb verhungert," sagte sie und Morgan führte sie an den Fluss zum Baden.
Sie wartete in einiger Entfernung, bis Kris sauber und in frischer Kleidung wieder erschien. Dann brachte sie die Kriegerin zum Dach über der Küche, wo sie Kris mit einem guten Essen überraschte, das sie aus Gemüse und Hühnersuppe gekocht hatte. Zum Dessert gab es Bananen aus dem Garten der Familie. Sie saßen Seite an Seite an der aufgehenden Wand, schauten den Männern beim Aufbrechen der Beute und den Frauen beim Herausschneiden langer Fleischstreifen zu, die über dem Feuer zum Trocknen aufgehängt wurden. Während Großvater und Vater arbeiteten, erzählten sie den Frauen und den Kindern von der heutigen Jagd, redeten aufgeregt und zeigten oft in Kris' Richtung. Gelegentlich musste Kris über etwas was sie sagten, lachen oder sie errötete tief.
Morgan aß schweigend ihr Essen und beobachtete diese Interaktion voller Interesse. Sie musste die Sprache nicht verstehen, um zu erkennen, dass die Männer in Kris die Heldin des Tages sahen. Sie lächelte voller Stolz und entdeckte zu ihrem Erstaunen, dass sie an Kris' Arm lehnte. Wenn Kris davon Notiz genommen hatte, so zeigte sie es nicht, also blieb Morgan wo sie war und genoss die angenehme Rückenlehne. Das ist albern, grübelte sie und betrachtete die Indianerfamilie, ich zeige klare Anzeichen von Besitzerstolz. Bin stolz auf Kris' großartige Leistung und verspüre den Drang, sie zu berühren, wenn andere über sie reden... komm auf den Boden der Realität hier zurück, Lady! Kris ist deine Führerin. Du kennst sie gerade mal eine Woche. Sie scheint wie eine enge Freundin. Es ist schwer, daran zu denken, dass sie eine Fremde ist.
Kris seufzte leise, zufrieden mit der Jagd und glücklich darüber, dass die Familie mit genügend Fleisch versorgt war. Sie hatte Morgan nicht erzählt, dass sie es war, die die Gruppe Affen entdeckt hatte und drei der älteren Männchen getötet hatte. Dennoch blieb die Gruppe gesund und stark zurück. Sie hatte schon realisiert, dass Morgan es irgend wie herausgefunden hatte.
Die kleine Ärztin schien eine Menge über Menschen zu wissen. Sie mochte die Art, wie Morgan ihr Vertrauen in sie zeigte und so lehnte sie sich zufrieden an die Wand zurück. Diese Frau war klug, gut informiert, sie hatte bereits in ihrer Ausbildung gesehen, was Drogen aus Menschen machen konnten und dennoch verurteilte sie Kris nicht oder fürchtete sie gar, wie es so viele andere taten. Kris erkannte, dass sie sich glücklich fühlte. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so glücklich gefühlt. Ich glaube, das liegt daran, dass du meine Freundin bist, dachte sie und schaute auf die jüngere Frau hinab, die neben ihr schon halb eingeschlafen war. Kris legte vorsichtig einen schützenden Arm um Morgan und ließ sie sich enger an ihre Seite lehnen um sie in der kühlen Nachtluft zu wärmen. Eine Freundin. Was für ein überraschender, aber schöner Gedanke, beschloss Kris.
"Morgan?"
"Hmmm,"
"Warum hast du Alpträume?" fragte Kris leise. Sie spürte, wie sich der Körper so nah an ihrem versteifte und sich dann zu entspannen suchte.
"Ich glaube ich kämpfe mit meinen eigenen Wunden, ich hatte nie wirklich Zeit, damit fertig zu werden, was in dieser Nacht geschehen ist. Ich... ich... weiß es nicht... jedenfalls nach all den Jahren hat die Polizei schließlich die drei gefunden, die Ricky getötet haben. Sie kamen in diesem Jahr vor Gericht und sind durch einen Verfahrensfehler davon gekommen. Ich konnte damit einfach nicht umgehen. Ich schätze, ich hätte tapferer sein sollen und weitermachen, aber urplötzlich sah ich mich einer ungerechten Behandlung gegenüber. Ich dachte, hierher zu kommen, würde helfen. Weißt du, ein wenig Abstand bringen... aber das hat es nicht."
Eine Zeitlang starrten beide in die Flammen. Dann kam Kris leise Stimme, beinahe körperlos. "Ich bin wie sie. Ich habe schlimme Dinge getan und niemals wirklich dafür bezahlt." Morgan schaute auf den Arm hinunter, der um sie gelegt war und drückte die große, kräftige Hand, die von ihrer Schulter herabhing. "Ich kenne deine Vergangenheit nicht, Kris, aber ich weiß, dass du Reue empfindest. Sie nicht. Du hast dich deiner Vergangenheit gestellt. Das werden sie nie." Darauf gab es keine Antwort. Die beiden saßen schweigend nebeneinander. Schließlich schloss Morgan die Augen.
Die Familie hatte das Fleisch dem Rauch überlassen, gelegentlich kehrte der eine oder andere zurück um mit einem Stock die Glut neu zu entfachen. Sie saßen leise erzählend unter dem Dach der Küche, die Kinder lehnten schlafend an den Knien der Erwachsenen oder spielten in der Nähe. Morgan erwachte und fand sich beschützt von der menschlichen Lehne in Kris' Arm. Die Nacht war angenehm und die Sterne leuchteten über ihren Köpfen. Sie konnte Kris atmen hören, die neben ihr döste. Morgan lächelte und fühlte sich aus irgend einem Grunde bemerkenswert zufrieden. Sie hatte dieses Gefühl schon seit Ewigkeiten nicht mehr genossen.
Als sie aufsah, begegneten ihre Augen denen des kleinen Indianermädchens. Sie beobachtete Morgan und ihre schlafende Freundin mit scheuer Faszination. Morgan winkte sie mit der Hand heran, aber ihr freundliches Lächeln erstarb auf ihren Lippen, als sie hinter dem Kind plötzlich kalte, gelbe Augen aufleuchten sah, die sich verengten, als ihr Blick sie traf. Ihr Instinkt reagierte, bevor Morgan Zeit hatte, nachzudenken. Im Bruchteil einer Sekunde war sie auf den Füßen und griff nach dem Blasrohr auf der Suche nach einer Waffe. Als der Jaguar auf das Kind zusprang, schlug ihm Morgans Kampfstab auf den Rücken.
Das fauchende Tier sprang mit dem schrecklichen Zischen einer Katze zurück und wandte seine Aufmerksamkeit der tapferen Ärztin zu, die über dem Kind stand, bereit, es mit ihrem dünnen Stab bis zum Tod zu verteidigen. Plötzlich tauchte Kris vor ihr auf und fing den angreifenden Jaguar, die Kraft seines Sprunges nutzend, mit einem Schlag vor die Brust ab. Eine Masse von Muskeln und Blut verlor sich mit ihr in der Dunkelheit.
Morgan hob das verletzte Kind auf und trieb die schockierte Familie in die Sicherheit der Hütte, wo sie das weinende Mädchen der Mutter übergab. Dann kehrte sie zu ihrer Waffe zurück, entschlossen ihre Freundin vor dem Eindringling zu retten.
Dort, im sanften Glimmen des Feuers stand Kris. Den Körper des toten Jaguars in der einen Hand und ein blutiges Messer in der anderen. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck unverhohlener, tödlicher Freude. Sie sah herab und ihre kalten Augen trafen Morgans mit einem mächtigen Ausdruck von Herausforderung, die verschwand, als sie die kleine Ärztin erkannte. Morgan stöhnte auf und trat einen Schritt zurück und Kris Mund verzog sich zu einem grausamen Lächeln. "Geh und hilf dem Kind," grollte sie, kaum ihre Kraft zügelnd. Morgan nickte und wich zurück, dann drehte sie sich um und lief ängstlich zur Hütte zurück. Hinter ihr ertönte ein Wutschrei aus der Dunkelheit.
Das Kind hatte eine tiefe Kratzspur auf dem Rücken. Morgan arbeitete sehr sorgfältig, sie war sich der sanitären Bedingungen hier wohl bewusst. Sie reinigte die Wunde und war erleichtert, als sie die Großmutter mit einem Topf voll heißen Wassers kommen sah. Mit einer desinfizierenden Creme reinigte sie ihre Hände und sprühte die schlimmsten Stellen mit beinahe allem Gefrierspray ein, das sie dabei hatte. Dann verband sie vorsichtig die Wunden, leise mit dem Kind redend, während sie arbeitete. Die Mutter schaute ängstlich die kleine Ärztin an und Morgan lächelte ihr aufmunternd zu, als sie ihre Ausrüstung einsammelte und voller Sorge zu Kris hinausging.
Sie fand sie sitzend gegen einen der Pfosten des Vordaches gelehnt. Den toten Körper des Jaguars neben sich und das blutige Messer noch immer in der Hand. Ihre Augen waren weit fort und ihr verzweifelter Blick fuhr Morgan bis ins Herz.
Sie kniete sich neben die Frau, nahm ihr das blutige Messer aus dem steifen Fingern und legte es zur Seite. Dann zog sie behutsam das zerrissene T-Shirt fort, um sich den Schaden besser ansehen zu können. Kris' linker Arm und ihre Schulter waren zerbissen und Blut rann aus einer großen Wunde am Hals herab. Ein wenig näher und es hätte ihre Schlagader getroffen, erkannte Morgan und das ließ ihr Herz beinahe aussetzen.
Sie befeuchtete einen Lappen mit warmem Wasser und reinigte die Blutspuren von der Haut, dann wandte sie sich den Wunden der Kriegerin zu, wohl wissend, dass so gut wie gar kein Spray mehr übrig war.
Kris schaute ihr mit müdem, desinteressiertem Blick zu. Gelegentlich kniff sie die Augen vor Schmerz zusammen oder ein leises Stöhnen entrang sich ihrer Kehle, aber das war alles. Morgan redete sanft auf sie ein, erklärte ihr, was sie tat oder erzählte lustige Geschichten, während sie ihre Untersuchung fortsetzte. Sie verband Kris Arm und Schulter mit einem dicken Verband und gab ihr eine Spritze gegen Infektionen.
Kris beobachtete jede Bewegung, aber sie sagte nichts. Als Morgan sich nach getaner Arbeit zurücklehnte, trafen ihre sanften, grünen Augen verstörte und verletzte blaue. Aus einem plötzlichen Impuls heraus beugte Morgan sich vor und küsste Kris sanft auf die feuchte Stirn. "Danke. Du hast mir schon wieder das Leben gerettet." Sie lächelte in diese blaue Tiefe und für den Hauch eines Augenblickes entdeckte sie Erleichterung, bevor sich die Augen senkten. "Kannst du mir helfen? Ich muss dich in die Hütte bringen," erklärte Morgan, legte einen Arm um Kris und versuchte mit dem Gewicht der gefallenen Kriegerin auf ihrem gesunden Bein, aufzustehen.
Kris stand auf und schaukelte ein wenig, dann nahm sie Morgan bei den Schultern und schaute die verschreckte Frau im fahlen Licht des Feuers an. "Du hast mich zu Tode erschreckt," flüsterte sie.
Morgan lächelte zurück in das besorgte und verstörte Gesicht, "Ja, DU hast MICH zu Tode erschreckt!" erwiderte die kleinere Frau aufrichtig. Kris lächelte nervös und gestattete Morgan, ihr in die Hütte zu helfen. Drinnen legte Morgan ihre Führerin auf den Boden und setzte sich dann zwischen die Körper der Kriegerin und des kleinen Kindes, um sich während der Nacht um sie zu kümmern.
Als Kris am Morgen erwachte, war es durch den pulsierenden Schmerz. Sie brauchte ein paar Minuten, bevor sie noch etwas anderes gewahr wurde. Als es ihr gelang, entdeckte sie zu ihrem Erstaunen, die Freundin hörbar schlafend, den Kopf vorsichtig auf dem Bauch der Kriegerin. Aus einem Impuls heraus, hob diese eine schwache Hand und hob eine Strähne des blonden Haares an und spielte gedankenverloren damit. Eine leichte Bewegung und dann schaute sie auf in verschlafene, grüne Augen, die ihren Blick erwiderten. "Hi," murmelte sie vorsichtig.
Morgan lächelte und hob eine müde Hand um sich die Augen zu reiben. "Es ist gut, eine Freundin zu haben, die ein so prächtiges Kissen abgibt," murmelte die Ärztin und schloss die Augen wieder. Sie spürte das leise Lachen der Kriegerin unter sich.
"Was, wenn diese Freundin aufstehen und sich für den Weitermarsch fertig machen muss?" forderte Kris sie freundlich heraus, wohl wissend, dass sie vom Blutverlust geschwächt, für eine Weile nirgendwo hin gehen würde.
"Das wird nicht passieren," erklärte die kleinere Frau zufrieden und schaute zur Seite in ein irritiertes Gesicht. Eine Augenbraue wanderte in die Höhe, "Sagt wer?" fragte die Kriegerin ungläubig.
"Sagt dein Doktor," grinste die kleinere Frau und ließ ihren Kopf fest im Schoß der Kriegerin liegen. Blaue Augen schauten sie mit einer Mischung aus Verwirrung und Unsicherheit an. "Ich bin OK. Morgan. Ich heile wirklich schnell," erklärte die dunkelhaarige Frau.
"Ja, ich weiß, ich habe deine Wunde die ganze Nacht voller Erstaunen beobachtet. Sie hat sich beinahe vor meinen Augen geschlossen. Aber meine beiden Patienten haben ein wenig Temperatur und ich bin erschöpft. Also sei ein liebes, kleines Kissen und lieg still, OK?" sagte Morgan und fühlte mit einer leichten Berührung Kris' Wange, um zu sehen, ob das Fieber gestiegen war, während sie geschlafen hatte. Kris schüttelte sie mit einem Brummen ab und schloss ihre Augen. Für eine lange Zeit schaute Morgan sie nur an.
Also, Kris hat mich so nahe herangelassen. Voller Einsatz, hohes Risiko und Sieg, überlegte Morgan. Ich will sie. Glaube ich. Ich wünschte, ich hätte mehr Erfahrung. Zur Hölle! Ich wünschte, ich hätte überhaupt Erfahrungen! Die Wahrheit war, dass Morgan sich in der Schule selbst übertroffen hatte. Ganz das Kind, dass niemals die Chance hatte, soziale Kontakte mit Gleichaltrigen zu pflegen. Und später, während der Ausbildung, als Altersunterschiede keine so große Rolle mehr spielten, gab es diese fatale Nacht und die lange Zeit der Genesung. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie Frauen bevorzugte. Als Ricky und sie sich schließlich einander offenbart hatten, fühlte sie sich mit dieser Entscheidung sehr wohl. Sie war von Kris angezogen. Mein Gott! Wer wäre das nicht? Aber jetzt war es nicht mehr nur hypothetisch. Hier lag sie, den Kopf auf dem Körper ihrer Führerin und Kris ließ es zu. Das war erstaunlich und sehr, sehr beängstigend.
**********
Der Morgen war ein Erfolg gewesen, dachte Morgan. Sie hatte Kris in der Hütte festhalten können, bis die Sonne hoch über dem Horizont stand. Dann hatte sie der Kriegerin vorgeschlagen, doch ihre Waffen zu reinigen und das beschäftigte die Frau bis zum späten Nachmittag. Aber nun konnte sie definitiv Anzeichen von Ruhelosigkeit aufkommen sehen.
Morgan seufzte, wechselte den Verband des Kindes und klopfte ihrer Mutter ermutigend auf die Schulter.
Die letzten paar Tage, in denen ihre größere Patientin gesund wurde, hatten ihr den wirklich Respekt vor der Krankenpflege beigebracht! Sie setzte ein breites Lächeln auf und ging hinüber zu der Kriegerin, die auf und ab lief, wie ein Tier in einem Käfig. "Hast du Lust auf einen Spaziergang?" fragte Morgan und schaute zu ihrer Patientin auf.
Kris schmollte und Mordlust glänzte in ihren Augen. "Ich habe Ärzte schon immer gehasst," grummelte sie, "Und jetzt weiß ich auch wieder warum!"
Morgan lächelte geduldig und zog Kris an ihrem gesunden Arm. "Komm schon, lass uns die Zeit nutzen. Du kannst mir unterwegs erklären, worauf ich achten muss. Jetzt, wo unser Kanu verloren ist, werden wir ja wohl zu Fuß weitergehen müssen."
Dieses Argument schien die Zustimmung des pragmatischen Verstandes der Führerin zu finden und Morgan fand sich bald darauf beim Versuch wieder, den ausgreifenden Schritten der ruhelosen Kriegerin folgen zu müssen, die sie tiefer und tiefer auf dem überwachsenen Pfad in den Regenwald führte. "Puh, Stop!" ächzte Morgan und plumpste auf den Boden. Die Führerin drehte sich in einiger Entfernung um und entdeckte, dass sie ihre Gefährtin verloren hatte. Sich verschmitzt an der Nase kratzend, kehrte sie um.
"Oh... tut mir leid, ich.... aah," sie zuckte zusammen und erstarrte. "Morgan, nicht bewegen," flüsterte die ältere Frau besorgt. Morgan wurde steif und unterdrückte einen Schrei, als sie haarige Beine spürte, die über ihre nackten Knöchel krabbelten. Als sie hinsah, entdeckte sie eine riesige, schwarze Spinne, die ihr Bein heraufwanderte. Kris kniete sich vorsichtig neben die entsetzte Ärztin.
"Sag mir, das es nicht das ist, wofür ich es halte," flüsterte Morgan, sich sicherer fühlend, nun, da ihre fähige Führerin nahe war.
"Doch, das ist es," stöhnte die Kriegerin und ihre Hand schoss mit unglaublicher Schnelligkeit vor und schlug die Schwarze Witwe von Morgans Bein. Mit der anderen Hand zog sie Morgan hoch und die kleinere Frau fiel gegen ihre Brust. Instinktiv schlang Kris ihre Arme um die Ärztin, um ihr Halt zu geben. Sie schaute in genau dem Moment nach unten, als Morgan aufsah und sie teilten beinahe den gleichen warmen Atemzug aus ihren Mündern.
Morgans Arme glitten Kris' Arme hinauf, Kris neigte den Kopf... dann wich sie, plötzlich schluckend, zurück. "Ahh... Lektion Nummer eins," stammelte Kris und versuchte, sich wieder in den Griff zu kriegen, "Immer erst hinschauen, bevor du dich setzt und..." Kris' Lektion wurde durch Morgan abgeschnitten, die sie herum drehte und, auf Zehenspitzen stehend, kurz mit ihren Lippen die der Kriegerin berührte.
Sie wich zurück und wartete nervös auf irgend eine Reaktion von der erstarrten Führerin. Dann schlangen sich starke, lange Arme um sie und zogen sie eng an sich und ein dunkler Kopf neigte sich Morgans Lippen zu und fingen sie in einem leidenschaftlichen Kuss ein. Morgans Lippen öffneten sich und Kris eroberte sie fordernd. Ihre Zungen spielten miteinander und Morgan stöhnte am Mund der Kriegerin, während Begehren durch ihren ganzen Körper strömte. Der Kuss ließ sie beide zitternd zurück, Kris hielt Morgan fest an sich gepresst. Ihr Kopf ruhte auf dem Scheitel der Freundin.
"Das darf nicht geschehen," stöhnte die größere Frau und rüttelte Morgan in ihren Armen.
"Ist es aber," stellte die Jüngere fest und barg ihren Kopf an Kris' Brust.
"Du kennst mich nicht. Ich kann dich nicht in meine Welt bringen. Du verdienst Besseres, Morgan," argumentierte Kris und ihre Stimme war voller Schmerz.
Morgan schaute auf und schlang ihre Arme um den Nacken ihrer Kriegerin, "Ich habe das Beste," antwortete sie schlicht.
Kris zog sie eng an sich, "Du..."
"Nein." Plötzlich versteifte sich die kleine Frau und wandte sich von der Kriegerin ab, "Es... es tut mir leid. Das war nicht fair von mir. Ich... ich... ich meine, du kennst bestimmt eine Menge wunderschöner und interessanter Menschen und ich.... bin... verkrüppelt und verletzt und..."
Kris legte ihre Arme um den zitternden Rücken, "Du bist so schön, dass mein Körper bei deinem Anblick vor Begehren schmerzt. Wenn ich mit dir zusammen bin, dann öffnet sich meine Seele und... und ich bin glücklich. Wirklich, wirklich glücklich," bekannte Kris, von der Unsicherheit der Freundin verletzt. Sie ging um sie herum und schaute in die tränenfeuchten Augen. Vorsichtig küsste sie sie fort, neigte den Kopf und fing Morgans Lippen mit einem süßen, zärtlichen Kuss ein. "Ich habe solche Angst, dass du durch meine Vergangenheit verletzt wirst."
Morgan barg ihren Kopf am rauen Baumwollshirt der Freundin. "Es ist, als hätte ich dich schon immer gekannt. Als würde ich nach Hause kommen."
Morgan erkannte, dass Kris nicht unter Druck gesetzt werden durfte, dass sie Zeit und Raum brauchte, um damit zurecht zu kommen, was gerade passiert war. Sie erkannte auch, dass ihr Unfall und die Anforderungen ihres Studiums ihr Jahre geraubt hatten, in denen sie hätte Erfahrungen sammeln und Beziehungen aufbauen können. Sie hatte Angst, dass sie der weltgewandten Kris nicht würde genügen können, ob sie mit solchen Gefühlen und so weniger Erfahrung überhaupt klar kommen würde.
"Also, was ist die erste Lektion?" fragte Morgan und wich zurück.
Kris legte ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie kurz. Dann ging sie dahin, wo Morgan zuvor gesessen hatte. "Siehst du dieses fingergroße Loch im Boden? Das ist das Nest der schwarzen Witwe. Erkennst du den Spinnenfaden am Eingang? Danach musst du Ausschau halten, denn sie haben die Angewohnheit, heraus zu springen und ihre Beute anzugreifen." Kris demonstrierte es mit einer Stockspitze und die wütende Spinne schoss heraus und sofort wieder zurück in ihr Loch.
"Hmm," stimmte Morgan zu, "von nun an, werde ich dreimal um jeden Baum herumgehen wie ein Hund, bevor ich mich hinsetze!"
Kris lachte und stellte sich vor die kleine Ärztin hin, ihre Augen trafen sich und die Kriegerin beugte sich unsicher herab und küsste Morgan auf die Stirn. "Das war kein Traum. Nicht wahr?" murmelte sie in Morgans weiches Haar.
"Gott, ich hoffe nicht," erwiderte Morgan und umarmte ihre Freundin so fest sie konnte. Sie trennten sich und Kris lächelte strahlend. Dann nickte sie mit dem Kopf in Richtung des Weges und sie liefen los, um ein annehmbareres Fleckchen zu finden.
Das Gespräch verlief angenehm und Morgan realisierte jetzt erst, wie viel die dunkle Kriegerin über die Welt wusste, in der sie so viele Jahre gelebt hatte. Kris redete in ihrer abgerissenen, rauen Sprache, benannte und erklärte die Fauna und Flora, die sie umgab.
An einem Wasserfall hielten sie an und redeten miteinander. Kris zeigte ihr die wilden Orchideen, die auf einem abgestorbenen Baumstamm in der Nähe wuchsen. Unter feuchten Blättern entdeckten sie sogar den schwarzen, kleinen Frosch mit goldenen Flecken, aus dessen Hautabsonderungen die Indianer das Nervengift für ihre Pfeile gewannen. "Sie nennen ihn den Bergarbeiterfrosch, weil man ihn vor allem auf den Bergen findet und er diese kleine, goldenen Punkte hat," erklärte Kris.
Es war später Nachmittag, als sie Hand in Hand zum Indianercamp zurückkehrten.
Kris marschierte augenblicklich zu den Frauen, die sich um den toten Jaguar gekümmert hatten und Morgan durchforstete ihre verbliebenen Vorräte um ein ganz besonderes Essen zu kochen für... was? Ihre Freundin? Ihre Geliebte? Nein, nein, noch nicht. Nein. Seelenverwandte. Kris war ihre Seelenverwandte.
Irgendwie fühlte sie sich durch diese beängstigende, gehetzte Frau vollständiger. Sie fragte sich, ob Kris genauso empfand?
Wie es ihre Routine war, aßen sie unter dem Vordach. Morgan servierte Beef Stroganoff auf Reis, gekocht aus ihren Trockennahrungsmitteln. Zum Dessert zeigte sie ihrer Freundin, wie man in Stücke geschnitten Ananas, die sie vorbereitet hatte, auf einen Stock spießte und in Zucker wälzte. Dann hielt sie den Stock dicht an die glühenden Holzscheite im Feuer, um den Zucker karamellisieren zu lassen, bevor sie die süße Köstlichkeit Kris anbot. Kris öffnete ihren Mund und ließ zu, dass Morgan sie fütterte und Morgan wurde von den heftigen Emotionen, die dies bei ihr auslösten und die zwischen ihnen hin und hergingen, geschüttelt.
Kris wandte ihre Augen ab und bereitete ein Stück für Morgan zu. Doch als Morgan sich vorbeugte, um die Frucht in den Mund zu nehmen, lehnte Kris sich vor und küsste sie statt dessen. Die Süßigkeit wechselte von Morgans in Kris' Mund. Für einen sehr langen Augenblick stand die Welt für beide still. Dann errötete Morgan und schaute weg, das unverhüllte Verlangen in Kris' Augen war kaum noch zu ertragen. Kris machte ein weiteres Stück zurecht und drückte Morgan den Stock in die Hand, was dieser gestattete, mit der Intensität des Spiels zurecht zu kommen, das Kris mit diesem Dessert initiiert hatte.
"Das ist exzellent, Morgan." Sagte Kris und röstete ein Stück für sich selbst.
"Es ist noch besser, wenn man es nach dem Karamellisieren in Schlagsahne taucht," sagte Morgan und stopfte sich ein weiteres in den Mund.
Kris schaute mit einem anzüglichen Grinsen auf, "Schlagsahne, ja? Das würde gut passen... zum Dessert," schlug sie mit heiserer Stimme und hochgezogener Augenbraue vor.
Morgan lachte und stieß sie mit der Schulter an, "Nein, das gäbe nur eine Riesenschweinerei!" Der Körper neben ihr wurde sofort steif und dann völlig bewegungslos. Morgan drehte sich um und schaute in tief verletzte Augen.
"Du hast das schon mal mit jemandem gemacht?" versuchte Kris sachlich zu fragen und die Bilder von jemandem in ihrem Kopf zu verdrängen, der Schlagsahne von Morgans Lippen leckte.
In Morgans Augen tanzte Gelächter, Kris war eifersüchtig! Auf sie, um Gottes Willen! "Oh ja, eine wirklich gut aussehende Frau, mit der ich eine Ewigkeit zusammen gelebt habe," erklärte Morgan und beobachtete, wie sich Kris' Gesicht verhärtete. Sie beugte sich herüber und flüsterte in Kris' Ohr, "Meine Mutter."
Erleichterung durchströmte Kris' Körper und sie lachte ihre eigene Unsicherheit hinweg. Morgan klopfte ihr kurz auf die Wange und fing dann an, aufzuräumen, während die Kriegerin jede ihrer Bewegung mit den Augen verfolgte. Gemeinsam trugen sie das Geschirr zum Fluss und wuschen es ab, dann zogen sie sich aus und gingen zusammen im Wasser baden.
Kris zwang sich, Morgan nicht zu behelligen, obwohl jede Faser ihres Seins nach Befriedigung verlangte. Erst als sie fertig mit dem Waschen waren, kam Kris nahe an Morgan heran und ihre nackten Körper berührten sich. Sie küssten sich, lange und intensiv, während ihre Hände den Körper der anderen und jede seiner Linien erforschten. Mit einem Stöhnen trennten sie sich voneinander, Kris half Morgan aus dem Wasser zu ihrer Schiene und ließ sie sich abtrocknen und ankleiden, während sie das gleiche tat.
Kris hatte Morgan den Arm um die Schultern gelegt und so liefen sie zurück zu ihrem Quartier. Als sie an einem abgebrannten und brachen, kleinen Feld vorüber kamen, hielt Kris an, ein besorgter Blick lag auf ihrem Gesicht und ihre Muskeln verhärteten sich. Sie ließ Morgan los und ging zu ein paar seltsam aussehenden Pflanzen hinüber, die zwischen den verkohlten Wurzeln wuchsen und hockte sich auf ihre Fersen.
"Das ist Kokain, Morgan," erklärte Kris bitter, riss eines der Blätter ab und drehte es angelegentlich zwischen ihren Fingern. "Die meisten Einwohner hier haben ein kleines Feld davon." Ihre Kiefer mahlten und Morgan wartete still und geduldig, damit Kris auf ihre Weise sagen konnte, was sie sagen musste.
"Meine Familie ist sehr, sehr reich, Morgan. Billionäre," Kris wandte sich auf der Suche nach Blickkontakt mit dieser Ärztin um, die ihr in so kurzer Zeit so viel bedeutete. "Deswegen," sagte sie und hielt das zerknitterte Blatt hoch. "Drogenbosse, mein Vater... ich," ergänzte sie leise, "bis ich verschwunden bin." Sie schaute fort, unfähig, mit dem Schock, der sich auf Morgans Gesicht abzeichnete, zurecht zu kommen. "Ich... ich habe schrecklich Dinge für meinen Vater getan." Schweigen.
Kris stand auf und ließ das Blatt aus ihren langen Fingern zu Boden fallen. "Es tut mir leid, ich hätte es dir sagen sollen, bevor wir... also, es ist OK... wir werden nicht..." Kris wandte sich schluckend ab. Dies fiel so verdammt schwer.
Plötzlich war Morgan da und hielt ihre kalten Hände fest. "Das... gefällt mir nicht, Kris. Ich... ich werde damit Probleme haben. Was du getan hast... dass du es überhaupt konntest... aber ich glaube nicht, dass du noch immer diese Person bist. Ich muss darauf zählen können, weil ich nicht will, dass aufhört, was gerade erst zwischen uns begonnen hat. Ich glaube an dich, Kris." Kris atmete stöhnend ein und zog Morgan an sich.
"Ich verdiene es nicht," stöhnte sich rau und hielt sich fest.
"Shhh, lass uns nicht an allen Enden zugleich anfangen, OK? Lass uns einfach schauen, wie alles funktioniert. Komm," lächelte Morgan mutig und tätschelte Kris den Arm. Kris lächelte zitternd und erlaubte Morgan, sie fort zu führen.
"Lebt diese Familie hier allein?" fragte Morgan das Thema wechselnd und gestattete so, dass Kris mit der tiefen Empfindsamkeit umgehen konnte, die bei ihrem Bekenntnis von ihr Besitz ergriffen hatte.
Kris räusperte sich und schaute in alle Richtungen, nur nicht auf Morgan. Ihr pragmatischer Verstand war durch ihre Aktionen verwirrt. Christus! Sie hatte gerade jemandem erzählt, wer sie wirklich war! Nachdem sie seit zwei Jahren offiziell tot war! Wo, zur Hölle, war sie da hineingeraten? Wohin führte dies für Morgan? Sie versuchte, sich zu entspannen.
"Sehr oft. Schwarze Flüsse führen keine großen Mengen an Nahrungsmitteln mit, so dass dieses Gebiet eine sehr geringe Bevölkerungsdichte aufweist. Hier findet man nur vereinzelte Familien. Wenn wir erst mal ins Yanamamo-Territorium vorstoßen, dann treffen wir auf Palisadendörfer. Dort ist die Dichte sehr hoch und es gibt eine Menge Kriege." Morgan nickte, sie wollte so viele Informationen aufnehmen, wie nur möglich. Sie wollte die Welt von Kris Thanasis verstehen.
Am Abend rollte Morgan ihre Schlafdecke unter den Augen der Indianerfamilie in der Hütte aus. Kris kam als letzte herein und verbarrikadierte die Tür, bevor sie sich neben Morgan niederlegte. Auf der Seite liegend, schlang sie einen Arm um den Körper der kleinen Ärztin und küsste sie auf die Wange. Morgan wandte sich ihr zu und Kris zog sie an ihre Seite, gerührt von der Geste, mit der die kleine Frau ihren Kopf in ihre Schulter schmiegte und einen Arm um ihre Mitte schlang. Die Dörfler kicherten und einer der Männer sagte etwas in seiner Sprach zu Kris. Kris antwortete gutmütig und die kleine Familie lachte herzlich und legte sich dann zum Schlafen nieder.
"Worum ging es denn?" murmelte Morgan ein wenig empört.
"Je nun, es war eine kleine Barwitzelei, fürchte ich. Ich glaube, unter diesen Umständen muss ich schon ein wenig davon tolerieren," erwiderte Kris.
Morgan schaute in Kris' Augen, "Eine Erklärung," ordnete sie an.
Kris errötete, "Ach, na schön, er hat gefragt, ob ich jetzt der Mann bin und ich habe ihm gesagt, dass genügend Jäger in mir steckt, um dich vollauf zufrieden zu stellen."
Für einen Augenblick blieben ihre Augen aneinander hängen, Morgan versuchte, Kris' komplexen und doch ständig wechselnden Gedankengang zu verstehen. Schließlich kuschelte sie sich wieder ein, "Daran wirst du dich besser halten, Jäger," warnte sie. Sie spürte, wie sich Kris' Körper entspannte und eine zärtliche, starke Hand über ihren Rücken strich, bis sie eingeschlafen war.


Teil 3
Der nächste Tag kam und Kris schulterte einen wesentlich größeren und schwereren Packen, als ihre Ärztin zulassen wollte. Sie folgten eine Weile dem Pfad der Indianer durch den Regenwald, dann jedoch mussten sie sich ihren eigenen Weg durch das Unterholz schlagen. Morgan entdeckte, dass dies eigentlich gar nicht so dicht war. Das Laubdach hoch über ihnen verhinderte das Durchscheinen der Sonnenstrahlen, die die jüngeren Pflanzen zum Wachsen gebraucht hätten. Nur an Stellen, wo Bäume umgestürzt waren, wetteiferten die unterschiedlichsten Pflanzen um einen Platz im Sonnenlicht. Und die Keimlinge der gefallenen Bäume waren dabei eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz.
Jedoch war der Boden uneben durch Wurzeln, Schlamm, tote Zweige und abgestorbenes Laub und Kris musste diese manches Mal mit der Machete kappen oder zur Seite schieben, um einen Weg zu schlagen. Wenn ein großer Ast im Wege lag, den Kris nicht bewegen konnte, dann brachte sie zunächst das Gepäck auf die andere Seite und hielt Morgan dann ihre Hand hin, um ihr hinüber zu helfen.
Einige Male mussten sie auch Flussläufe überqueren, die sich tief eingeschnitten hatten und Kris legte ein paar Stämme aus, als Brück. Beim ersten Mal war sie leichtfüßig hinübergelaufen, als handele es sich um ebenen Grund und hatte ihren Weg fortgesetzt, bis sie Morgan lauthals protestieren hörte.
"Kris, das schaffe ich nicht," hatte sie gerufen, unfähig, selbstständig über den schwankenden Steg zu gehen. Ihr war heiß, sie war müde und irritiert von der Tatsache, dass es Kris nicht so zu gehen schien, aber vor allem war sie wütend auf sich, dass sie ihrer Angst nachgeben musste. Sie hatte genügend Mut aufgebracht, um ein paar Schritte auf die Brücke zu gehen, dann jedoch hatte sie nach unten sehen müssen.
Das dunkle Wasser rann über die Steine, wie das Blut in jener Nacht. Es war der Klang des Wassers, dass den Flashback diesmal verursacht hatte. Sie hatte damals lange nur dagelegen und auf den Tod gewartet, während unter ihr eisig- schwarzes Wasser hinweg geströmt war. Schließlich hatten Sirenen diesen Klang übertönt und die blinkenden und blitzenden Lichter hatten alles in einen neuen Rotton getaucht.
Kris schaute die vor Angst erstarrte Freundin an und erschrak zutiefst. Langsam nahm sie ihren Rucksack ab und legte ihn auf den Boden, dann ging sie über den Balken zurück. Sie half Morgan dabei, ihr Gepäck über die steifen Schultern zu streifen und trug es zu ihrem Gepäck zurück. Dann wandte sie sich der Freundin zu.
"Komm schon, du schaffst es," ermutigte Kris sie und streckte ihre Hand aus, rückwärts den Steg entlanglaufend.
Irgend etwas rastete in Morgans Verstand aus, "Nein, das kann ich nicht! Du gottverdammte Angeberin!" schrie sie und war noch verängstigter durch den Blick auf Kris' Gesicht. Es war, als hätte sie ein Messer genommen und sie damit erstochen.
Kris kam herüber und bleib nur wenige Zentimeter von Morgan entfernt stehen. "Äh, ist es OK, wenn ich dich trage?" fragte sie verlegen und nervös und voller Verwirrung.
"Ich... es... ist die Brücke," würgte Morgan hervor. "Es ist auf einer Brücke passiert."
Morgan wich zurück, unfähig, der Kriegerin die Augen zu sehen.
Brücke? Mist, der Anschlag, dachte Kris, trat einen Schritt nach vorn und nahm Morgan in die Arme.
"Shh, ist schon gut." Versuchte sie die schluchzende Frau zu beruhigen. "Jetzt bin ich ja bei dir. Und du bist sicher." Es war eine dumme Bemerkung, das wusste Kris auch, aber ihr fiel einfach nichts anderes ein und sie konnte es nicht ertragen, Morgan so verstört zu sehen. Ja, sicher bei dir, Thanasis, ganz toll, wenn dein Leben ohnehin schon verwirkt ist! Und außerdem hast du den Teufel in der Seele...
Morgan beruhigte sich in ihren Armen.
"Ich kann das," sagte Morgan leise, "Hilf mir, Kris." Langsam führte Kris die ängstliche kleine Frau den Balken entlang. Das funktioniert nicht, dachte Kris, es würde noch viel mehr solcher Übergänge geben.
Kris führte Morgan bis in die Mitte der schaukelnden Brücke, dort bleib sie dicht vor Morgan stehen, die sich voller Panik an sie klammerte. "Sieh mich an, Morgan," flüsterte sie und nahm ihr Gesicht in ihre Hände. Morgan schaute voller Furcht auf. "Vertraust du mir?" Die kleine Frau nickte. "Ich kenne dich erst seit ein paar Wochen und dennoch fühle ich mich dir sehr nahe. Ich liebe dich, Morgan," gestand die Kriegerin und beugte sich herunter und fing Morgans Lippen ein. Dann küsste sie über ihren Hals bis zu einem Ohr, in das sie sanfteste Worte von ihrer Liebe flüsterte. Langsam entspannten sich die Hände, die ihren Körper umkrampften und wanderten über ihre Arme und ihren Rücken. Kris küsste sie wieder und wieder. Und dann hielt sie sie nur noch fest.
"Kris?"
"Hmm?"
"Bin ich noch immer auf der Brücke?" murmelte Morgan.
"Ja," bemerkte Kris.
"Liebesbrücke," seufzte Morgan. "Ich liebe dich." Die Worte durchfuhren Kris wie ein Donnerschlag. Meinte sie es wirklich? Konnte sie sie lieben?
Kris wich zurück und half Morgan vorsichtig, den Rest des Weges über die Brücke zurückzulegen. Aber die Furcht war vergangen und sie wusste, dass Morgan eine weitere Barriere auf dem Weg ihrer Gesundung niedergerissen hatte.
"Danke," sagte Morgan und umarmte Kris. "Tut mir leid, ich war gemein zu dir. Du bist wundervoll, weißt du das?"
Kris erwiderte die Umarmung, "Komm jetzt, nur noch ein paar Kilometer und dann schlagen wir das Camp auf."
Sie gingen ein paar Stunden lang über schlammigen, unwegsamen Boden und durch intensive Hitze. Nach einer Weile hielten sie an einem braunen Hügel von der Größe eines Soccerballes an, der sich zwischen zwei Wurzeln befand. Nicht so sehr, weil Kris wusste, dass sie damit die Neugier und den Forscherdrang der Freundin wecken konnte, sondern viel mehr, um Morgan eine kurze Pause zu gönnen, ohne sie in Verlegenheit zu bringen.
"Sieh mal, Morgan, das ist ein Termitenhügel. Sie sind ziemlich häufig im Regenwald. Und man kann sie essen. Sie haben viel Proteine. Das ist eine vorzügliche Nahrungsquelle, wenn dir auf der Expedition die Nahrungsmittel ausgehen."
"Ich! Du zuerst," sagte Morgan sarkastisch und verzog das Gesicht.
"OK:" grinste Kris und genoss den vollkommen schockierten Blick im Gesicht der Freundin, als sie ein wenig Staub von der Oberfläche des Hügels wegkratzte. Augenblicklich erschienen Dutzende von Arbeitertermiten, um den Schaden zu reparieren und Kris ließ sie auf ihren Finger krabbeln. Diesen steckte sie schließlich in den Mund und leckte ihn ab. Sie kaute und schluckte und strahlte Morgan glücklich an.
"Ahhhh, ist das ekelhaft! Ich werde dich nie wieder küssen, Kris Thanasis! Gott weiß, was du sonst noch alles in deinen Mund steckst!"
Kris wackelte verschmitzt mit ihren Augenbrauen. Dann steckte sie ihren Finger wieder in das Nest und ein paar der Termiten liefen daran hinauf. Sie hielt ihn Morgan vor den Mund. Morgan seufzte schwer und verdrehte die Augen, dann beugte sie sich schicksalsergeben vor und nahm Kris Finger in den Mund. Kris zog ihn zwischen den warmen, weichen Lippen hervor und hatte plötzlich Mühe, ihre niederen Instinkte zu kontrollieren. "Schnell, kauen und schlucken," instruierte sie. Morgan versuchte ihr heiterstes Gesicht zu machen. "Und?" fragte Kris.
"Irgendwie herb, nach Laub... aber selbst mit Feuerameisensoße werden sie wohl kaum zum Lieblings- Fastfood in meiner Nachbarschaft werden," grunzte Morgan, hielt ihren Magen und fuhr sich mit der Zunge durch den Mund und spuckte ein paar Überbleibsel der Insekten aus. Kris schnaubte und reichte der Freundin die Wasserflasche. Diese nahm einen tiefen, dankbaren Zug und gab die Flasche zurück an Kris, die ihren Kopf nach hinten legte und das warme Wasser die Kehle hinabfließen ließ. Als sie wieder aufschaute, trafen ihre Augen die sanfte, grüne Tiefe von Morgans Blick. Morgan stellte sich auf die Zehenspitzen und leckte die Wassertropfen von Kris' Lippen fort. Als sie zurückwich, folgte ihr Kris' Kopf und eroberte ihre Lippen mit einem langen, hungrigen Kuss. "Habe ich es mir doch gedacht," wisperte Morgan schelmisch. "Termiten sind ein Essen, das man teilen muss."
Kris lachte, rückte ihren Rucksack zurecht und machte sich wieder auf den Weg, Morgan dicht hinter sich. "Also, ist es größer als eine Brotschachtel?" fragte Kris über ihre Schulter grinsend.
"Ist was?" fragte Morgan, vorsichtig über ein paar rutschige Wurzeln steigend.
"Diese geheimnisvolle Pflanze, hinter der du her bist. Ist sie größer als eine Brotbox?" vertiefte Kris und hielt einen dornigen Zweig mit ihrer Machete fest, um Morgan darunter durch gehen zu lassen.
"Keineswegs, nicht dass ich eine Ahnung hätte, wie groß eine Brotbüchse sein könnte. Ich habe meine Scheiben im Kühlschrank," erwiderte die Ärztin und ließ sich auf dieses alberne Spiel ein.
"Ist es grün, gelb oder braun?" fragte Kris vergnügt.
"Das sind drei Fragen auf einmal und die Antwort lautet ja... auf eine davon..." und so fuhren sie fort.
Einige Zeit später stoppte Kris plötzlich und schaute zu Boden. Morgan folgte ihrem Blick und schnappte entsetzt nach Luft, als sie sah, dass der Boden über und über mit Ameisen bedeckt war wie mit einem Teppich. "Lauf!" schrie Kris, griff die Frau beim Arm und schubste sie vorwärts. Morgan rannte so gut sie es mit ihrem kaputten Bein vermochte. Aber nach einer kurzen Strecke erkannte Kris, dass Morgan nicht schnell und weit genug fortlaufen konnte. Sie wechselte die Richtung, schoss durch die Büsche und zog die hinkende Ärztin hinter sich her. Kris hielt nicht am Rand des nahen Sumpfes an, sondern ließ sich direkt ins Wasser fallen, Morgan mit sich zerrend.
"Kris!" schrie Morgan, als ihre Füße im schlammigen Untergrund versanken und der grüne Schlamm des Sumpfloches sich um ihre Schultern schloss. Kris schlang einen Arm um sie und watete rasch hindurch. Sie zog die erschöpfte Frau auf den Rand der anderen Seite hinauf. Ein paar Minuten lang saßen sie in Dreck und Schlamm schweigend beieinander.
"Was ist denn passiert?" ächzte Morgan schließlich.
"Ameisenarmeen. Die machen vor gar nichts halt. Wir hätten eingekreist werden können. Aber man kann vor ihnen auch nicht davon laufen, also musste ich uns in dieses Schlammloch stürzen. Über das Wasser kommen sie nicht. Bist du OK?" fragte Kris und berührte Morgan.
Morgan schaute hinunter auf ihren durchnässten, verschwitzten und verklebten Körper und schniefte. Das stank ziemlich nach Schlamm und Moder. Ihr Bein schmerzte schrecklich von der Überanstrengung des Laufens. "Oh ja, ich bin OK. Willst du mich küssen?" fragte sie schelmisch.
Kris grinste über ihr eigenes dreckverschmiertes Gesicht, neigte den Kopf und küsste Morgan zärtlich. "Das muss Liebe sein," seufzte Morgan glücklich und Kris lachte und zog die Freundin auf die Füße.
Wenig später kamen sie an eine kreisrunde Lichtung, in deren Mitte ein kahler, glatter Baum stand. "Das ist doch ein hübscher Ort, Kris, können wir hier nicht das Camp aufschlagen?" fragte die Ärztin hoffnungsvoll. Ihr Bein schmerzte jetzt beinahe unerträglich und sie hinkte bereits. Um das Ganze noch schlimmer zu machen, war die Hitze überwältigend geworden, die Luftfeuchtigkeit beinahe unerträglich und die Moskitos begannen, sie zu umschwärmen.
Kris schnaubte. "Nein, nicht hier. Siehst du den kleinen Baum? Er wird der Strafbaum genannt. Es gibt eine symbiotische Beziehung zwischen ihm und einer Ameisenart. Die Tiere leben unter den Wurzeln des Baumes und als Dank für die nette Wohnung, verspritzen sie ihr Gift um den Baum herum, um andere Pflanzen am Wurzeln zu hindern. Das hält die anderen Bäume fern. Diese Bäume müssen gar nicht groß werden, die Ameisen sorgen auch dafür, dass er genug Sonnenlicht bekommt. Die Indianer bringen ihre Gefangenen hierher und binden sie am Baum fest. Dann schlagen sie gegen den Stamm und der arme Bastard stirbt einen elendigen, schmerzvollen und schrecklichen Tod. Sieh hin." Kris ging vorwärts und schlug mit der Seite ihrer Machete gegen den Stamm, der augenblicklich nur so von kleinen, roten Ameisen wimmelte.
Dann kam sie zurück zu Morgan, die sie voller Abscheu ansah. Besser, ich bringe es hinter mich, dachte sie. Sie hat ein Recht, es zu erfahren, bevor sich die Dinge zu weit entwickelten. "Ich habe das mit den Gegnern meines Vaters gemacht, um sie zum Reden zu bringen," sagte Kris leise, drehte sich um und ging davon und überließ es der entsetzten Ärztin, ihr zu folgen.
**********
Sie erreichten den schwarzen Fluss, der zum Orinoko führte. Kris folgte dem Strom und schon bald erreichten sie eine freundliche Lichtung. Außerhalb des dichten Blätterdaches war die Luft frischer und eine sanfte Brise machte die überwältigende Luftfeuchtigkeit ein wenig erträglicher. Unter der Sonne waren auch die Moskitos etwas weniger aktiv. Morgan schüttelte ihren Kopf, wohl gewahr, dass sich etwas verändert hatte. Kirs lächelte, "Insekten. Wenn man aus dem Regenwald heraustritt, dann sind die Geräusche von Billionen von Insekten weniger vernehmbar." Morgan nickte.
"Wir werden hier unser Camp aufschlagen," erklärte die Kriegerin, nahm ihr Gepäck von den Schultern und half der müden Ärztin mit ihrem. "Ach ja, du kannst hier schwimmen gehen, es ist sicher," sagte die Kriegerin verlegen, nicht sicher, wie sich Morgan jetzt mit ihr fühlte.
Morgan hob eine schlammverschmutzte Hand und legte sie an Kris' Wange. "Ich wünschte, du wärest nicht solch ein Mensch gewesen. Es muss furchtbar sein, damit zu leben, aber das ist nicht der Mensch, den ich liebe. Die, die ich liebe, stellt sich vor einen angreifenden Jaguar um mich zu schützen und hält mich fest, wenn ich mich fürchte. Sie ist schön und sorgsam und klug."
Kris ließ verwirrt den Kopf hängen. Sie wollte so sehr, dass sich ihre Beziehung mit Morgan festigte, aber sie spürte auch, dass sie es ihr schuldig war, sie zu warnen, dass sie sich in eine sehr böse Person verliebt hatte.
"Hey, wollen wir etwas ausprobieren?" fragte Morgan und strich Kris das dunkle Haar vorsichtig nach hinten.
"Was?" murmelte die Kriegerin.
"Wenn ich etwas von diesem Dreck abwasche, dann wird vielleicht auch etwas von diesen dunklen Gedanken fortgewaschen. Willst du es nicht versuchen?" Kris schaute in intensive grüne Augen voller Mitgefühl, sie nickte und erntete dafür ein strahlendes Lächeln ihrer Freundin. Hand in Hand gingen sie zum Wasser hinunter und Kris fand einen einfachen Platz für Morgan, wo sie ihre Schiene und Kleider ablegen und sich ins Wasser gleiten lassen konnte. Kris folgte als sie sicher war, dass Morgan nichts geschehen konnte. Sie saßen auf den glatten Steinen und genossen das sensationelle Gefühl, einander die empfindsamen Körper zu waschen.
Das Waschen führte zu Zärtlichkeit, Zärtlichkeit zu Küssen, Küsse zu Leidenschaft.
Kris hatte es nicht geplant. Sie hatte noch nicht einmal gewollt, dass dieser Schritt so schnell kommen sollte, aber ihr Verlangen, eins mit Morgan zu sein, überwältigte sie, als die kleinere Frau heiser an ihrem Ohr bat: "Nimm mich, Jäger. Ich will dein sein."
Mit einem tiefen Stöhnen voller Verlangen hob sie die kleinere Frau auf und legte sie auf die glatten Steine. Dann senkte sie langsam ihren kühlen, nassen Leib über Morgan. Ihre Münder näherten sich, versanken in einem leidenschaftlichen Kuss und Kris schob ihre Hüfte gegen Morgans feuchte Wärme. Kris beeilte sich nicht, sondern kämpfte um Kontrolle. Sie wollte ihre Begierde zurückhalten, mit ihren Händen Morgans Leib erkunden, sie mit ihren Lippen spüren und auf den Höhepunkt treiben.
Danach lagen sie beieinander, Kris Kopf nahe an Morgans heißem Mittelpunkt. Nach einer Weile spürte Kris, dass Morgan ihr Haar streichelte und sie schob ihre Hand nach oben, dorthin, wo sie noch vor ein paar Minuten ein Festmahl gehalten hatte. Morgan bäumte sich ihrer Berührung entgegen und stöhnte leise. "Morgan, wir müssen nicht weiter gehen, nicht, wenn du es nicht willst," sagte Kris und kämpfte gegen die pure Begierde, die einmal mehr von ihr Besitz ergriffen hatte.
Morgan zog Kris zu sich heran, bis sie einander in die Augen blicken konnten. "Ich habe zu lange darauf gewartet," sagte Morgan leise, "Und egal was noch zwischen uns passieren wird, ich möchte, dass du die erste bist."
In Kris' Innerem explodierte ein heißer, schmerzender Ball und sie zog Morgan über sich und küsste sie mit all ihrer Liebe und Freude, von der ihr Herz dabei sang.
Sie liebte Morgan. Sie liebte sie zärtlich und leidenschaftlich und am Ende vereinigte sich ihr Fühlen, ihre innere Glut und das Pulsieren ihres Seins, als Ausdruck ihrer selbst. Gott, das war wundervoll!
Danach hielt sie Morgan in den Armen und strich ihr sanft übers Haar. Kris konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie sich je so mit sich im Reinen gefühlt hatte, so... ganz.
"Bist du OK?" wisperte sie ihrer stillen Freundin zu.
"Hmmm," klang die zufriedene Antwort von irgendwo zwischen ihren Brüsten. "Und du?" fragte Morgan mit plötzlich besorgter Stimme und hob den Kopf, um in Kris' blaue Augen zu sehen. Sie werden dunkler, wenn sie liebt, dachte Morgan. "Ich habe nicht... ich meine... du musst doch..."
"Nein. Nicht jetzt. Es geht mir gut. Ich musste dich lieben. Du hast meine volle Aufmerksamkeit verdient. Ich danke dir, Morgan, das war... das wundervollste Geschenk für mich," flüsterte Kris und küsste sanft Morgans Lippen.
Sehr viel später errichteten sie in stillem Einverständnis das Camp. Morgan bestand darauf, die Hängematte mit Kris zu teilen. Sie bereitete ein Essen aus Reis und geräuchertem Fleisch und Kris erschien mit ein paar Affenbrotfrüchten, die aus den Bäumen über ihnen gefallen waren. Die Frucht wurde so genannt, weil sie die Lieblingsspeise der Affenherden war. Sie hatte die Größe und die gelbe Farbe einer Pflaume und ihr Geschmack lag irgendwo zwischen dem einer Mohrrübe und einer Zitrone.
Kris erklärte, dass der Regenwald eine große Vielfalt von Nahrung hervorbrachte, aber das meiste davon zwischen den dichten Zweigen und Blattwerk hängen blieb und nicht so einfach zu erreichen war. Auch war es nicht ratsam, sich auf der Suche nach Essbarem zu weit vom eigentlichen Weg zu entfernen.
Nach Sonnenuntergang bliesen die Moskitos zum Angriff. Also suchten sie Zuflucht unter Kris' Moskitonetz, Kris lag auf dem Rücken und eine sehr zufriedene Morgan in ihrem Arm.
Der nächste Morgen war wolkig und in der Ferne grollte Donner. Kris erwachte mit einem Schmerz im Rücken und der wundervollen Wärme von Morgans Atem an ihrer Brust. Christus! Ich bin verliebt! Dachte sie und ein einfältiges Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie strich zärtlich über Morgans Haar, erstaunt, dass dieses freundliche, zärtliche Wesen sie überhaupt lieben konnte. "Morgan, Liebling, es ist Zeit, aufzustehen," sagte sie sanft. Keine Antwort. Sie gab der Hängematte einen kleinen Schubs. "Süße, komm schon, es ist Morgen." Ein schläfriges Auge öffnete sich und sah Kris an.
"Morgen?" kam die grummelige Antwort von der noch immer bewegungslosen Gestalt.
"Genau," bestätigte Kris. Sie schob einen Arm um Morgans Schultern und den anderen unter ihre Beine, setzte sich auf und stellte ihre langen Beine auf den Boden, so dass die kleine Ärztin direkt in ihrem Schoß zu liegen kam. Arme schlangen sich zärtlich um Kris' Nacken und zogen sie in einen Kuss.
Kris schluckte den Knoten in ihrer Kehle hinunter und schaute über Morgans Kopf in die Dunkelheit des Waldes. "Du kennst mich noch nicht," quetschte sie schmerzlich hervor, ihr Körper versteifte sich aus Angst, Morgan zu verlieren.
"Doch, das tue ich. Ich habe mein ganzes Leben auf dich gewartet. Du kennst dich selber noch nicht, mein Jäger," argumentierte Morgan und zog die verunsicherte Kriegerin fester an sich. Kris hielt sie so fest, dass sie beinahe vor Schmerz aufschrie. Dann stand die ältere Frau auf, stellte Morgan vorsichtig auf den Boden, bückte sich nach ihrer Schiene und befestigte diese an ihrem Bein, während Morgan an Kris' Schultern Halt suchte. Es war komisch. Das hatte sie noch nie bei jemandem zugelassen. Sie wäre bei dem Gedanken, dass ihr jemand helfen würde, weil er glaubte, sie käme alleine nicht zurecht, ausgerastet. Sie ließ ja kaum jemanden wissen, dass sie überhaupt ein Problem hatte, wenn sie es vermeiden konnte. Doch als Kris sich ohne nachzudenken gebückt hatte, um ihr die Schiene anzulegen, war es keine Unverschämtheit. Es war wie bei einem Ehepaar, entspannt und angenehm in der Gegenwart der anderen.
Kris schaute auf und ihre Augen trafen sich. Für eine Minute fiel Morgan durchs Himmelblau, doch ihr Herz spürte die Hoffnung und den Schmerz, die darin schienen. Dann stand Kris auf und schaute sie errötend an. Sie zog von ihrem kleinen Finger einen Ring ab, nahm Morgans Hand und schob ihn über ihren Finger wie ein Hochzeitsgeschenk.
"Er gehörte meiner Mutter. Ich will, dass du ihn trägst. Gestern hast du mir ein wundervolles Geschenk gemacht und... und... ich möchte, dass du ihn dir ansiehst und weißt, dass dieser Augenblick immer etwas ganz besonderes in meinem Leben sein wird. Ich... ich... ich liebe dich, Morgan."
Morgan war viel zu gerührt um auch nur ein Wort herauszubringen. Sie schob sich zwischen die Arme ihrer Liebsten und drückte sie fest an sich. Nach einer langen Weile schob sie Kris sanft von sich. "Geh und mach dich fertig. Du baust das Camp ab. Ich werde mich ein wenig flussabwärts umsehen und schauen, wie dicht wir am Orinoko sind."
Morgan nickte noch immer sprachlos über Kris' plötzliche Geste von Liebe. Sie beobachtete, wie Kris in einen leichten Lauf verfiel und zwischen den Zweigen verschwand. Der Donner war näher gekommen und Wind war aufgekommen, der Wald war eine grüne Wand voller Bewegungen. Morgan lächelte. Das war also die Liebe. Wow! Dann seufzte sie und wandte sich der Aufgabe zu, die Zelte abzubrechen.
*********
Kris beobachtete aus der Dunkelheit des Waldes heraus, wie die drei Männer ein langes Kanu auf das Ufer des Orinoko herauf zogen. Sie hatte einen dicken Knoten in der Brust. Sie kannte dieses Kanu. Es war eines von Fernandos. Sie konnte nicht glauben, dass entweder Fernando oder Carlos sie verraten würden. Das bedeutete, sie waren tot oder schlimmeres. Zorn kroch in ihr hoch, den sie sorgfältig in ihrer Seele verschloss. Eine namenlose Wut, deren beängstigende Wucht zuzunehmen schien, je mehr sie an Stärke gewann. Sie hätte gerne mit ihnen verhandelt, aber sie wollte Morgan nicht so lange alleine lassen.
Wo war Rodreque? Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er zu stolz dazu war, jemand anderem den Triumph zu gönnen, die Kriegerin getötet zu haben. Nein, er hatte sie geschaffen und ihm gebührte als einzigem das Recht, sie zu zerstören. Das war sein Weg. Die dort waren nur seine Statisten.
Plötzlich fuhr ihr die Angst in die Glieder. Er würde wohl tun, was sie gerade tat, sich umsehen. Er würde inzwischen auch wissen, dass sie den Fluss verlassen hatten. Er hatte es sicher auf die eine oder andere Weise aus der Indianerfamilie herausgebracht.
Morgan!
Kris drehte sich um und verschwand lautlos zurück in den Wald und so bald sie sicher war, lief sie los.
Sie hörte zuerst Morgans Stimme, die voller Angst ihren Namen rief. Der Klang brannte sich in ihr Herz, als sie am Flussufer entlang durch den Wald stürmte und schließlich auf die Lichtung brach, auf der sie ihr Camp errichtet hatten.
Morgan lag auf dem Rücken und ein kräftiger Mann kniete über ihr, hielt ihre um sich schlagenden Arme fest und lachte ihr ins Gesicht. Blut tropfte an Morgans Mundwinkel herunter und der alptraumhafte Ausdruck in ihren Augen zeriss Kris beinahe. Mit einem animalischen Schrei schoss sie über die Lichtung und stürzte sich mit all ihrer Kraft auf Rodreque. Sie fielen übereinander her und trennten sich erst an der Uferlinie.
"Kristinia! Ich dachte, du wärest tot. Die Tochter des Untiers! Du hast mehr Leben, als eine Katze!" Er lächelte sie stolz an, doch sein Lächeln war kalt und berechnend.
Kris' Gesicht war weiß und vor Wut verzerrt.
"Kris?" Eine ängstliche Frage einer kleinen Stimme hinter dem roten Schleier, der ihren Blick trübte.
"Begrüße meinen Vater, Morgan. Sie nennen ihn das Untier, weil er und seine Gefolgsleute die Diener des Satans sind."
Der stattliche, kräftige Mann brach in gurgelndes Gelächter aus. "Sehr poetisch, mein Liebling. Darf ich dich daran erinnern, dass man dich jetzt die Kriegerin nennt, oder nicht? Diese armen, pathetischen Seelen, die bei dir Hilfe erflehen. Glaubst du wirklich, dass das all das Blut von deinen Händen waschen kann, Kristinia?" Er schüttelte ungläubig seinen Kopf.
"Nein, das glaube ich nicht," presste Kris zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Du hättest soviel Verstand haben und verschwinden sollen, mein Schätzchen. Schon als ich das erste mal von der Kriegerin gehört habe, wusste ich, dass du am Leben bist. Komm zurück zu mir, du liebst doch die Macht, das Blut. Ich kenne den Zorn, den du versuchst, zu kontrollieren," flüsterte er und tippte sich gegen die Brust. "Hier drin. Mir geht es doch genauso. Das hat Rodreque groß gemacht! Komm, meine Kristinia, stille deinen Hunger."
"Ich kann damit leben," grollte Kris und schüttelte sich, im Bemühen um Kontrolle. "Du willst mich nur benutzen und wenn ich dir nicht länger dienlich bin, dann wirst du mich töten, so, wie du Neil getötet hat."
Der große Mann lächelte böse, "Du hast Neil getötet, meine Schöne. Er hat dir vertraut, dass du dich um ihn kümmerst und du hast ihm genügend Dreck in die Adern gejagt, dass sein Herz davon explodiert ist."
Tränen liefen über Kris' Gesicht und sie schüttelte langsam den Kopf.
Plötzlich stand Morgan vor ihr. "Lass uns in Ruhe, du Bastard!" schrie sie und griff nach der Frau, die sie liebte. Kris' zitternde Hände fielen nach Unterstützung suchend auf Morgans Schultern. Dieselben blauen Augen ihrer Liebsten, die eben noch hart und kalt waren, weiteten sich vor Überraschung und glühten dann kurz von Innen heraus warm auf.
"Also Kristinia, ich sehe, dass du noch immer deinen perversen Spielchen nachhängst," er lachte leise. Seine Augen glitten über die Frau, die sie liebte, hinweg, aber ohne Leidenschaft und Wärme. "Ich werde mich an ihr ergötzen. Oft."
Morgan spürte die Kraft der Wut, die augenblicklich den Körper der Kriegerin durchfuhr. Sie strahlte von Kris bis in Morgans Rücken aus. "Fass sie an und ich werde dich vernichten," klang es mit rauer Stimme.
Die Augen des Untiers leuchteten auf, "Aber ich hatte doch schon so eine reizende, kleine Kostprobe, nicht wahr, Blondie? Ich wollte ihr gerade etwas Gehorsam beibringen, als du ankamst."
Durch die Luft fuhr ein gellender Schrei und Morgan wurde beiseite gestoßen, als Kris sich auf ihren Vater stürzte. Ein Messer erschien in Rodreques Hand, gerade als Kris bei ihm ankam und sie beide über die Steine rollten. Eine blutige Spur markierte ihren Weg, sie rollten über das Ufer, kamen wieder auf die Füße und stachen auf einander ein. Blut lief über Kris' Seite.
"Diesmal überlebst du nicht, mein Schatz," schnarrte Rodreque und schwang das Messer gegen Kris' Bauch. Kris sprang zurück. "Ich war so sicher, dass ich dich getötet hätte. Ich hätte wissen müssen, dass die Tochter des Biestes nicht von ein paar lächerlichen Kugeln getötet werden kann!" Er stach erneut nach ihr, dieses Mal hinterließ die Schneide eine Blutspur auf ihrem Unterarm. Kris verlagerte ihr Gewicht und trat den Drogendealer in den Unterleib. Er brüllte vor Wut und stürzte sich auf sie, beide fielen aufspritzend ins Wasser. Kris nutzte das tiefere Wasser zu ihrem Vorteil und tauchte unter Rodreque hindurch, bevor sie hinter ihm wieder an die Oberfläche kam.
Sie zog ihr Messer vom Gürtel...
Morgan beobachtete voller Panik, wie die beiden unter Wasser verschwanden. Dann schossen sie wieder hervor, der Ausdruck auf Kris Gesicht war derselbe, wie in der Nacht, als sie den Jaguar getötet hatte. "Nein! Kris, tu es nicht!" schrie Morgan voller Angst, als das Messer in Kris' Hand durch die Kehle des Mannes fuhr, der ihr Vater war.
Ein einziger, sauberer Schnitt. Blut spritzte über Kris Arm mit dem sie den zappelnden Mann unter Wasser festhielt. Schließlich ließ sie den leblosen Körper los. Er fiel zurück in den Fluss und glitt über die Steine, vorbei an Morgan und in das untere Becken.
Kris wusch sich rasch Rodreques Blut von den Armen und ihrem Messer und stürzte zu Morgan, die zusammengekauert am Ufer saß und weinte.
Gott! Lass ihr nichts geschehen sein, bitte! Betete sie und ihr Magen drehte sich vor Angst um. Sie ließ sich neben Morgan fallen. "Liebling? Bist du OK?" fragte sie besorgt und streckte eine Hand aus, um sie ihr auf die Schulter zu legen. Morgan zuckte zurück und schaute Kris an, als wäre sie ein rasendes Monster.
"Geh weg! Du hast ihn umgebracht wegen mir. Du hast ihn getötet! Mein Gott!" schluchzte Morgan. Kris startete einen erneuten Versuch, öffnete den Mund um zu erklären, aber Morgan schrie auf und rollte sich dann zu einem kleinen, schluchzenden Ball zusammen.
Der Schock fuhr durch Kris' Seele und legte sich mit festem Griff auf ihre Brust. Alle Festungen, die sie in ihrem Inneren aufgebaut hatte, stürzten zusammen. Sie schluckte. Dann schluckte sie noch einmal. Ihre Augen verwandelten sich in zwei kalte Steine und ihre Maske, die sie in ihrer Vergangenheit schon zu oft getragen hatte, erschien wieder und begrub alle Emotionen tief in ihrem Sein.
Sie stand schmerzerfüllt auf und ging zu ihren Taschen. Erschöpft von der Anstrengung und dem Blutverlust verdrängte sie den Schock und konzentrierte sich darauf, das Verbandszeug zu finden. Plötzlich schoben schmale, zitternde Hände die ihren beiseite und sie hielt still, um die Ärztin nach ihrem Wunden schauen zu lassen.
Keine von ihnen sprach.
Keine versuchte, Blickkontakt herzustellen. Kris starrte auf Morgans Mundwinkel, von dem eine dünne Blutspur zum Kinn lief. Sie konnte ihren Blick einfach nicht davon abwenden, obwohl ihr der Anblick tief in der Seele weh tat. Morgan schluchzte während ihrer Arbeit, ihre Hände zitterten und sie war verkrampft. Wieder war alptraumhafter Horror in ihr Leben eingebrochen.
Kris bewegte sich weder, noch gab sie einen Ton von sich. Ihr Körper war kalt und steif, wie ein Leichnam.
Als sie fertig war, erhob sich Morgan unsicher und hinkte zum Waldrand, wo sie ihre Sachen hatte liegen lassen. Dort brach sie zusammen und weinte sich die Seele aus dem Leib.
Eine Zeitlang lag Kris auf den Steinen in ihrem eigenen Blut und hörte Morgan schluchzen. Ihre Augen starrten blicklos in den grauen Himmel. Dann biss sie die Zähne zusammen und mit einem Schnauben zwang sie sich aufzustehen und ging zu Morgan hinüber.
Die Kriegerin griff Morgan beim Hemd, zog sie auf die Füße und schüttelte sie hart.
"Hör auf damit! Hör auf!" kommandierte sie und die verängstigte Ärztin atmete entsetzt ein und schluckte ihre Tränen hinunter. Sie schaute in die kältesten, mörderischsten Augen, die sie jemals gesehen hatte und ihr blieb das Herz stehen. Kris schüttelte sie noch einmal. "Halt den Mund! Das meine ich ernst! Jetzt geh und pack deine verdammten Klamotten zusammen, wir verschwinden von hier!"
Der Regen setzte kurz nach ihrem Aufbruch ein. Kurze harte Schauer lösten sich mit Augenblicken stickiger Hitze und Feuchtigkeit ab. Die Insekten umschwärmten sie und ihr Summen trieb Morgan beinahe ebenso in den Wahnsinn, wie ihre Stiche.
Jeder Moskito, den sie erschlug schien die anderen nur zu ermutigen, statt sie zu vertreiben. Und dann war da dieses Schweigen, wie eine riesige Leere zwischen ihnen. Kris ging auf dem unwegsamen Pfad voran und schien sich kaum darum zu kümmern, ob Morgan, emotional erschöpft wie sie war, kämpfen musste, um wenigstens in Sichtweite zu bleiben.
Sie erinnerte sich nicht einmal richtig an ihren Aufbruch. Erinnerte kaum, was geschehen war, nachdem dieser Mann aus dem Wald gekommen war. Alles vermischte sich irgendwie mit jener Nacht ihres Unfalles. Ricky wurde getötet, weil sie auf ihrem Spaziergang auf der Brücke im Schneetreiben bestanden hatte. Sie hatten beschlossen, die Brücke zu überqueren und über den Hügel in ein Café zu gehen... sie schossen auf ihn, wegen seiner Jacke, weil sie einfach gerade so vorbeigefahren waren... er starb in ihren Armen, während der Wagen über sie hinweg fuhr... Kris hatte ihren eigenen Vater umgebracht... noch ein Tod... wegen ihr.
Was war zwischen ihr und Kris geschehen? Was hatte sie gesagt? Kris hatte versucht, mit ihr zu reden. Versucht, ihr zu helfen. ‚Du gottverdammte Angeberin!' Nein, das war an ihrer ersten Brücke. Warum griff sie Kris immer an? Tränen liefen über ihr Gesicht und ihr Schluchzen schüttelte schmerzhaft ihre Brust. Oh, Gott! Was habe ich getan?
Sie errichteten das Camp im Dschungel. Für ein Feuer war alles viel zu nass. Getrennt aßen beide in ihren Hängematten unter ihren Netzen, weit entfernt voneinander und von den Insekten. Kauten auf dem getrockneten Affenfleisch herum. Morgan schluckte es herunter und legte sich dann schweigend nieder und starrte auf die andere Hängematte in einiger Entfernung. Von dort her kam kein Geräusch, keine Bewegung. Es wurde eine lange Nacht.
Als die Sonne endlich aufging, war Morgan erleichtert, dass sie sich aus der unbequemen Hängematte schälen konnte. Sie reinigte sich, so gut sie konnte und durchsuchte dann die Taschen nach etwas, woraus sie Frühstück bereiten konnte.
Ein Geräusch erweckte ihre Aufmerksamkeit und sie entdeckte aufschauend ein riesiges, ekelhaft anzusehendes Tier von der Größe eines Ponys das sich an der Hängematte zu schaffen machte, in der Kris noch immer zu schlafen schien. Morgan griff sich einen Stock vom Boden und stellte sich mit dem Rücken zur Hängematte vor das Monstrum von Tier, die Waffe erhoben. Die lange, graue Schnauze des Tieres schnupperte in die Luft und es hob einen Vorderhuf, um näher zu kommen. Morgan hob den Stock noch höher, bereit, die schlafende Frau zu verteidigen.
Plötzlich wurde ihr die Waffe aus den Händen gerissen und die große Führerin war an ihrer Seite. "Das ist ein Tapir, um Gottes Willen. Lass ihn in Ruhe," murmelte sie ärgerlich. "Er ist harmlos. Sie fressen Blätter," schnappte die erschöpfte Kriegerin und scheuchte die sanfte, graue Kreatur von ihrem Camp fort.
"Ich wollte dich nur beschützen!" schoss die überanstrengte Ärztin zurück.
Kris drehte sich ärgerlich herum und schlurfte auf Morgan zu, das Gesicht kalt und hart. "Ich brauche keinen Schutz. Ich brauche dich nicht. Ich brauche niemanden," schnaubte sie. "Mach dich fertig, noch einen halben Tagesmarsch und wir werden im Dorf ankommen. Dann kannst du nach deiner blöden, geheimnisvollen Pflanze suchen," spie Kris hervor und ging an Morgan vorbei, um ihre Hängematte zusammenzurollen. Morgan wandte sich schweigend um und packte ihre Tasche zusammen, ihr Herz war so schwer wie deren Gewicht.
************
Die Yanamamo lebten in Palisadendörfern. Sie waren kleine Menschen und im Gegensatz zu der Indianerfamilie, die sie vorher getroffen hatten, trugen sie keine alte europäische Kleidung. Tatsächlich trugen sie eigentlich kaum etwas. Sie begrüßten Kris mit einer eigenartigen Mischung aus Aufregung und Furcht. Sie gesellte sich zu ihnen und unternahm nicht den geringsten Versuch, ihre üble Laune zu verbergen. Mit Morgan redete sie kaum, sie instruierte sie lediglich, wohin sie ihre Sachen bringen sollte und verschwand dann, um mit den Männern zu reden.
Im Inneren verliefen entlang der Palisade Plattformen, es schien, als würde jeweils einer Familie eine dieser Plattformen zugeordnet sein. Die Frauen und Kinder schienen sich nicht unter die erwachsenen Männer zu mischen, es sei denn, die Männer suchten sie auf. Morgan saß still inmitten der interessierten Kinder. Sie lächelte ihnen zu und spielte ein Seilspiel, um sie zu erheitern, während sie Kris beobachtete. Diese verhielt sich merkwürdig ruhelos.
Normalerweise war sie still, aufmerksam und kontrolliert. Heute war sie laut und aggressiv. Zur Essenszeit kam sie mit Speisen zu Morgan, nachdem sie mit den Männern gegessen hatte.
"Kris, was ist los?"
"Nichts."
Morgan aß schweigend und zwang sich die verkohlten Fleischstücke hinunter, die ihr Kris auf einem Bananenblatt gebracht hatte.
"Bitte sei vorsichtig. Ich glaube... irgend etwas stimmt hier nicht," sagte Morgan leise.
Kris schnaubte. "Oh ja, seit wann bist du denn so eine Expertin für die Kulturen des Amazonas? Hier ist alles in bester Ordnung. Wie gewöhnlich. Die Männer werden heute Abend ein wenig high und morgen werden sie ein Dorf etwas den Fluss hinunter überfallen. Nett, nicht wahr, Morgan, ich werde noch mehr Menschen töten können," grinste sie und schaute düster auf Morgan herunter, die an einer Ecke der Plattform stand.
Morgan leckte sich über die Lippen, "Kris, tu das nicht," bat sie, stieg hinauf und kam heran, um den Arm der größeren Frau zu berühren. "Um Gottes Willen, Kris."
Kris schüttelte sie unwillig ab. "Ich tue, was zur Hölle ich tun will. In der Tat, ich glaube, ich werde ihre Einladung zum Rauchen heute Abend annehmen." Konstatierte die Kriegerin und schaute hinüber zu den Männern, die dabei waren, eine getrocknete Pflanze zu Pulver zu zerreiben und kleine Pfeifen hervor zu suchen. "Ich werde die ganze Realität zur Hölle qualmen," schloss sie und wandte sich der Fläche zu, auf der die Männer saßen.
Plötzlich stand die kleine Ärztin direkt vor ihr, "Zur Hölle wirst du das. Hör auf, dir selber leid zu tun, verdammt!" schrie Morgan und schlug auf Kris ein. Die Kriegerin griff nach den Fäusten und eine Sekunde glaubte Morgan, ihr letztes Stündlein habe geschlagen. Zorn wallte von Kris auf wie eine Strahlung, dann wurde ihr Gesicht weich und sie zog die schmale Frau an sich, beugte sich herab und küsste sie mit vorsichtiger, hungriger Zärtlichkeit. Sie wich zurück und schaute zu den Männern. "Bleib bei den Frauen. Dann bist du sicher."
"Kris, bitte," bettelte die jüngere Frau und hielt die Kriegerin am Arm fest.
Kris' Gesicht war ausdruckslos. "Tu, was ich dir sage," grollte sie leise und zog sich dahin zurück, wo die Männer saßen.
Die Holzpfeife wurde an Kris weiter gereicht. Sie hielt ein Ende an ihre Nase und der Mann blies kurz in das andere Ende der Pfeife. Kris verzog das Gesicht, als die pulverisierte Droge auf ihre Schleimhäute traf und ein plötzlicher Schmerz durch ihren Kopf schoss.
Sie wartete und schon bald verschwamm die Umgebung leicht und Farben flossen durch ihren Blick. Sie glitt in eine andere Welt hinüber. In die Welt ihres Bruders, die Welt, die sie niemals hatte besuchen wollen, das hatte sie sich geschworen. Sie mochte das Gefühl nicht, das es bei ihr verursachte.
Warum war sie hier? Oh, ja, wegen Morgan, die gesagt hatte, sie liebe sie und die dann entdeckt hat, wer du wirklich bist. Beschleunigter Herzschlag, vielleicht wird es mich umbringen. Warum hat sie versucht, mich aufzuhalten?... Warum hat sie sich von mir küssen lassen?... Ich wollte es verletzend, hart. Statt dessen habe ich sie geküsst, wie eine Geliebte.... Läuft meine Nase?.... Sie hat sich küssen lassen, wie von einer Geliebten? Dumm, ich kann nicht so gut aufstehen. Ich will sie fragen, warum.
"Morrrrr........?"
Morgan beobachtete voller Angst und nervösem Widerwillen, wie Kris dem Indianer erlaubte, ihr die Droge in die Nase zu blasen. Kris, Scheiße, mach das nicht! Ich wollte dir nicht weh tun. Du bist kein Monster, aber ich schaffe es, dass du dich wie eines fühlst, nicht wahr?! Ich habe dir nie eine Chance gegeben, oder?
Sie sah, wie Kris unsicher versuchte, auf die Füße zu kommen, ihre benebelten Blicke suchten die ihren.
"Morrrrr........?"
"Ich bin hier. Komm, lehn dich an mich. Hier herüber, nein, diesen Weg. OK. Leg dich einfach auf diese Plattform. Lass mich deinen Blutdruck messen. Verdammt, Kris, was hast du da genommen?! Lass mich dich abhören!" Warme Finger schlüpften unter ihr Shirt.
"Ich liebe dich, weißt du," murmelte die völlig weggetretene Kriegerin und verlor hin und wieder das Bewusstsein.
"Ich liebe dich auch, Kris. Sehr sogar," flüsterte die Ärztin und wünschte, sie hätte etwas, was sie der geliebten Frau geben könnte, und das half, den Stoff schneller aus ihrem System zu ziehen. Sie nahm ein Taschentuch und wischte den Staub aus Kris' Gesicht. Dann nahm sie eine erneute Messung vor.
"Nun, wenn das nicht Kris Rodreque ist, platt auf dem Rücken und so verletzbar! Hätte nie gedacht, dass irgend jemand das noch erleben würde!" lachte ein rauer, dreckiger Mann, der auf die Plattform trat, um auf Kris herunter zu sehen. Er lachte noch mehr und winkte seinen beiden Kumpanen, einem der Dorfbewohner einen Sack zu übergeben. Der Indianer lächelte und trollte sich davon.
"Es ist eine Falle," wisperte Morgan leise, als ihr die Entdeckung klar wurde. "Kris, es ist eine Falle!!" schrie sie und schüttelte die selbstvergessene Frau an den Schultern. Der Mann stieß ein hartes Lachen aus, das sich immer mehr zu einem Grölen verzerrte, trat vorwärts und fing an, mit unbarmherziger Kraft auf Kris' Körper einzuschlagen. Sie rollte wie ein Ball und jaulte vor Schmerzen auf. "Dein Vater dachte, er hätte dich erledigt, aber statt dessen hast du ihn umgebracht, nicht wahr? Du Schlampe!"
Morgan sprang auf und schlug auf den Mann ein. "Lass sie in Ruhe, du Bastard!" schrie sie.
Der Mann griff nach ihr und warf sie zur Seite. Mit einem Knacken schlug ihr Kopf gegen einen Stein, ein kurzes, feuriges Aufleuchten vor Schmerz und dann Dunkelheit vor ihrem Blick. "Kris!" schrie sie, so laut sie konnte, bevor sie endgültig in die kalte Asche stürzte. Durch ihren halb bewusstlosen Zustand hörte sie einen Wutschrei. Schnapp sie dir, Kris, dachte sie und dann war alles still und dunkel...
**********
Grobe, unkoordinierte Hände hielten sie und wischten mit einem feuchten Lappen über ihr Gesicht. Sie öffnete die Augen und schaute in verwirrte Bläue, die vor Tränen überlief. "Nicht sterben, Morgan," schluchzte eine Stimme lallend.
Morgan schloss ihre Augen gegen den Schmerz, der ihr durch den Kopf schoss, als sie unweigerlich kichern musste. Schöne Heldin, das. High bis zum Stehkragen und kaum in der Lage, ihren Verstand beieinander zu halten. Sie stöhnte, setzte sich auf und lehnte sich gegen ihre halluzinierende Freundin.
"Ich bin OK, Kris," beruhigte sie ihre Liebste, die ihren schmerzenden Kopf mit beiden Händen festhielt. "Hey, nicht so fest!" kicherte sie sanft und wich ein wenig zurück, um das Lächeln auf Kris' Gesicht zu sehen. "Hast du sie in den Hintern getreten, meine Kriegerin?" fragte sie und schaute nach, ob Kris verletzt war.
"Yup," murmelte Kris und sah herunter, ihr Körper verkrampfte sich plötzlich.
Morgan kämpfte ihre augenblickliche Reaktion nieder. "Gut," sagte sie statt dessen mit soviel Zufriedenheit, wie sie fertig bringen konnte. Kris schaute verwirrt und desorientiert in ihr Gesicht.
"Du bist nicht böse?" fragte sie.
Morgan betrachtete sehr angelegentlich etwas auf Kris' Schulter. "Ich schätze Gewalt nicht, Kris. Das macht mir Angst." Sagte sie und schaute der Freundin in die Augen. "Und ich glaube, du auch nicht, sonst hättest du dein früheres Leben nicht aufgegeben. Also denke ich, wenn du hier Gewalt für notwendig erachtet hast, dann wirst du einen bestimmten Grund dafür gehabt haben," stellte Morgan fest und umfing Kris' Wangen mit ihren Händen. "Wenn du dich besser fühlst, dann reden wir darüber."
Kris lächelte und lehnte sich benommen an die Palisadenwand und Morgan kuschelte sich an sie, ihren Kopf an Kris' Schulter und ihren Arm fest um ihre Mitte geschlungen. Kris lächelte und ließ die Farben vor ihren Augen tanzen und ihr Körper entspannte sich an der Seite ihrer Liebsten.
Die Sonne strahlte in Kris' geöffnete Augen. Sie war schon seit ein paar Stunden wach und hatte nur dagelegen, zufrieden, die schlafende Ärztin in den Armen zu halten. Sie hatte sich wie eine Närrin aufgeführt, gestern, und hatte ihres und Morgans Leben dadurch in Gefahr gebracht.
Komisch, noch vor einem Monat wäre ihr dies völlig egal gewesen. Sie war des Lebens auf der Flucht überdrüssig. Aber nun, nun gab es da Morgan und alles hatte sich verändert.
Sie seufzte und schaute nach unten und entdeckte, dass grüne Augen zu ihr aufsahen. "Bist du OK, Liebes?" fragte ihre Liebste.
Kris nickte und lächelte unsicher, "Ja, dank dir. Ich habe mich gestern ziemlich blöd benommen, Morgan. Es tut mir leid."
"Ich habe auch ziemlich blöd reagiert. Mir tut es auch leid," echote die kleinere Frau. "Können wir reden?"
Kris nickte, doch für einen langen Moment sprach keine von beiden. Dann begann Kris leise, "Mein Bruder hatte einen Deal vereinbart, bei dem mein Vater an die Behörden ausgeliefert werden sollte. Ich weiß nicht wie, aber Dad fand es heraus. Neil ging es wirklich schlecht und ich versorgte ihn mit Stoff, so dass er wenigstens nicht an schlechtes Zeug oder eine Überdosis rangekommen ist. Ich dachte, ich könnte ihn überzeugen, in eine Klinik zur Behandlung zu gehen. Egal, mein Vater ersetzte ohne mein Wissen seinen Stoff mit einer tödlichen Mischung und dann hat er mich meinen eigenen Bruder mit dieser mörderischen Injektion umbringen lassen.
"Kris, dass ist furchtbar! Das ist unmenschlich!" flüsterte Morgan schockiert und hielt ihre Jägerin fest.
Kris lachte schrecklich, "Er war ein Drogenboss. Seine Freundlichkeit ging unter die Haut und die Bedingung für seine Liebe war absolute, blinde Loyalität. Er hat Neil nie geliebt und er konnte sehen, dass ich mich veränderte. Er musste seinen Zugriff auf mich sichern, also hat er Neil beseitigt und mich dafür benutzt. Und ich habe es getan, der Mann war wirklich klug."
"Was hast du getan, Kris?" fragte Morgan, ihr Kopf lag im Schoß ihrer Seelengefährtin, die abwesend mit ihren Haaren spielte.
Die Hand stoppte. "Nach der Beerdigung habe ich ihn in die Berge gefahren und ihm gesagt, dass ich den Rest meines Lebens damit verbringen werde, ihn hinter Gitter zu bringen, wegen Neils Tod."
Morgan schaute auf. "Das war sehr mutig."
"Nein, es war dumm. Er zog eine Pistole und schoss zweimal auf mich und ließ mich auf den Tod verwundet in einer Schlucht liegen."
"Oh, Gott, Kris! Wie schrecklich!" stöhnte Morgan und hielt ihre Partnerin fest an sich gedrückt. Die Hand begann wieder, ihr übers Haar zu streichen.
"Auch nicht schlimmer als das, was du durchgemacht hast. Jedenfalls, ein Hirte hat mich gefunden und mich in die Missionsklinik gebracht. Es hat lange gedauert, bis ich wieder gesund wurde. Ich habe meinen Namen geändert und verschwand. Meistens habe ich als Führerin gearbeitet, während ich Beweise dafür suchte, dass mein Vater Neil umgebracht hat... Morgan!"
"Hmmm," kam die leise Erwiderung.
"Wegen neulich..."
"Ich weiß schon, es spielt keine Rolle, dass Rodreque dein Vater war. Du musstest ihn töten, denn sonst hätte er erst dich und dann mich umgebracht." Morgan schaute in schmerzerfüllte Augen und lächelte sanft. "Du hast die Chance für dein eigenes Leben ergriffen, aber du bist nicht verantwortlich für meines. Es tut mir leid, dass du es tun musstest, Kris, aber ich verstehe es. Neulich... irgendwie hatte sich alles mit meinen eigenen Alpträumen verbunden und ich wusste nicht, wie ich da durchkommen sollte. Bitte, verzeih mir Kris. Bitte," flüsterte Morgan ernst.
Kris beugte sich über sie und hauchte einen Kuss auf Morgans Stirn. "Nur, wenn du auch mir vergibst, dass ich mich benommen habe wie eine Idiotin," seufzte Kris leise.
Morgan drehte ihren Kopf und fing Kris' Lippen ein. "Ich liebe dich."
Kris lächelte die Frau an, die ihren Schoß als Kissen benutzte. "Ich liebe dich auch."
Einen langen Augenblick saßen sie beieinander und schauten zu, wie das Dorf langsam zum Leben erwachte. Die Yanamamo hielten sich wohlweislich fern von der Kriegerin, deren Wut sie gestern erlebt hatten und fürchteten, dass sie an ihnen Rache dafür nehmen würde, dass sie sie an Rodreques Männer verraten hatten.
"Was ist eigentlich aus den drei Typen geworden?" fragte Morgan und schaute Kris an.
"Ich habe ihnen die Waffen abgenommen und sie laufen lassen. Ich habe seit zwei Jahren unter Todesurteil gestanden und ich hoffe, dass es nun vorbei ist und ich mit meinem Leben wieder beginnen kann." Kris zog Morgan fester an sich. "Ich kann mich darauf aber nicht verlassen, Morgan. Dieser Typ, der dich geschlagen hat, sein Name ist Bogara, Juan Bogara. Er war wirklich loyal meinem Vater gegenüber... ich weiß es nicht," sie verstummte, schluckte hart und zog Morgan noch fester in ihre Arme. "Wenn er dich ernsthaft verletzt hätte... ich weiß nicht, wie ich damit umgegangen wäre. Morgan, ich kann nicht... ich liebe... ich will nicht, dass du..."
Morgan strich Kris sanft mit ihren Fingern über die Lippen. "Kris, wenn mein Leben in Gefahr wäre, wo würdest du dann sein wollen?" fragte sie und forschte in den schmerzerfüllten blauen Augen nach der Antwort, die sie bereits kannte.
"Das ist etwas anderes," protestierte Kris ernst.
"Warum?" fragte Morgan überrascht, setzte sich auf und schaute Kris an.
"Weil du eine Ärztin bist und weil deine Forschungen den Menschen helfen werden und weil du einfach ein guter Mensch bist. Du verdienst das Beste in deinem Leben, Glück, Sicherheit. Ich dagegen, ich habe schlimme Dinge getan und ich verdiene, was ich bekomme, mehr als das. Ich will nicht, dass du für meine Verbrechen büßen musst." Erklärte die dunkelhaarige Frau und starrte auf einen Grashalm, den sie zwischen ihren Fingern drehte.
Zu ihrer Überraschung spürte sie, wie sie von der kleineren Frau am Hemd gefasst wurde die voller Wut daran zerrte. "Pass mal auf, Thanasis. Du ziehst hier über die Frau her, die ich liebe! Und ich werde dich damit nicht davon kommen lassen. Kris ist zärtlich, intelligent und verantwortungsvoll. Und alles, was sie früher getan hat, ist dem schlechten Einfluss ihres Vaters anzulasten und hat sich gegen ihre freundliche Seele gewendet. Ich glaube an diese Kris. Das meine ich wirklich! Erzähl mir also nie wieder so einen Mist! Verstanden?!"
Kris schaute voller Überraschung und Verwunderung in Morgans walddunkle Augen. "Morgan, ich weiß nicht, ob ich diese Person kenne, die du liebst." Protestierte sie.
Morgan schlang ihre Arme um ihre verunsicherte Liebste. "Ich bin willens, die Chance zu ergreifen. Ich glaube an dich, Kris. Wenn du mir ehrlich sagen kannst, dass du mich nicht mehr liebst, dann werde ich meiner Wege gehen. Anderenfalls jedoch, werde ich an dir kleben wie Pech!"
Kris schlang ihre langen Arme um Morgan und barg ihren Kopf im weichen Haar der Freundin. "Ich werde niemals aufhören, dich zu lieben, mein Herz. Du bist mir mehr als nur Geliebte und Freundin. Ich fühle mich... an dich gebunden," sie wich zurück um zu sehen, wie Morgan dieses Geständnis aufnehmen würde.
Diese lächelte und nickte. "Meine Seelenverwandte."
Und Kris lächelte auch.
Morgan schlüpfte an Kris' Seite unter ihre starken, schützenden Arme. Die Minuten vergingen und sie saßen in angenehmem Schweigen nebeneinander. "Kris, du wirst nicht wieder Drogen nehmen, oder?"
Kris wurde steif. Nun, ich glaube, das musste kommen. "Ich habe noch nie welche genommen und Gott weiß, dass ich alle Möglichkeiten dazu gehabt hätte. Gestern dachte ich, ich hätte deine Liebe verloren," erklärte Kris und kämpfte mit ihrer Verlegenheit. "Ich wurde einfach nicht damit fertig, dass der Mensch, den ich liebe, mich nicht lieben kann, weil ich... ich dachte, wenn du den teuflischen Teil meiner Seele kennen gelernt hast, dass... ich wollte sterben."
"Oh Kris! Es tut mir leid, dass ich dich so verletzt habe. Ich weiß, was du getan hast... ich finde es nicht gut. Aber das war in deiner Vergangenheit und ich will so gern Teil deiner Zukunft sein, wenn du mich lässt."
Kris schaute auf Morgan, ihre eisblauen Augen erfüllt von Schmerz und Sorge. "Alles, was ich dir anbieten kann, Morgan, ist ein Tag nach dem anderen. Meine Taten, was ich war... ich werde mich dem früher oder später stellen müssen. Ich kann dir nichts Dauerhaftes versprechen." Kris spürte, wie der kleine Körper neben ihr zitterte.
Morgan schluckte und zwinkerte die Tränen zurück. "OK. Das ist nicht das, was ich will, aber wenn es das ist, was du anbieten kannst, dann werde ich es fürs erste annehmen müssen."
Sie setzte sich mit einem tiefen Atemzug auf und sah sich um. "Müssen wir hier bleiben, Kris? Nach gestern... ich wäre lieber irgendwo anders."
Kris betrachtete ihre angeschlagene Liebste und ihr Herz zog sich vor Sorge zusammen. Wahrscheinlich ist es besser so... sei ehrlich zu ihr. Oder? "Sicher können wir weiterziehen, ich kenne einen Ort. Erzählst du mir jetzt was über deine geheimnisvolle Pflanze?"
Morgan drehte sich um und schaute Kris überrascht an. "Kris, es tut mir so leid! Ich habe ganz vergessen, dass ich es dir noch nicht erzählt habe! Aber nach allem, was passiert ist..." sie griff in ihren Rucksack und zog ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor. "Dies habe ich in einem alten Journal eines Mannes namens Ellburn gefunden," erklärte Morgan und gab es der Jägerin.
Kris faltete ein viktorianisches Aquarell einer Pflanze auseinander. Sie war nur durch das Datum identifiziert, an dem sie gefunden worden war und durch den Längen- und Breitengrad des Fundortes, die recht dicht an diesem Gebiet lagen, in dem sie sich im Moment befanden. Sie studierte die Pflanze genauer. "Das ist Katzenpfote," sagte sie schließlich und gab Morgan die Zeichnung zurück.
"Du kennst diese Pflanze?!" rief Morgan aus.
"Ja, sie wächst hier überall, warum?" fragte Kris desinteressiert.
"Sie hilft wahrscheinlich bei der Heilung von Krebs." Erklärte Morgan.
Kris schaute auf, um zu sehen, ob ihre Freundin das ernst gemeint hatte. Dieser Blick, der auf ihr ruhte, war durchdringend und besorgt.
"Wirklich?"
"Letztes Jahr wurde eine Gruppe Indianer in Nord-West-Peru von einem medizinischen Forschungsteam untersucht und beobachtet. Man war überrascht, dass es im Stamm offensichtlich keine Anzeichen für irgendwelche Krebserkrankungen zu geben schien. Der Schamane sagte, dass es daran liege, dass sie eine ähnliche Pflanze wie diese als Nahrungsmittelzusatz verwenden würden. Aber bevor die Forschungen vollständig beendet werden konnten, setzte eine Holzfirma das Gebiet zur Rodung in Brand, auf dem die Pflanze wuchs. Diese Spezies," sagte Morgan und tippte auf das Blatt Papier, "sieht ihr sehr ähnlich. Wir wollen sie untersuchen."
Kris seufzte und schaute in die Ferne. Heute schien der Tag der Enttäuschungen für Morgan zu sein. "Schau dir diese Leute an, Morgan. Sie verbringen ihr Leben in einer Umgebung, die kaum das Nötigste dafür hergibt und die ausgesprochen unfreundlich ist. Sie leben einfach nicht lange genug, um an Krebs zu sterben. Sie ernähren sich von gesunden, aber einfachen Nahrungsmitteln und ihre Welt ist nicht so verschmutzt wie unsere. Ich bin mir nicht sicher, ob das Team in Peru wirklich etwas Außergewöhnliches entdeckt hat." Sie schaute auf und sah, wie Morgan mit gesenktem Kopf an den Ecken des Blattes zupfte. "Aber man kann nie wissen, denke ich. Ich habe nie gehört, dass die Indianer diese Pflanze für irgend etwas Besonderes benutzen."
Kris erhob sich und schüttelte ihre steifen Füße. "Komm und lass uns etwas essen und dann sehen, ob wir ein Kanu von diesen Leuten bekommen können. Ich glaube, das sind sie mir schuldig." Lächelte Kris mit hochgezogener Augenbraue und versuchte unwirsch auszusehen.
Morgan schüttelte ihren Kopf und stand mit einem Lächeln auf. "Das ist mein Jäger. Geh, und tritt jemandem in den Hintern, während ich mit den Frauen um etwas zu essen verhandele."
Kris verschwand glücklich und eine Sekunde lang, folgte ihr Morgans Blick aus traurigen Augen. Sie wusste, dass sie Kris liebte, aber die Gewalt war ein Teil ihres Lebens, ein Teil von ihr... und das war wirklich schwierig für sie.
Eine Stunde später paddelten sie über die Wasser des Orinoko.
***********
Nach einer Zeit schweigenden Flussabwärtspaddelns gab Morgan ihrem natürlichen Instinkt nach und erfüllte die Stille mit munterem Geplauder. "Und was hast du nun für einen Platz für uns im Auge, für das Forschungscamp?"
"Wie wäre es mit einer Bambuslodge mit richtigen Campingbetten und einer heißen Dusche?" schlug Kris vor.
Morgan schnaubte. "Treib' keine Scherze mit diesem Mädchen hier, Kris! Ich habe gelernt, mich schon glücklich zu schätzen, wenn nichts Lebendiges aus dem Baum fällt, unter dem ich schlafe! Und die schlichte Freude daran, wenn ich nichts ekliges in meinen Schuhen finde? Das versüßt mir doch glatt den Tag!"
Kris' Kichern tröpfelte aus dem Heck des Kanus. "Entdecke ich da etwa einen Hauch von Sarkasmus, oh meine Geliebte? Nein. Das war ernst gemeint. Wir fahren ein Stück zurück. Er lebt nur wenige Tage im Kanu von hier entfernt. Ich glaube, von dort aus haben wir einen kürzeren Weg in das Gebiet mit den Katzenpfotenpflanzen. Was denkst du?"
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann eine kleine, verzagte Stimme, "Du gehst zurück?"
Kris grinste. Die Frau war eifersüchtig! Wow! Sie liebte sie wirklich!
"Nur Freundschaft, Morgan. Nichts anderes. Als ich ihn kennen lernte, war er noch Priester."
"Und dann hat er dich getroffen, richtig?" fragte Morgan wissend.
"Nah. Er hat sich nur entschieden, sich von alledem zurückzuziehen. Weißt du, wie der Heilige Franziskus."
"Er lebt mit Tieren zusammen?"
"Nein, die Tiere leben eher mit ihm," erwiderte die dunkelhaarige Frau glücklich.
"Großartig," murmelte die kleine Blonde, "Ich wusste doch, dass die Sache einen Haken hat."


Teil 4
Der Tag war unglaublich heiß und stickig. Schwärme von Moskitos flogen um sie herum und machten ihre Reise zur wahren Hölle. Morgan legte ihr Paddel quer über den Schoß und suchte mit einer Hand hinten in ihrem Rucksack nach dem Insektenspray. Sie sah, dass Kris eine Augenbraue hob, als sie die Flüssigkeit über ihre Arme, Beine und den Nacken sprühte, bereit, diese Insekteninvasion mit chemischen Waffen zu bekämpfen. "OK. Ich gebe auf! Wieso wirst du eigentlich nicht gestochen!?" Morgan stöhnte frustriert auf.
Kris grinste. "Oh, ich habe schon ein paar Bisse abgekriegt, aber sie bevorzugen dich. Der Geruch der Haut von manchen Menschen ist eben appetitlicher für Insekten, als andere. Ich habe schon bemerkt, dass sie Blondinen bevorzugen und sie mögen keine Muskeln. Ich war noch nie ein bevorzugtes Objekt ihrer Begierden. Wahrscheinlich schmecke ich nicht, schätze ich!" kicherte die Jägerin.
Morgan schaute über ihre Schulter und ließ ihre Augen langsam über Kris' Körper wandern.
"Ich finde dich unglaublich lecker," wisperte sie und leckte sich mit der Zunge über die Lippen. Ihr Scherz wurde mit einem langsamen, tiefen Erröten von Kris erwidert, das langsam ihren Hals hinauf wanderte.
"Paddeln!" kam die verlegene Erwiderung während Kris sich gelegentlich umsah. Morgan lachte und wandte sich wieder ihrem Job zu. So verging der ganze Tag. Sie kauten im Fahren auf den letzten Stücken ihres getrockneten Fleisches, denn ein Stop für eine Pause hätte zwangsläufig dazu geführt, dass die Insekten sie aufgefressen hätten. Es war ein sehr erschöpftes Paar, das schließlich spät an diesem Tag einen klaren, dunklen See erreichte.
"Früher war hier ein Dorf. Niedergebrannt bei einer Attacke," erklärte die Kriegerin in ihrer rationalen Art. Kris lief anmutig am Rand des Bootes entlang und schob es höher auf das sandige Ufer. Dann reichte sie Morgan die Hand, um ihr heraus zu helfen.
"Stammeskriege?" fragte Morgan und schaute sich auf der leeren Lichtung um.
"Nein, meine Männer, mein Befehl," erklärte Kris geradeheraus und wandte den Blick, um zu sehen, wie Morgan reagieren würde. Sie musste es wissen. War Morgan wirklich bereit, sich auf das alles einzulassen, wer oder vielmehr was sie war oder sollte sie dem Ganzen und ihrer Beziehung jetzt und hier ein Ende bereiten?
"Es tut mir leid, für sie und für dich," sagte Morgan nach einem Moment des Zögerns. Blaue Augen trafen grüne und dann lehnte sich Morgan in Kris Umarmung. Kris hielt sie fest an sich gedrückt und vergrub ihr Gesicht in Morgans Haar. Ihr Herz schlug wild und sie wusste, dass Morgan spürte, wie sie zitterte. Ich kann sie nicht aufgeben! Ich kann es nicht! Die Stimme schrie in ihrem Inneren und Kris seufzte vor Erleichterung, dass Morgan vielleicht doch mit ihrer gewalttätigen Seele leben könnte.
"Kris, was ist?! Was ist los?!" fragte Morgan und wich zurück. In den Augen ihrer Liebsten wirbelten tausend Emotionen umeinander.
"Ich... ich will dich nicht verlieren," kam das zögerliche Eingeständnis aus dem Munde der unsicheren älteren Frau, die Mühe hatte, ihre Tränen zurückzuhalten.
Morgans Herz zog sich vor Schmerz für ihre Kriegerin zusammen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und bedeckte die zarten, jetzt jedoch hart zusammengebissenen, Lippen mit weichen und sanften Küssen. "Ich weiß nicht wie wir damit klarkommen werden, mit dem, was zwischen uns passiert ist, Kris. Unsere Welten, Leben, sind so verschieden. Aber ich weiß, dass ich von dem Augenblick, als ich dich das erste Mal im Flugzeug sah, an dich gebunden war. Ich weiß, dass ich dich liebe. Und ich will mit dir zusammen sein."
Kris zog sich zurück und bückte sich und riss ein Büschel Gras aus. Sie betrachtete es gelegentlich, spielte nervös damit herum. "Ahh, ich... ich... ich weiß nicht, ob du damit zurecht kommen wirst, wer ich bin. Weißt du, du hast diese Angst in dir... ich verstehe es schon... ich meine..." sie schluckte und versuchte, das Zittern ihres Kinns zu unterdrücken.
"Ja, ich weiß. Ich bin überfallen worden und ich schleppe eine Menge Ballast aus dieser Nacht mit mir herum. Aber ich weiß auch, dass ich mit deiner Vergangenheit fertig werden muss, wenn ich bei dir bleiben will," erwiderte Morgan aufrichtig.
Kris seufzte. "Es ist mehr als das, Morgan," sagte sie und schaute ihre Seelengefährtin an. "Ich bin die Tochter des Untiers. In meiner Seele herrscht schreckliche Dunkelheit. Ich war gewalttätig," Kris forschte in Morgans sanften, besorgten Augen und wandte sich dann wieder ab. Sie atmete tief und zitternd ein und dann sagte sie es einfach: "Ich bin es noch immer. Deswegen nennen sie mich die Kriegerin," bekannte sie.
Stille.
Kris' Herz zog sich schmerzhaft zusammen und sie verschloss ihre Augen vor der harten Wirklichkeit, der sie sich jetzt gegenüber glaubte. Morgan würde sie verlassen, genauso wie sie es getan hatte, nachdem sie erlebt hatte, wie sie jemanden getötet hatte, dieses Mal jedoch würde sie nicht wieder zurück kommen.
Sie spürte, wie Morgan zurück wich und die Tränen, die sie so lange mit Mühe zurückgehalten hatte, liefen über ihr Gesicht.
"Kris," sagte eine leise Stimme und die Jägerin öffnete ihre Augen und sah Morgan vor sich stehen. "Halt mich fest," bat die kleinere Frau. Kris streckte eine zitternde Hand aus und zog ihre Liebste an sich. Schluchzen schüttelte ihren kräftigen Körper und sie lehnte ihr Gesicht an Morgans Kopf. Morgan hielt sie fest. "Shh, Babe, es ist OK. Ich liebe eine Kriegerin. Eine tapfere und fürsorgliche. Das macht mich stolz. Weißt du was?" fragte Morgan und lehnte sich in Kris Armen zurück und zwang die traurige Frau, sie anzusehen.
"Was?" fragte Kris und versuchte, ihr Gesicht abzuwischen und ihre Kehle frei zu bekommen.
"Ich war so stolz auf dich in diesem Indianerdorf. Sie schwatzten darüber, wie du die Affen getötet hast, stimmt's?"
Kris nickte unsicher, weil sie nicht wusste, worauf Morgan damit hinaus wollte, denn ihr war klar, dass Morgan das Töten von Tieren ablehnte. "Und plötzlich entdeckte ich, dass ich an dir lehnte. Ich war ganz stolz auf dich. Ich habe den Dorfbewohnern mit meiner Körpersprache mitgeteilt, dass du ihnen zwar bei der Jagd geholfen haben magst, aber dass du meine Heldin bist." Morgan senkte die Augen und lachte nervös, dann sah sie auf und traf den überraschten Blick der Frau, die sie anbetete. "Ich kann es nicht versprechen, Kris, dass ich keine Probleme mit deiner Gewalt haben werde. Ich kann nur versprechen, dass dir immer meine Liebe gehören wird, wenn du deine Seele in den Kampf für das höhere Wohl stellst."
Eine Minute standen sie einander gegenüber und forschten in den Augen der anderen nach Akzeptanz. Dann lächelte Kris und zog Morgan in ihre Arme. Morgan lachte und schlang ihre Arme um den Nacken ihrer Jägerin und zog sie in einen sanften Kuss zu sich herab.
"Also, hast du jemals etwas Illegales angestellt, Doc?" fragte die erleichterte Kriegerin und strich über die Arme ihrer Liebsten.
"Nein!" erwiderte Morgan empört.
"Dann wird es Zeit," lächelte die große Frau und ließ ihre Partnerin mir leisem Bedauern los. "Wir brauchen etwas zu Essen. Wir werden in dem Fluss dort fischen," erklärte die Kriegerin und wies über ihre Schulter, während sie auf den Wald in der entgegengesetzten Richtung zugingen. Morgan schaute auf den Fluss, dann auf die Kriegerin, die auf den Wald zustrebte und trottete mit einem besorgten, verwirrten Blick hinter ihr her. Kris schaute sich verschiedene Bäume an, bis sie endlich einen massigen, grauen Baumstumpf gefunden hatte, dessen Oberfläche von alten Messerspuren übersät war.
Kris hob ein großes Blatt auf und schaute dann über ihre Schulter zu Morgan. "Bleib dort," ordnete sie an und Morgan nickte. Kris benutzte ihre Machete und zog sie mit einem tiefen Schnitt über den Stamm. Milchiger Saft rann augenblicklich daraus hervor, den Kris sehr sorgfältig mit dem Blatt auffing. "Dieser Saft ist recht gefährlich, so dass die Regierung seinen Gebrauch verboten hat. Aber tief im Dschungel wird er in vielen Dörfern trotzdem verwendet. Der Saft paralysiert die Muskeln tödlich. Du gießt ihn ein Stück flussaufwärts ins Wasser, das wird die Fische betäuben. Ich gehe flussabwärts und warte und hole dann die größeren Fische heraus und schlage ihnen den Kopf ab, bevor sich das Gift im Körper verteilen kann. OK?"
"Morgan nickte. "Und das ist sicher, ja?"
"Nein, deswegen ist es ja illegal," betonte Kris mit lachenden Augen, während sie das Blatt mit dem Saft vorsichtig zum Fluss trug. "Es wird die kleineren Fische töten und wenn ich ihnen nicht schnell genug den Kopf abschlage, dann bringt es uns auch um. Normalerweise benutze ich diese Technik nicht, aber wir brauchen etwas zu Essen und unsere Angelausrüstung schwimmt jetzt sehr wahrscheinlich schon im Atlantischen Ozean. Komm jetzt." Ordnete die Jägerin an.
Morgan zog sich Stiefel und Strümpfe aus und legte ihre Schiene ab, dann stapfte sie ängstlich in den Fluss. Kris übergab ihr vorsichtig das Blatt. "Pass auf, dass du nichts abkriegst," warnte sie und rannte aus dem Wasser. Aus einiger Entfernung war ihre Stimme zu hören. "OK. Beug' dich vor und lass es einfach ins Wasser tröpfeln."
Morgan folgte zögernd der Anweisung und beobachtete, wie sich die dicke, milchige Flüssigkeit im Wasser verteilte. In kurzer Zeit trieben die Körper der Fische an der Oberfläche. Sie glitten wie kleine Boote um einen Felsen und Morgan konnte hören, wie Kris mit lautem Platschen umherzuspringen schien. Sie machte sich auf den Weg ans Ufer und legte das Blatt vorsichtig mit der Oberseite auf den Boden. Nachdem sie ihre Schiene und Schuhe wieder angezogen hatte, vergrub sie es unter der Erde. Dann wandte sie sich der Uferstelle zu, an der sie Kris arbeiten hören konnte.
Sieben Fische von annehmbarer Größe lagen auf einem Stein und Kris war dabei, ein rauchendes Feuer in Gang zu bringen. Morgan ließ sich neben ihre Liebste fallen und schaute ihr in die Augen. "Du hast Glück, meine Jägerin, mein Hunger ist im Moment viel größer als meine Sorge um die Flussbevölkerung."
Kris lächelte und schaute versonnen ins Feuer. "Ich habe diesen Platz ausgesucht, weil sich nicht weit von hier dieser Fluss mit dem Strom verbindet. Dort wird die Substanz schnell harmlos durch die Verdünnung. Wir haben Mutter Natur wirklich keinen großen Schaden zugefügt. Das Feuer raucht deswegen so, damit die Insekten fern bleiben. Du kannst dich in den Wind setzen, dann wirst du gestochen, oder du setzt dich in den Rauch, dann ist es nicht so schlimm." Morgan stand auf und bewegte sich dichter zum Rauch hin und Kris musste lachen.
In dieser Nacht teilten sie wieder eine Hängematte. "Kris? Du kannst es mir jetzt erklären," bemerkte Morgan, die bequem auf der Brust der langen Kriegerin lag, deren Rücken dem Namen der Liebe einen recht großen Tribut zollte.
"Was erklären..." murmelt die müde Jägerin.
"Warum du dieses Gespräch heute mit mir führen musstest und nicht warten konntest, bis wir bei diesem Freund von dir angekommen sind."
"Oh," entgegnete Kris schuldbewusst. "Bin ich so durchsichtig?"
Morgan schnaubte. "Nur für mich, meine Liebe. Und jetzt die Wahrheit, bitte."
"Es war Peter, der mich in gewisser Weise auf den rechten Pfad zurück geführt hat. Ich war bei einem Angriff ziemlich schwer verwundet worden und meine Männer hatten mich zurückgelassen. Sie waren froh, mich los zu sein." Seufzte Kris traurig. Morgan küsste sie zart auf die Wange und Kris fuhr fort. "Ich versuchte, flussabwärts zu schwimmen, aber ich muss wohl das Bewusstsein verloren haben. Jedenfalls wurde ich in der Nähe von Peters Lodge angespült. Er erkannte mich, doch er hat sich trotzdem um mich gekümmert. Er hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass ich ein anderer Mensch werden könnte. Er hat die Saat eingebracht, obwohl es noch eine Weile gedauert hat, bis sie aufgehen konnte. Seit dem, nun ja, helfe ich ihm von Zeit zu Zeit in Dörfern, die Probleme mit Drogenhändlern und Terroristen haben. Weißt du?"
Morgan umarmte Kris fest. "Ja, ich weiß. Du riskierst dein Leben, um den Unterdrückten zu helfen. Ich bin so stolz auf dich und ich habe solche Angst um dich, Kris." Gab Morgan zu.
"Ich habe eine Menge zurückzuzahlen, Morgan." Erklärte Kris.
"Ich weiß," murmelte Morgan, barg ihren Kopf an Kris' Schulter und schlang ihre Arme fest um ihre Liebste, während sie sanft in den Schlaf hinüberglitt.
**********
Um die Mittagszeit hatten sie Peters Siedlung erreicht. Die Lichtung hatte etwa die Größe eines Hektars und war von den Bäumen befreit worden. Sie bestand aus einer Anzahl von Hütten, die denen in Los Amazonos glichen. War das erst eine Woche her? Es schienen seitdem Jahre und mehrere Leben vergangen zu sein. Sie erinnerte sich, wie primitiv ihr die Lodge damals vorgekommen war, und jetzt schien es nirgendwo etwas ähnlich Großes oder komfortabel Ausgestattetes zu geben, das auch nur annähernd zivilisiert aussah!
Bis vor einer Woche hatte sie sich auch nicht vorstellen können, eine sexuelle Beziehung zu jemandem zu haben, den sie kaum kannte. Jetzt, eine Woche später, gehörten ihr Herz und ihre Seele ganz dieser großen, dunklen und unglaublich komplexen Frau, die gerade ihr Kanu auf das Ufer zu steuerte.
Kris rannte auf einem dicken Stamm des löcherigen Stegs entlang und zog das Boot mit seiner schweren Ladung höher ans Ufer, als ob es federleicht wäre. Morgan beugte sich vor und benutzte ihre Hände zum Ausbalancieren am feuchten, glitschigen Holz. Schließlich streckte sie sich und breitete die Arme aus und Kris zog sie aus dem Boot in ihre Arme. Sie schaute in Kris ernstes Gesicht und lächelte.
"Woran denkst du?" Fragte ihre Liebste und hob eine Augenbraue, während sie in die funkelnden, grünen Augen und auf das rotblonde Haar hinunter sah, das sie immer aufheiterte.
"Ich dachte an eine übellaunige Kriegerin und eine arrogante Ärztin, die sich darüber gestritten haben, ob ich eine Komplikation wäre oder nicht," lachte Morgan und strich über Kris' Wange.
Kris' Mundwinkel schob sich in einem ihrer Mini- Lächeln nach oben, das Morgan inzwischen so begehrenswert fand.
"Schätze, ich hatte Recht, oder?" frotzelte die Kriegerin.
Sie grinsten beide breit und Morgan boxte verspielt in Kris Magen. Der plötzlich angespannte und hungrig- intensive Ausdruck auf Kris' Gesicht, ließ sie sich jedoch abwenden und in die Ferne schauen. Oh Gott! Ich will sie, dachte sie.
Plötzlich atmete sie vor Schreck auf und zog Kris mit sich auf ein höhergelegenes Uferstück in Sicherheit. Kris lachte und legte ihre Arme um Morgan, während sie einen riesigen Kaiman betrachtete, der am Strand lag und sich sonnte. "Das ist schon OK, Morgan. Darf ich vorstellen: Katie Kaiman. Sie ist eine von Peters ‚Freunden'."
"Oh Mann." Murmelte Morgan, die Hand über dem Herzen.
Kris sprang zurück ans Ufer und warf Morgan die Gepäckstücke zu. "Pete hat sie als Baby aus einer Falle gezogen. Man erkennt sie daran, dass ihr ein Teil des rechten Vorderfußes fehlt. Er schwört, dass sie so zutraulich ist, wie ein Familienhund. Aber wenn du meinen Rat willst, halte lieber einen sicheren Abstand. Ich glaube, sie ist einfach gut gefüttert und greift die Besucher deswegen nicht an. Eines Tages wird einer dieser armen Teufel auftauchen, wenn sie hungrig ist und dann fürchte ich, wird es übel." Erklärte Kris, während sie die letzten Taschen an Land trug.
Morgan lächelte schwach und schaute sich um. "Wo ist denn dein Freund?" fragte sie.
"Er steht unter dem Dach, ach ja, und er richtet gerade ein Gewehr auf uns," sagte Kris sachlich. "Er ist blind wie ein Grottenolm ohne seine Brille und deswegen weiß er nicht, wer wir sind."
Morgan schloss ihre Augen und schüttelte den Kopf, "Weißt du, Kris, meine Welt ist auch nicht anders als deine. Die meisten meiner Freunde schauen auch zuerst durch den Spion oder benutzen eine Gegensprechanlage. Obwohl, ein paar wiederum machen auch einfach nur die Tür auf und sagen hi!"
Kris grinste und legte einen Arm um die kleine Frau. "Ja!? Warte, bis du Walross kennen gelernt hast." Kommentierte Kris, während sie auf den Zaun zugingen.
"Walross," sagte die überraschte Ärztin sarkastisch und betrachtete das feine Profil neben sich.
"Und ob. Er und ich kennen uns schon lange. Er begrüßt mich immer mit einer Stange Dynamit. Ich habe ihm mal in einer Bar ein Stück von seinem Ohr abgeschnitten und er ist deswegen noch immer ein wenig empfindlich."
"Kris, ich will es nicht wissen." Stellte Morgan seufzend fest und schüttelt den Kopf über ihre Liebste. Kris schaute nieder, lächelte sie warm an und drückte ihre Gefährtin beruhigend an sich.
"Bleibt, wo ihr seid!" kam eine raue Stimme aus dem Schatten des Daches. Der Lauf eines Gewehrs lugte zwischen den Zweigen der Grashütte hervor.
"Pete, ich bin es, Kris Thanasis!" rief die Jägerin und stöhnte.
"Nein, das bist du nicht!" als geknurrte Antwort.
Plötzlich sah Kris besorgt aus und schob Morgan hinter sich. "Pete, ich bin es. Wo ist das Problem?"
"Thanasis berührt niemanden," war diesmal die wissende Antwort. Dem folgte eine bedrückende Stille in der nur Kris' Räuspern zu hören war. Sie errötete tief und rieb sich verlegen ein Ohr. "Nun ja, na schön, erinnerst du dich daran, wie du gesagt hast, dass ich mich eines Tages Hals über Kopf verlieben und ein komplette Närrin aus mir machen würde, in dem ich wie ein liebestoller Hund durch die Gegend hechele?"
Schweigen. Dann: "Und ob!"
"Nun, es ist passiert." Sagte Kris und griff nach hinten, um den Kontakt zu ihrer Liebsten wieder herzustellen, die hinter ihr kicherte.
Ein alter Mann mit einem Zweitagebart aus wirrem grauen Haar kam schließlich zum Vorschein. Er trug nur ein paar zerlumpte, dreckige Shorts. Sein Kopf war kahl und seine Augen von milchigem Braun, aber das erstaunlichste an ihm war, dass er blau war! Von Kopf bis zu den Füßen strahlte sein gesamter Körper in leuchtendem Königsblau!
Er kam näher, bis er schließlich mit zusammengekniffenen Augen erkannte, dass es sich tatsächlich um Kris handelte. Dann schenkte er ihr ein breites, zahnloses Lächeln und zog sie in eine bärenstarke Umarmung, bei der sich der Gewehrlauf in Kris' Kinn bohrte.
Kris verzog das Gesicht und nahm ihrem Freund das Gewehr ab, "Gib mir das, bevor du noch ein Loch in unsere Freundschaft schießt." Murmelte sie und trat einen Schritt zurück. "Pete. Ich möchte, dass du meine... Seelengefährtin kennen lernst, Doktor Morgan Andrews. Morgan, das ist mein alter Freund, Vater Peter Cummings."
Peter wandte sich ihr zu und umarmte die überraschte Morgan fest. "Nun, der Herr wirkt auf geheimnisvollen Wegen! Stell dir das mal vor, so eine schreckliche Wilde wie du endet ausgerechnet bei so einer lieblichen Person, wie dieser hier. Liebes, war sie auch ehrlich zu dir? Weißt du über Adam bescheid?"
Kris trat zwischen die beiden und warf Peter einen dunklen Blick zu. "Fang nicht wieder davon an!" verlangte sie und Pete zuckte gutmütig grinsend mit den Schultern. "Ist es OK, wenn wir uns ein Zimmer nehmen?" fragte Kris.
Ein Ausdruck purer Boshaftigkeit stahl sich in Petes Augen. "Das kommt darauf an, hast du sie zu einer ehrlichen Frau gemacht oder lebt ihr beiden in Sünde?" fragte er mit aufrichtiger Empörung in der Stimme.
Röte stieg Kris ins Gesicht und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Pete starrte nur mit einem komischen Ausdruck von Starrsinn zurück.
"Für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt hast, Peter," sagte die Jägerin durch zusammengebissene Zähne, "wir sind zwei Frauen und dieses verdammte Kirchensystem hasst uns dafür, was wir sind." Morgan bewegte sich vorwärts, schlang ihre Arme um Kris Nacken und strich ihr beruhigend über den Rücken.
Peter lächelte. "Du benutzt das nur als Entschuldigung, von rechten Weg abzuweichen." Sagte er abschätzig.
"Nein!" schnappte Kris.
"Gut. Dann mach dich darauf gefasst. Gleich nach dem Essen gebe ich euch rechtmäßig zusammen." Ordnete Peter an und ging davon.
Zwei völlig schockierte Frauen schauten ihm hinterher. Im Gehen hob er den Arm und ein grüner Papagei flog aus einem nahen Baum herbei und landete auf seiner Hand. Er setzte ihn vorsichtig auf seiner Schulter ab, stieg die Treppe hinauf und verschwand in der Küche.
Kris wandte sich um und schaute mit einem Ausdruck von Schock und Erstaunen in ihr Gesicht. Morgan, auf der anderen Seite, erwiderte den Blick mit Ärger. "Wer ist Adam?" fragte sie und piekte Kris in die Brust.
Ein strahlendes Rot erschien auf Kris' Gesicht. "Äh.... also..... lass uns gehen und uns umziehen," murmelte die erschrockene Kriegerin. Morgan griff jedoch nach ihrem Arm und zum ersten Mal schaute sie Kris mit Besorgnis und Unsicherheit an. "Kris, bist du verheiratet oder so etwas?" fragte sie in einem leisen, verletzten Ton.
Kris sah auf ihre Füße und kämpfte mit ihrer Verlegenheit, während Angst nach Morgans Herzen griff. "Nein, nichts dergleichen, Morgan. Adam ist ein.... Freund von Pete. Er glaubt.... na schön, er glaubt, er ist verliebt in mich." Stammelte Kris verlegen.
"Liebst du ihn denn?" fragte Morgan mit zitterndem Flüstern. Kris wurde noch röter.
"Also?!" fragte Morgan und nun wollte sie es wirklich wissen.
Kris sah sie erschrocken an. "Oh, aber natürlich nicht! Verdammt! Adam ist ein Affe!"
Schockierte Stille, dann brach Morgan in lautes Gelächter aus, während Kris in peinlichem Schweigen verharrte. Schließlich endete es damit, dass sich Morgan zur Unterstützung gegen Kris lehnte und sich die Augen an Kris' Hemdensaum abwischte.
"Das ist nicht komisch," bemerkte Kris ärgerlich. "Das verdammte Vieh hat nicht aufgehört, mich zu attackieren." Das Lachen startete von Neuem und Kris musste Morgan in den Armen festhalten, die schier zusammenbrach. "Ich wiederhole, das ist nicht komisch." Grummelte Kris seufzend. Morgan nickte zustimmend mit dem Kopf, vor Lachen liefen ihr noch immer Tränen über das Gesicht.
Unter lautem Gelächter schafften es die beiden schließlich, ihr Gepäck in eine kleine Hütte zu bringen. Sehr zu Morgans Freude gab es ein altes, rostiges Doppelbett, wenn auch mit einer feuchten Matratze. Draußen, dicht am Waldrand, war der Abort. Und hinter Petes Haus gab es ein Badehaus mit einem alten Boiler für heißes Wasser, so dass Bad oder Dusche zu einem Segen werden würden. Dieser Ort war der Himmel.
Während Morgan ihre Taschen durchsah und die Dinge hervorsuchte, die sie zum Waschen brauchte, ging Kris und heizte den Boiler an. Dann zogen sich beide Frauen aus und standen unter der Dusche, aus der kontinuierlich ein heißer Strahl auf sie herab strömte. Morgan beschloss, dass dies die netteste Dusche sei, die sie jemals gehabt hatte. Zurück in der Hütte, kleideten sie sich an und lagen dann zusammen in der Hängematte auf der schmalen Veranda.
Kris Gedanken wirbelten in verschiedene Richtungen und Gefühlen umeinander. Vor nur zwei Tagen hatte sie Morgan klar gemacht, dass ihr Leben noch immer gefährdet war und dass sie ihrer Liebsten nur den Augenblick schenken konnte. Mist! Ihre Welten lagen meilenweit auseinander, sowohl physisch, als auch hinsichtlich ihrer Erfahrungen. Es gab keine gemeinsame Ebene, auf der ein Leben aufzubauen möglich gewesen wäre. Und doch hatte Petes verrückte Idee, sie beide verheiraten zu wollen, ihren pragmatischen Verstand zu Bruch gehen lassen. Wie irrsinnig dieses Konzept auch sein mochte, Kris wollte es! Sie wollte Morgan in ihrem Bett und in ihrem Leben, für immer. Sie wollte eine Heirat. Sie wollte ein Haus, Vorhänge, ein verdammtes Haustier und sie wollte das alles mit Morgan.
"Morgan?"
"Hmm?" erwiderte die kleine Ärztin und küsste Kris' Kehle.
"Willst du mich heiraten?" fragte diese nervös und sah auf der Suche nach irgend einer Art von Hoffnung auf die Frau in ihren Armen nieder.
"Dich heiraten?" Morgan setzte sich überrascht auf und schaute in Kris' Augen.
Kris nickte ernst. "Ich liebe dich, Morgan Andrews. Ich möchte mir ein Leben mit dir aufbauen. Willst du meine Frau werden?" fragte Kris wieder und um ihr Herz legte sich der feste Griff der Angst.
Kris lauschte dem fernen Zwitschern der Vögel, während die Sekunden verstrichen. Morgan erforschte die Tiefe ihrer blauen Augen. Was ging hier vor sich? War das eine Art schlechter Scherz? Nein, Kris war nicht so. Aber sie hatte gesagt...
"Ja." Kam letztendlich die schlichte Antwort. Und über zwei Gesichter glitt dasselbe närrische Grinsen, während Kris Morgan in die Arme nahm und sie fest an sich drückte.
Eine Weile lagen sie einfach nur da, Kris' Arm um Morgan geschlungen, die mit einem Finger sanfte Achten auf die Haut im V- Ausschnitt ihres Halses zog. Morgan kicherte leise.
"Was ist denn jetzt schon wieder so komisch?" fragte Kris verträumt. Sie befand sich in einem Zustand, irgendwo zwischen Schock und Verblüffung über den Verlauf der Ereignisse, die sie bis hierher geführt hatten.
"Wie soll ich meiner Mittelklassefamilie nur erklären, dass ich mitten im Amazonasgebiet eine lesbische Exdrogenchefin heirate, die ich noch dazu kaum kenne, und dass der Priester von Kopf bis Fuß blau ist und die Trauzeugen einer grüner Papagei und ein Kaiman namens Katie sind."
Kris schmunzelte sanft. "Nun, im Moment ist dies der einzige Ort in der Welt, an dem so etwas überhaupt möglich ist! Und der Name des Papageien ist Pecker. Machst du dir Sorgen darum, was deine Eltern über uns sagen werden?"
"Nur der Teil, an dem ich meiner übrigens baptistischen Familie sagen muss, dass ich von einem katholischen Priester getraut worden bin." Kicherte Morgan.
Kris Augen wurden groß. "Du meinst, ich heirate eine Heidin?" fragte sie in gespieltem Entsetzen.
Morgan nickte, in ihren Augen tanzte ein vergnügtes Funkeln. Kris dachte nach. "Also schön, OK. Aber unsere Kinder werden katholisch erzogen." Sagte Kris und Morgan boxte sie in die Rippen.
"Ahh, Kris, ich weiß, dass ich es gleich bereuen werde, aber ich muss dich einfach fragen, warum ist unser Priester so blau?"
Kris schaute auf Morgans blonden Scheitel herunter, die sich eng an Kris' Brust schmiegte. "Er konnte keinen richtigen Smoking finden?" bot sie Morgan an, die aufschaute und ihr einen finsteren Blick zuwarf. Kris lächelte, "Eigentlich ist es ein Saft von einem anderen Baum. Wenn man ihn sammelt ist er zunächst klar, aber nachdem man ihn auf die Haut gerieben hat, wird sie nach etwa zehn Minuten blau. Die hiesigen Indianerstämme sagen, dass es die Moskitos fernhält."
Morgan setzte sich auf. "Die Moskitos fernhält?! Warum hast du mir das nicht gesagt?! Wo bekommt man dieses Zeug?!" fragte sie aufgeregt.
Kris rollte mit den Augen und seufzte. "Es lässt sich nicht wieder abwaschen, Morgan! Wenn es erst mal drauf ist, dann dauert es Tage, bis es überhaupt ein wenig verblasst."
"Das kümmert mich nicht!" blieb Morgan dickköpfig.
Kris hob eine Augenbraue und schaute Morgan entsetzt an. "Oh, aber mich! Ich verbringe meine Hochzeitsnacht nicht mit einer Braut, die von Kopf bis Fuß blau angeschmiert ist!" grollte Kris, während Morgan in Gelächter ausbrach.
**********
Das Essen war eine fröhliche Angelegenheit. Peter stellte sich als kompetenter Koch der einfachen Küche heraus. Sie hatten die Wahl zwischen Fischstücken, Fleisch, Früchten und Süßkartoffeln und spülten das Ganze mit einem einheimischen Getränk namens Polar Bier herunter. Pete würzte das Essen mit Geschichten über seine Tiere, mit denen ihn eine Art Hassliebe zu verbinden schien. Er beendete das Essen mit ein paar Anekdoten über Adams Leidenschaft für Kris, die die Ärztin in Tränen aufgelöst vor Lachen und Kris rot vor Verlegenheit zurückließen.
"Ein Glück für dich, dass der alte Adam schließlich eine Herde gefunden hatte, der er sich anschließen konnte, ich hätte nicht gewusst, wie ich dich mit ihm hätte trauen sollen!" lachte der begeisterte Priester. Dann wandte er sich an Morgan und schaute sie an. "Nun, Doktor, jetzt machen Sie sich mal ein wenig hübsch, während ich mit Kris noch etwas besprechen muss." Ordnete er an und blickte plötzlich sehr ernst.
Sie war beunruhigt, doch Kris warf ihr einen kurzen Blick zu und legte ihr beruhigend die Hand aufs Knie. Also nickte sie und stand auf. Sie schenkte Kris einen kleinen Kuss und ging zurück in ihre Hütte.
Der Priester saß eine weile schweigend da und spielte mit einer Bierpfütze. Kris wartete. "Sie ist eine prächtige junge Frau, das ist sicher." Kommentierte er.
"Ja, das ist sie." Erwiderte Kris ernst.
"Ich hatte vor ein paar Tagen einen Funkspruch von Los Amazonos." Sagte Peter und schaute Kris an. Er sah, wie sich ihre Kiefer in Erwartung schlechter Nachrichten verspannten. Das einzige Zeichen von Emotionen in ihren unbeweglichen Zügen war die Bewegung der Halsmuskeln, als sie schluckte. Sie wusste also Beschied, schloss er. "Das Untier ist ziemlich übel mit Carlos umgesprungen. Fernando hat aber gesagt, dass er durchkommt." Kris Kopf sank herunter und verbarg den Blick auf ihr Gesicht. "Carlos hat nicht geredet, aber es hat wohl nicht viel Rätselraten gebraucht, um herauszufinden, dass du flussabwärts gefahren bist. Er weiß, dass du lebst und er wird dir und Morgan irgendwo auflauern. Du weißt das, nicht wahr?"
Kris schaute auf. "Er wird nicht kommen, Pete, niemals." Erklärte sie.
Petes Augen weiteten sich vor Überraschung. Er langte herüber und bedeckte Kris' Hand. "Wenn du reden willst..."
Kris schüttelte ihren Kopf. "Er hat Morgan angegriffen. Wir haben gekämpft. Ich habe gewonnen. Es ist vorbei... hoffe ich, obwohl wir danach noch eine Begegnung mit Juan und seinen beiden Gorillas hatten." Erklärte sie weiter.
Peter nickte. "Du würdest einfach alles für die Kleine tun, nicht wahr, Kriegerin?"
Die Frau schaute ihn an, ihre blauen Augen strahlten in einem unirdischen Feuer. "Ohne wenn und aber, Pete, ich würde alles für sie tun." Erwiderte sie aufrichtig.
Der alte Priester nickte wieder. "Bei einer Heirat geht es nicht um ein Dokument oder um Vertrauen, es geht darum, jemandem ein Versprechen für sein Leben zu geben. Man kann nicht in solch eine Beziehung eintreten und daran denken, was es einem bringen mag. Du musst darüber nachdenken, was du tun kannst, um einem anderen Wesen entgegenzukommen und sie damit glücklich zu machen. Bei einer Heirat geht es nicht ums Nehmen, sondern ums Geben. Du warst eine Einzelgängerin, Kris, dein ganzes Leben lang, wirst du eine gute Partnerin sein können?"
Kris beobachtete eine Motte, die zu dicht an die Flamme geflogen war und um ihr Leben kämpfte. "Ich weiß, dass ich nicht ohne sie leben kann. Ich weiß, dass ihr Schmerz der meine ist. Ich... ich... ich muss meine.... Gewalt... kontrollieren. Das macht ihr Angst. Sie hat eine Gangattacke gegen ihren Freund miterlebt. Er wurde getötet und sie schwer verletzt." Kris' Blick wandte sich Pete zu. "Du hast die Schiene gesehen?"
Er nickte. Kris schluckte und schaute auf den Tisch und fegte ein paar Krümel zu Boden. "Ich weiß nicht, ob ich das bin, was sie braucht. Ich habe das nicht geplant, es ist einfach passiert. Ich brauche sie einfach, Peter."
"Brauchen? Das ist Nehmen, Kris. Was willst du ihr denn geben?"
Kris schaute zornig auf und antwortete hitzig. "Alles. Was immer das bedeuten mag. Ich will dies mehr als das Leben, Vater. Ich will mein Leben mit Morgan teilen!"
Peter lächelte und nickte und streichelte über Kris' lange, kräftige Hände. "Braves Mädchen. Sie hat verdammtes Glück, dass du ihr ins Netz gegangen bist." Er kicherte über Kris' Erröten. "Jetzt muss ich noch mit der anderen Hälfte reden. Warum wartest du nicht in der Kapelle auf uns?" Er stand auf und ließ eine emotional völlig verausgabte Kriegerin am Tisch sitzend zurück.
Morgan bürstete sich abwesend ihre Haare, sie sorgte sich, was Peter wohl von Kris wollen könnte. Wusste er denn, wie zerbrechlich die Persönlichkeit der Kriegerin war? Wie emotional unsicher?
"Hey, ist jemand zu Hause?" kam eine bekannte Stimme.
"Kommen Sie herein, Peter." Erwiderte Morgan, legte ihre Bürste beiseite und ging dem grizzlyhaften alten Priester entgegen. "Nun setzt dich mal hin und lass uns ein wenig plaudern." Sagte Peter und wies auf das Bett. Auf dessen Ecke sich Morgan jetzt sehr nervös niedersetzte. Hatte Kris plötzlich kalte Füße bekommen? Schließlich hatte sie vor noch nicht mal zwei Tagen überhaupt nichts von einer festen Bindung wissen wollen und ihr nicht mehr als ein paar Tage zugestanden. Peter zog sich einen alten, durchgesessenen Stuhl heran und setzte sich hin. "Liebst du sie?"
Morgan schaute ihm direkt in die Augen und Klarheit und Aufrichtigkeit standen ihr ins Gesicht geschrieben. "Ja, ich liebe sie. Ich würde alles für sie tun. Sie ist alles, was ich will." Sagte die Ärztin fest.
Peters Augen wurden zu Schlitzen. "Was, wenn sie dich nicht will?" fragte er raffiniert.
Der kleine Körper vor ihm zuckte zusammen, als sei er geschlagen worden. Für einen Augenblick herrschte Schweigen, dann erwiderte eine sehr zerbrechliche Stimme: "Dann muss ich sie gehen lassen. Aber ohne sie zu leben... ich... ich..." Tränen stiegen ihr in die Augen.
Peter stand alarmiert auf und legte einen Arm um Morgan. "Liebes, es ist OK. Diese Frau liebt dich nahezu bis zum Wahnsinn. Ich wollte nur wissen, was du für sie empfindest."
Morgan schniefte und schaute den Priester mit neu erwachter Hoffnung an. "Ich liebe sie. Ich kann das nicht erklären. Es ist nicht rational. Ich weiß einfach, dass ich mich ohne Kris einfach nicht ganz fühle."
Pete schaute zu Boden und seufzte schließlich. "Sie hat eine schreckliche, sündenbeladene Vergangenheit, Morgan. Wenn du dich an sie bindest, dann musst du ihre Verantwortlichkeiten und Konsequenzen aus diesem Leben akzeptieren. Das erscheint mir nicht sehr fair dir gegenüber."
"Kris würde mich nie um etwas bitten, das ich ihr nicht freiwillig geben würde. Aber ich kann Ihnen versichern Peter, es gibt nichts, was ich für diese Frau nicht tun würde. Sie ist durch die Hölle gegangen und sie verdient Liebe und Glück in ihrem Leben."
Peter schaute tief in diese leidenschaftlichen Augen. "Wie steht es damit, was sie ist? Du kannst das nicht ändern, Morgan. Sie ist ein sehr gefährliches Wesen. Manchmal glaube sogar ich, dass sie nicht menschlich sein kann."
"Dann kennen Sie sie nicht so, wie ich sie kenne, denn sie ist das liebenswerteste und loyalste Geschöpf, dass ich jemals kennen gelernt habe. Sie ist so verletzlich und sie braucht jemanden, der sich um sie sorgt. Ich weiß, dass sie gewalttätig ist. Ich weiß auch, dass ich ihre Natur nicht ändern kann, aber ich kann sie auf dem Weg des Guten begleiten, den sie eingeschlagen hat. Ich kann darauf aufpassen, dass sie emotional geschützt ist, während sie alleine der Welt da draußen gegenüber treten muss."
Peter zog die bemerkenswerte kleine Frau an sich. "Liebes, ich muss schon zugeben, wenn ich nicht Gefahr laufen würde, von einer Kriegerin bei lebendigem Leibe geröstet und vom Blitz des Allmächtigen getroffen zu werden, ich würde dich glatt selber heiraten! Komm jetzt, lasst uns euch zusammen geben."
Kris stiefelte vor dem Tisch, der als Altar diente, auf und ab. Ihr Blick fiel auf die frischen Orchideen in einem Glas. Zu anderer Zeit hätte sie ihre Schönheit aufrichtig bewundert, jetzt jedoch war alles, was sie denken konnte: liebte Morgan sie genug, um eine Bindung mit ihr einzugehen? Würde Peter sie überzeugen können, dass ihre gewalttätige Seele es für Morgan zu schmerzvoll machte, um mit ihr zu leben? Zum dritten Male ging sie nun schon zur Tür, um nach den beiden Ausschau zu halten. Dann wandte sie sich wieder um und stürmte zum Altar zurück, um dort zu warten.
Plötzlich war da ein zarter Duft nach Gras und Sonne und sie drehte sich um und entdeckte Morgan, die die kleine Hütte betreten hatte. Peter folgte ihr. Zu ihrer Überraschung trug er jetzt einen schwarzen Talar mit Kragen. Er führte Morgan durch den Raum und legte ihre Hand in Kris' Hand, dann trat er hinter den Altar und beugte seinen Kopf zu einem Gebet.
Nach ein paar Minuten schaute er auf die beiden Frauen, die völlig gefesselt einander gegenüberstanden.
"Kris Thanasis, vor mir und in diesem Gotteshaus, bekenne deine Bindung an diese Frau."
Kris lächelte sanft und schaute die geliebte Frau an. Sie trat näher heran und nahm Morgans beide Hände in die ihren. Als Frau der Tat und nicht der Worte, neigte sie ihren Kopf und fuhr mit ihren Lippen sanft über die ihrer Seelengefährtin. "Ich liebe dich. Bitte heirate mich, Morgan. Ich möchte den Rest meines Lebens damit verbringen, dich glücklich zu machen." Flüsterte die Kriegerin.
"Morgan Andrews, wie lautet dein Bekenntnis?" fragte der Priester.
Morgan öffnete verträumt ihre Augen. "Ich liebe dich, Kris Thanasis. Deine Leidenschaft, deine Sanftheit und deine Kriegernatur. Ich will nichts mehr, als deine Partnerin sein."
"Kris, nimmst du diese Frau als deine Partnerin an und stehst zu ihr und unterstützt sie durch alle Freuden und Herausforderungen des Lebens?"
"Das tue ich."
"Morgan, nimmst du diese Frau als deine Partnerin an und stehst zu ihr und unterstützt sie durch alle Freuden und Herausforderungen des Lebens?"
"Das tue ich."
"Dann lege ich hier und heute vor Gott Zeugnis ab, dass ihr eurer Liebe Ausdruck verliehen habt und euch als eins verbindet. Jetzt küsst euch, um eure ewige Bindung in Liebe zu besiegeln."
Morgans Hand glitt langsam über Kris' Brust und Kris neigte ihren Kopf, bis sich ihre Lippen berührten. Dann zog die Kriegerin ihre Partnerin an sich und nur noch ihre Lippen erzählten davon, was sie füreinander fühlten.
"Meinen herzlichen Glückwunsch, Morgan." Strahlte Peter und beugte sich vor, um der ebenfalls strahlenden Ärztin über die Wange zu streichen. Dann drehte er sich um und tauschte einen Blick mit der Kriegerin.
Sie schlangen ihre Arme umeinander und Kris flüsterte ihm ins Ohr: "Ich danke dir, dafür, dass du mir meine Seele zurück gegeben hast." Pete klopfte ihr beschwichtigend auf den Rücken und zog sich zurück.
"Jetzt kommt, ihr beiden. Ich denke, es ist Zeit für ein kleines Fest!"
***********
Kris war zeitig aufgewacht. An die Decke starrend lag sie da, ihren Arm um die kleine Ärztin geschlungen, die sie gerade zu ihrer Lebenspartnerin genommen hatte. Ihre Gefühle waren in solchem Aufruhr, dass sie noch immer keinen klaren Gedanken fassen konnte. Es war alles so wundervoll und zur gleichen Zeit so verdammt erschreckend. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Was hatte sie getan? Christus!
Morgan bewegte sich leicht im Schlaf und kuschelte sich enger an die Kriegerin, die automatisch ihre Umarmung festigte. Sie lächelte die Decke an. Ich bin verliebt und diejenige, welche, hat sich für ihr Leben zu mir bekannt! Das Lächeln wurde zu einem breiten, einfältigen Grinsen, während sie sich Morgan zuwandte, um sie mit süßen Küssen aus dem Schlaf zu wecken. Aus Zärtlichkeit wurde rasch Leidenschaft.
Später lag Morgan neben ihrer Liebsten. Sie strich beiläufig über die Muskeln auf Kris Unterarm. Wow! Ich habe diese Person geheiratet. Wie soll ich das nur daheim erklären? Kann ich denn nach Hause gehen?! Es ist ja keine legale Hochzeit oder so, und doch bindet mich mein Versprechen enger an diese Frau, als alles Blut es jemals könnte. Ob sie dasselbe empfindet? Ich hoffe es, weil ich nicht glaube, dass ich ohne sie leben könnte.
Morgan schaute in übervolle, blaue Augen. "Tag, meine Kriegerin." Flüsterte Morgan, beugte sich vor und tupfte einen zarten Kuss auf Kris' Lippen. Die dunkelhaarige Kriegerin lächelte zurück, schlang ihren Arm um Morgan und zog sie in einen langen Kuss. "Mmmm, guten Tag, meine Süße." Murmelte Kris mit tiefer, heiserer Stimme, die Morgan durch Mark und Bein ging.
""Ich habe hier gelegen und versucht, mir darüber klar zu werden, was ich getan habe." Sagte Morgan und zog die Kontur von Kris' Schulterblättern nach. Der Körper unter ihren Händen verharrte regungslos.
"D... Du bereust es heute morgen doch nicht, oder, Morgan? Habe ich dir weh getan? Ich... ich bin stärker als die meisten Menschen... vielleicht habe ich dich... verletzt oder dir Angst gemacht..." stammelte das verunsicherte Wesen aus der Tiefe der Kriegerin.
"Sh, meine Jägerin, still." Beruhigte Morgan und tupfte federleichte Küsse auf die fest zusammen gepressten Lippen ihrer Freundin. "Du würdest mich niemals verletzen. Du warst stark und leidenschaftlich und fordernd und gleichzeitig so zärtlich."
Der große Körper unter ihr entspannte sich ein wenig, auch wenn sie die besorgten, blauen Augen intensiv ansahen.
"Du willst doch mit mir verheiratet sein, nicht wahr, Morgan?" kam die zitternde Frage.
Morgan barg ihren Kopf tief in den schwarzen Locken, die über Kris' Hals wallten. "Sehr sogar, mein Herz. Ich bin nur... ich schätze, ich fange langsam an, zu begreifen, was ein Leben mit dir bedeutet. Wir haben nie darüber gesprochen. Wir haben einfach aus dem Impuls heraus reagiert."
Kris setzte sich auf und schwang ihre Beine über den Bettrand, mit einer fließenden Bewegung stand sie auf. Sie ging zu dem schmalen Tisch und goss sich ein Glas Wasser ein.
Sei stürzte es herunter wie einen starken Drink. Dann drehte sie sich um und schaute Morgan an, die sie voller Sorge beobachtet hatte. "Impuls! Impuls? Als hätten wir zuviel getrunken und wären in irgend einem verrotteten Motel wieder zu uns gekommen?!?" Das Glas in Kris' Hand zersprang und Blut und Scherben tropften zu Boden.
Morgan sprang aus dem Bett, griff sich ein Handtuch und wollte es um Kris' Hand wickeln.
"Lass das, verdammt!" fauchte die Kriegerin und zog ihre Hand fort.
"Nein!" schoss Morgan zurück, griff nach dem Arm und schaute Kris in die Augen. "Das habe ich nicht gemeint! Und jetzt zeig mir deine Hand!"
Steif bewegte sich Kris und Morgan säuberte behutsam die Wunde, untersuchte sie auf Glasscherben und band schließlich das Handtuch darum. "Komm hierher." Flüsterte sie und zog Kris am Arm mit sich. Morgan setzte sich auf eine Ecke des Bettes und klopfte auf den Platz neben sich. Nach einem Moment des Zögerns folgte Kris ihrer Aufforderung nach.
Morgan drehte sich zu ihr und schaute Kris in die Augen, ihre Hand hatte sie an deren Kinn gelegt. "Und jetzt hör mir zu, Kriegerin! Ich liebe dich. Und das bedeutet, für immer. Hast du das verstanden?! Ich bin mir über meine Liebe nicht im Unklaren oder unsicher in meiner Entscheidung, die auch Zugeständnisse und Loyalität dir gegenüber einschließt. Ich musste einfach nur darüber sprechen, wohin wir uns von hier aus bewegen werden. Verstehst du?!" forderte sie.
Kris schluckte hart und schaute zu Boden. "Du hast mir Angst gemacht... ich... ich will, dass das hier funktioniert. Ja, ich bin heute morgen aufgewacht und hatte nur diesen Gedanken: Mist, und was jetzt?!" Morgan schmunzelte ein wenig und Kris lächelte sie nervös an. "Ich glaube, wir müssen zuerst einmal deine Katzenpfotenpflanzen finden. Das bedeutet aber auch, dass wir danach zurück in die Staaten müssen. Aber hier gibt es Dinge... wahrscheinlich muss ich eines Tages zurückkehren..."
"Wir werden zurückkommen müssen." Korrigierte Morgan sie ernst.
"Nein. Ich werde dich nicht in meine verkorkste Vergangenheit mit hinein ziehen. Du bist mein Neubeginn. Ich will nicht, dass du .... noch einmal das Opfer von Gewalt wirst." Sagte Kris und zupfte an einem Faden im Kissen herum.
"Zu schade, Thanasis." Sagte Morgan wütend. "Ich habe eine Kriegerin geheiratet. Meine Entscheidung. Und das bedeutet, dass ich einen Weg finden muss, damit zu leben, was du bist, und nicht zu versuchen, dich zu ändern."
Kris' Kiefer bissen vor Wut aufeinander. "Oh ja, und das, was ich bin, setzt die Frau, die ich liebe größten Gefahren aus."
Morgan lächelte und rieb mit einem Knöchel über Kris' angespannte Wangen. "Na und, das, was ich bin, wird mich an deiner Seite bleiben lassen, wenn du in Gefahr gerätst! Also schätze ich, wir müssen Kompromisse schließen und du musst mich meinen Weg finden lassen!" fuhr Morgan mit einem versöhnlichen Lächeln fort.
Ein blauer Blick schoss herum und bohrte sich in einen grünen. Dann lachte Kris. "Das wird wohl eine recht feurige Ehe! Also, soll ich jetzt hier sitzen und zu Tode bluten oder wirst du diese Hand jetzt nähen!" fragte Kris.
Morgan seufzte. "Es scheint, als würde ich dich immer nur zusammenflicken müssen, Jäger!"
**********
Ein paar Wochen lang durchstreiften sie ohne Erfolg den Regenwald auf der Suche nach den Pflanzen. So oft wie möglich kehrten sie zu Petes Lichtung zurück, um dort zu übernachten, ansonsten bauten sie ihr Camp im Freien auf. Kris war erstaunt, wie schnell Morgan es gelernt hatte, ihre Umgebung zu respektieren und zu verstehen. Sie brauchte nur einmal etwas zu erklären und Morgan behielt es in Erinnerung. Jetzt, nach ein paar Monaten im Amazonasbecken, konnte sie bereits eine ganze Menge Pflanzen und Tiere identifizieren und hatte einiges über deren Gebrauch und Nutzen erfahren.
Kris lächelte weich und dachte an den Tag, als sie endlich ein paar der Pflanzen am Fuße eines umgestürzten Baumes entdeckt hatten. Sie hatten Wurzel, Blätter und Blüten eingesammelt und vorsichtig in Morgans Feldtasche verstaut. Kris erkannte schnell, als sie sich umdrehte, dass sie wohl ein Problem auf dem Rückweg haben würden. Aber sie sah keinen Grund, Morgan in Sorge zu versetzen, bis sie glücklich wieder bei Peter angelangt waren. Dort gestand sie der entsetzten Ärztin, dass sie Zecken aus dem Baum aufgelesen hatten.
Sie zogen sich aus und tatsächlich, noch waren die kleinen Biester nur kaum sichtbare schwarze Punkte auf ihrer Haut, bald aber würden ihr Körper vom Blut ihrer Opfer vollgesogen sein. "Klasse!" entsetzte sich Morgan, doch Kris zuckte nur mit den Schultern und lächelte wissend, es gab so viel Schlimmeres am Amazonas als das hier. Mit einer Pinzette entfernte sie eine Zecke nach der anderen von der Haut ihrer Freundin, vorsichtig darauf bedacht, sie mit den Köpfen heraus zu ziehen, um eine Infektion zu verhindern. Dann sprühte sie eine desinfizierende Creme darauf. Als das beendet war, war es an Morgan, sich um Kris' Behandlung zu kümmern und die medizinische Untersuchung führte zu weiteren, wesentlich angenehmeren und aufregenderen Dingen.
"Du starrst mich an." Bemerkte Morgan, als sie von ihrem Feldtagebuch aufblickte und warf ihrer Liebsten ein Lächeln zu. Obwohl sie eine Menge Katzenpfotenpflanzen lokalisiert hatten, versorgte Kris Morgan mit immer neuen Arten von Pflanzen, die von den Indianern verwendet wurden. Morgan hatte sie sorgfältig gepresst, identifiziert und archivierte jedes Exemplar in ihrem Journal für weitere Studien.
Kris erwiderte das Lächeln. "Mein Vorrecht," stellte die Kriegerin leidenschaftlich fest. "Ich habe gerade gedacht, dass du in diesem Teil des Amazonasbeckens wirklich gut zurecht zu kommen scheinst." Erklärte sie.
"Sind die anderen Gebiete denn so anders?" fragte Morgan und lehnte sich voller Aufmerksamkeit vor. Sie hatte schnell begriffen, dass Kris eine unerschöpfliche Informationsquelle über den Regenwald war. Und sie hatte auch gelernt, die wenigen Gelegenheiten zu nutzen, in denen sich die Kriegerin entspannt und zum reden bereit fühlte. Das geschah selten und in großen Abständen.
Kris dachte nach. "Nun ja, Regenwald ist Regenwald. Oberflächlich betrachtet ist es immer das Gleiche, egal wohin du gehst. Doch es gibt besondere Lebensformen in der Flora und Fauna, die regional unterschiedlich sein können. Das Amazonasbecken ist wellig, wie ein altes Waschbrett. Diese Aufwerfungen teilen das Gebiet in verschiedene Sektionen. Deswegen ist die Abholzung einzelner Teile auch so eine Tragödie, denn einmal vernichtet, ist die Vielfalt für immer verschwunden."
"So wie diese mysteriöse Pflanze in Peru." Erkannte Morgan.
"Genau, so in etwa." Stimmte Kris zu und legte die Waffe beiseite, die sie, auf dem Bett sitzend, gereinigt hatte. Sie wusste, dass Morgan nicht in ihre Nähe kommen würde, solange sie mit der Waffe beschäftigt war und sie musste sie jetzt aus der Hand legen, denn sie brauchte Morgans Berührung, so wie ihr Bruder seine Droge gebraucht hatte. Liebe. Liebe war eine wundervolle Art Droge, dachte Kris.
Morgan stand auf, kam herüber und setzte sich neben Kris. Die Kriegerin zog sie sofort in die Arme. So war Kris. Sie fragte nie. Zeigte selten Unsicherheit. Und hatte doch diesen Blick in ihren Augen, wie ein verlorenes, verletztes Kind und dann wusste Morgan, dass sie ihre Umarmung brauchte, um mit den Schatten ihrer Erinnerungen fertig zu werden. Sie saßen still beieinander und während die kleinere Frau sich im Flimmern des Kerzenscheines auf Kris' dunkler Haut verlor, genoss ihre unsichere Liebste die Wärme, die sie nur bei ihr finden konnte.
"Hey!? Seid ihr beide salonfähig?" tönte Petes Stimme von draußen aus der Dunkelheit.
Kris stöhnte. "Komm rein, Peter." Rief sie und hielt Morgan fest, um ihr zu versichern, dass sie keine Veranlassung hatte, ihre Liebste loszulassen, egal, wer herein spazierte. Morgan lehnte sich zurück in Kris Arme. In ihrer Körpersprache ließ sie erkennen, dass sie sich in ihrer Liebe sehr wohl fühlte.
Pete hüpfte mit seinem komischen Wackelgang aus der Dunkelheit und ließ sich in den Sessel fallen, den Morgan vor nicht allzu langer Zeit verlassen hatte. "Muss heute Kaimane fangen, Kris. Könnte ein wenig Hilfe gebrauchen. Ich werde langsam ein wenig zu alt, um vom Kanu ins Wasser und wieder zurück zu hopsen."
"Klar doch Pete. Ich bin froh, dass ich dir helfen kann. Du kannst dich um das Kanu kümmern und Morgan kann die Lampe halten, während ich über Bord springe, um die Krokos zu schnappen." Organisierte Kris und zog Morgan mit sich auf die Füße.
"Augenblick mal!" unterbrach Morgan und streckte ihre Arme aus, um diese beiden Verrückten, die sie sehr liebte, aufzuhalten. "Deine bessere Hälfte braucht ein paar mehr Informationen. Verstehe ich das richtig, dass Kris für dich mitten in der Nacht in den Fluss springen wird, um Alligatoren mit den bloßen Händen zu fangen?!"
Pete und Kris schauten sich an und zuckten mit den Schultern. "Ja." Sagten sie beide unisono.
"Kommt gar nicht in Frage!" erwiderte Morgan und zog Kris am Arm. "Wenn du nichts dagegen hast, wäre es schön, wenn meine Ehe länger dauert, als nur bis nächsten Monat!"
Peter kicherte. "Pantoffelheldin." Murmelte er hinter seiner Hand.
Kris wurde rot und verspannte sich. "Ach, Morgan, es ist OK. Ich habe das schon oft gemacht. Wir sind nur hinter ein paar kleinen her. Du wirst sehen, es ist relativ sicher."
Morgan schaute ihre Partnerin an. "Relativ, ja? Großartig. Ich bin Ärztin, ich weiß Bescheid. Wenn es nur kleine sind, dann sind meistens Mama und Papa Alligator in der Nähe."
Kris hob eine Augenbraue und sah Peter an. Peter sah Morgan an. Morgan seufzte.
"OK. Aber ich werde dich nicht zusammenflicken, wenn dich so ein Alligator beißt, Thanasis!"
Peter und Kris strahlten wie kleine Kinder, denen man gerade erlaubt hatte, alleine auf den Rummel zu gehen. "Es macht wirklich Spaß, Morgan." Sagte sie. "Du wirst es sehen." Beruhigte sie Morgan, während die drei zum Ufer hinab gingen.
Keine der Frauen war überrascht, dass Peter bereits alles Notwendige zusammengepackt und in das Kanu geladen hatte. "OK. Wir werden mitten in der Nacht Alligatoren fangen, warum?" fragte Morgan und setzte sich auf ein Holzbrett, das als Sitzbank fungierte.
"Die Alligatoren sind gefährdet, Morgan. Pete und die anderen kennzeichnen sie, damit die Populationen gezählt und studiert werden können und eine Plan zu ihrem Schutz aufgestellt werden kann." Erklärte die Kriegerin und trieb sie mit kräftigen Paddelschlägen durch die Dunkelheit. Morgan schaute sich um, doch sie konnte nichts erkennen, außer den Sternen über ihrem Kopf. Der Fluss und der Wald waren nur schwarze Schatten, tatsächlich konnte sie noch nicht einmal Kris richtig sehen, die das Kanu gleichmäßig den Fluss hinunter paddelte und die praktisch direkt vor ihr saß.
Nach einer gewissen Zeit glitten sie leise am Uferrand entlang und Kris bedeutete Morgan, die Lampe einzuschalten. Rote, kleine Augen starrten sie aus den Wurzeln am Ufer her an. Kris balancierte auf den Zehen, während Peter das Kanu lautlos näher heran steuerte. Fast ohne einen Spritzer war Kris über der Seite verschwunden und griff im brusthohen Wasser nach einem gut einen halben Meter langen Körper, der versuchte, durch die Wurzeln zu entkommen. Mit beträchtlichem Getöse wehrte sich der Kaiman gegen seine Gefangennahme, aber Kris hielt ihn an der Schnauze und den Hinterbeinen fest im Griff und übergab ihn an Pete. Dann zog sie sich zurück in das Kanu und bereitete die Markierung vor. Mit einem Ring streifte sie die Plastikplakette über ein Bein ihres ‚Opfers' und Pete setzte ihn zurück ins Wasser.
Morgan beobachtete das Ganze fasziniert. Der Scheinwerfer beleuchtete ihre Liebste mit scharfem Strahl, goldene Muskeln bewegten sich, glänzend vor Nässe, während diese mit der primitiven Stärke dieses Ungeheuers in ihren Händen kämpfte. Es war wie ein Flashback aus einer längst vergangenen Zeit. Die wilde Schönheit dieser Szene erreichte sie und berührte etwas in ihrem Inneren, das sich Morgan nicht erschließen wollte, aber es schien ihr, als wäre es ein zarter Erinnerungsfaden daran, dass sie etwas ähnliches schon erlebt haben könnte.
Kris spürte Morgans Augen auf sich und setzte sich ihr gegenüber auf den Boden. Morgan schaute in das starke, kantige Gesicht, umrahmt von dunklem, nassen Haar. Begehren durchströmte sie wie eine Welle und verfing sich in ihrem Bauch. Kris warf ihr ein lässiges, sexy Lächeln zu, beugte sich vor und fing Morgans Lippen ein. Oh Gott! Genau hier. Gleich auf der Stelle! Schrien Morgans Sinne.
"Würdet ihr beide das lassen!" grollte Peter und Kris wich zurück und zwinkerte ihrer Liebsten mit den Augen ein Versprechen zu.
"Zur Hölle, habt ihr Frauen vergessen, dass hier ein Mann ist, der ein Gelübde abgelegt hat!"
Morgan und Kris schauten den schroffen und fluchenden alten Mann an und brachen in Gelächter aus.
Peter grummelte noch eine Weile gutmütig herum. "Das habe ich davon, dass ich euch beide getraut habe. Jetzt rächt ihr euch dafür an mir!"
Sie paddelten durch die Nacht und markierten etwa ein halbes Dutzend weitere Kaimane, bevor sie zurückkehrten. Morgan half den beiden ‚Kroko'jägern die Ausrüstung in Petes Lagerhütte zu schaffen. Dann spazierte sie Hand in Hand mit Kris zurück zu ihrem Quartier. Sie wusste, dass ihre Kriegerin müde war. Auch kleine Alligatoren konnten sehr stark sein und das Wasser hatte den Körper ihrer Liebsten ausgekühlt.
"Ich werde nur schnell duschen und den Krokodilgeruch abspülen." Gähnte Kris. "Warum gehst du nicht vor und wärmst das Bett für mich an?!"
Morgan küsste die Freundin sanft auf die Lippen. "Lass mich nicht zu lange warten, meine Jägerin. Du brachst Ruhe." Kris nickte und verschwand in der Dunkelheit.
Sie kam nicht zurück.


Teil 5 - Conclusion
Kris' Rückkehr ins Bewusstsein war sowohl schmerzhaft, als auch von Übelkeit begleitet. In ihrem Kopf drehte sich alles und der Schwindel ließ ihren Magen aufbegehren. Sie erkannte, dass sie sich übergeben musste und hustete um ihre Brust von dem Druck zu befreien. Sie entdeckte nun, dass sie an den Armen durch das Unterholz geschleift wurde, ihre Fersen holperten über den unebenen Boden. Sie fühlte sich versucht, sich zu wehren, aber die Anstrengung verursachte einen lähmenden, stechenden Schmerz in ihrem Kopf. Voll erwischt, schloss Kris in ihrem halb bewusstlosen Zustand. Jetzt bin ich in Schwierigkeiten.
Sie versuchte ihren Kopf anzuheben und auf ihrem Arm in Sicherheit zu bringen, ihre Nase lief und ihre Augen konnten sich nicht auf einen Punkt fixieren. Sie versuchte hart, nachzudenken, aber etwas anderes als der vage Eindruck, dass so etwas in ihrem Leben nicht ungewöhnlich war, hatte keinen Platz in ihrem Denken, bevor sie nicht wieder völlig zu Bewusstsein gekommen war. Scheiße, ich bin in großen Schwierigkeiten. Sie wurde einen Buschweg entlang geschleift und dann auf den Boden fallen gelassen. Der Aufprall brachte die Dunkelheit zurück und nahm den Schmerz mit davon.
************
Morgan stand auf und zog sich an. Irgend etwas stimmte nicht! Kris hätte schon längst wieder zurück sein müssen. Sie schnappte sich eine Taschenlampe und lief auf die Badehütte zu. Die Hütte war dunkel und Morgans Herz raste vor Angst. Sie beschleunigte ihre Schritte und legte die verbleibende Distanz so schnell zurück, wie sie konnte.
Angekommen, leuchtete sie die Hütte ab. Keine Kris, sondern nur ein dicker Streifen Blut am Rahmen der Hintertür. Morgan wirbelte herum und machte sich, laut seinen Namen rufend, auf den Weg zu Peters Hütte.
"Pete! Pete!" schrie sie und stolperte die Stufen hinauf. "Bogara und seine Männer haben Kris! Pete, um Gottes Willen, wach auf!" rief sie und klopfte an die Tür. Diese öffnete sich und Morgan stürzte gegen den zerstrubbelten alten Mann.
"Sie ist nicht von Duschen zurück gekommen. Dort ist überall Blut. Ich glaube, sie haben sie auf dem Rückweg erwischt." Erklärte die zitternde Frau eilig, während Peter sie an den Schultern gefasst hielt.
Peter fluchte und verschwand in seiner Hütte, er kehrte mit einer Pistole, einem Messer und seinem ‚Erste-Hilfe-Koffer' zurück. Er warf ihn Morgan zu. Ohne ein Wort ging er in Richtung Badehaus, Morgan folgte ihm auf dem Fuße. Dort nahm er Morgans Lampe und betrachtete sich den blutigen Beweis. Drei Fußabdrücke waren zwischen den Blutspuren zu erkennen. Dann knipste er die Taschenlampe aus und gab sie Morgan zurück. "Wir müssen uns beeilen." Kommandierte er und verschwand in der Dunkelheit mit einer verängstigten Morgan im Schlepp.
Sie bewegten sich rasch und schweigend. Es war klar, dass Peter wusste, wohin sie sich zu wenden hatten. Er hielt erst an, um mit Morgans Lampe eine Weggabelung zu prüfen, dann fluchte er leise und folgte dem Pfad noch schneller. Bald konnten sie vor sich das Licht einer Öllampe ausmachen. Rauhe Männerstimmen klangen zu ihnen herüber. Peter stoppte und entsicherte seine Pistole, dann zog er das Messer und gab es Morgan. Eine Sekunde lang zögerte sie, dann biss sie die Zähne zusammen und griff nach dem Messer. Hier ging es um Kris. Sie war bereit, was immer es kosten mochte, sie von den Männern ihres Vaters zu retten.
Sie krochen vorwärts, als die Luft plötzlich von einem lauten Knall zerrissen wurde, dem Kris' Schreie folgten. Die beiden stürmten auf die Lichtung. Kris war an den Strafbaum gebunden, Blut lief über ihr Gesicht. Tausende Ameisen liefen über sie, während sie sich vor Schmerzen wand. Im Loslaufen hörte Morgan einen Schuss durch die Dunkelheit hallen. Sie schlüpfte hinter Kris und schnitt mit dem Messer die Stricke durch, mit denen die große Frau an diesen schrecklichen Baum gefesselt war. Sie war sich kaum bewusst, dass um sie herum ein Schusswechsel ausgebrochen war, ihre ganzen Sinne waren auf die Frau gerichtet, die sich schreiend vor Schmerzen auf dem Boden wälzte. Beim Durchschneiden der Stricke hatte Morgan selber ein paar der schmerzhaften, scharfen Bisse abbekommen, sie konnte sich vorstellen, was Kris gerade durchmachte.
Sie griff ihre Freundin an den Füßen und zerrte sie zu einem kleinen Bachlauf in der Nähe, ließ sie hineinfallen und schälte sie aus ihrer Kleidung. Die Ameisen bissen wütend in ihre Hände während sie behutsam den Körper der Liebsten abspülte und schließlich immer weniger ihrer Peiniger übrig blieben. Jetzt erst konnte Morgan lange genug inne halten, um ihre Taschenlampe einzuschalten. Kris' Haut war übersäht mit schrecklichen, blutenden Bissen. Sie rang nach Atem und lief schließlich blau an.
Ein anaphylaktischer Schock, erkannte Morgan und suchte verzweifelt in Peters Medikamententasche, wohl wissend, dass ihr nur Minuten blieben, um das Leben ihrer Partnerin zu retten.
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Mit einem Schrei war Peter losgestürmt, denn er wusste, was mit seiner Freundin passierte. Er enterte die Lichtung und richtete seine Pistole auf die drei Männer, die lachend Kris' Tortur zuschauten. Morgan rannte an ihm vorbei und versuchte, Kris los zu bekommen. Und dann war die Hölle losgebrochen. Einer der Männer duckte sich nach seiner Waffe, die gegen den Baum gelehnt war und Peter feuerte drauflos. Ein weiterer zog einen Revolver, aber er wurde von Peters zweitem Schuss getroffen, bevor er seine Waffe auf ihn richten konnte. Der dritte Mann hob seine Hände und flehte Peter an, Mitleid zu haben. Es kostete ihn große Überwindung, ihm nicht auch noch direkt den Kopf weg zu schießen.
"Leg dich auf den Bauch und nimm die Hände über den Kopf, Beine über Kreuz!" herrschte Peter ihn an. Der verängstigte Mann gehorchte folgsam und Peter schaute sich nach etwas um, womit er den Gefangenen fesseln konnte. Durch die Dunkelheit konnte er Morgan, die immer wieder leise Kris Namen rief, schluchzen und das Rauschen von Wasser hören.
Er schnürte den Verbrecher zusammen und ging, um Morgan zu finden. Kris' nackter Körper lag still im Wasser, geisterhaft weiß im aufsteigenden Licht des Mondes. Ihr Gesicht war vollkommen blutleer. Der Körper war geschwollen und übersäht von Bissen, die sich langsam blau verfärbten. Morgan saß daneben im Schlamm, Kris' Hand in der ihren und einen Ausdruck blanken Horrors in ihren Zügen.
"Morgan?" flüsterte Peter.
Morgan schaute auf. "Pete, hilf mir. Ich muss sie zur Hütte zurück bringen. Wir brauchen eine Trage."
Peter sah auf die Frau im Wasser. "Ist es schlimm?"
Morgan schluckte hart und flüsterte. "Sehr. Ich habe dein Serum gegen Schlangenbisse verwenden müssen. Das hat ein wenig geholfen, aber ihr Kopf... ich weiß es nicht."
Peter nickte und ging, um eine Holzbohle aus seiner Werkstatt zu holen. Sie schoben sie vorsichtig unter die bewusstlose Frau und banden sie sorgfältig darauf fest.
Langsam und behutsam trugen sie sie zurück in ihre Hütte und legten sie auf dem Tisch nieder. Peter griff sich die Laken vom Bett und bedeckte sie damit, während Morgan ihre eigene Medikamententasche holte und Kris Körperfunktionen untersuchte.
Peter trocknete Kris' Körper ab, holte ein weiteres frisches Laken und eine Decke und hüllte sie damit vorsichtig ein. In der Zwischenzeit reinigte und verband Morgan die schreckliche Kopfwunde und mischte dann eine Lösung, um damit den Körper zu waschen und eine mögliche Infektion zu verhindern. Anschließend gab sie Kris eine Spritze.
"Und?" fragte Peter.
Morgan ließ sich schwer auf den Stuhl sinken und hielt die kalte Hand ihrer Lebensgefährtin fest. "Es ist kaum noch Leben in ihr, Peter," flüsterte sie schmerzerfüllt. "S... sie... ich glaube, wir sollten ihr die letzte Ölung geben." Fügte Morgan unter Tränen hinzu, die über ihr Gesicht liefen. Peter nickte und verließ die Hütte, um sich vorzubereiten.
Nach Peters Gebeten setzte sich Morgan neben ihre Liebste, den Kopf auf das feuchte Holz des Tisches gelegt. Sie lauschte auf das schwache Atmen der Freundin und ihr Herz zog sich bei jedem rasselnden Atemzug vor Angst zusammen. Peter verschwand leise, um nach dem Gefangenen zu sehen und die Toten zu begraben. Danach schaltete er sein Funkgerät ein und bat die Behörden, ihnen eine Patroullie zu senden.
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Dreiundzwanzig Stunden später saß Morgan noch immer bei ihrer Seelengefährtin. Sie hatte ihre Seite nur verlassen, wenn es unabdingbar gewesen war und dann hatte Peter sie bei der gefallenen Kriegerin abgelöst. Sie hatte in ihrem Sessel neben Kris' kalten Händen geschlafen und sich mit jeder Sekunde, die verstrich, gewünscht, sie möge am Leben bleiben.
"Morgan!" Ein kleines Flüstern, das der Ärztin an die Seele griff.
Sie setzte sich auf und beugte sich dicht über Kris geschwollenes und verwundetes Gesicht. "Wie geht es meiner Jägerin?" fragte sie mit zitternder Stimme.
"Fühl mich nicht so gut. Bist du OK?" kam die schwache Erwiderung, nach einem Moment des Zögerns.
"Mir geht es gut. Schau her, ich will, dass du meinem Finger folgst. Gut so. OK. Kannst du meine Hand drücken?" Morgan arbeitete sich langsam durch die gesamten Grundlagentests und erkannte voller Freude, dass Kris in der Lage war, sich zu bewegen, zu sprechen und die Dinge um sich herum zu erkennen. Ihre Reflexe waren verzögert, aber sie zeigte, so unglaublich es war, Anzeichen der Genesung.
Tränen liefen über ihr Gesicht.
"Warum weinst du denn?" fragte ihre Patientin.
"Hier, du musst etwas Wasser trinken. Es ist wichtig. Komm schon." Kris sog folgsam an einem Strohhalm.
"Ich bin ziemlich angeschlagen, was?" räsonierte Kris.
Morgan lachte. "Ja, ein wenig." Erwiderte sie und strich mit flatternden Händen Kris die feuchten Haare aus Stirn und Augen. "Aber ich glaube, jetzt wird es bald besser werden."
Kris lächelte. "Gut. Ich liebe dich, Morgan."
"Ich weiß. Ich dich auch, Kris."
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Morgan saß in einem Bambusstuhl auf einer Veranda in Los Amazonos. Nach vier Monaten im Regenwald erschien es ihr seltsam, dies alles zu verlassen und in die Staaten zurück zu kehren. Dieses fremde und wundervolle Land war wie eine Heimat für sie geworden.
Sie beobachtete eine große, fahle Kriegerin, die mit Carlos über das raue Gras spazierte. Ihre Seelengefährtin umarmte den loyalen Führer und küsste ihn auf die Wange, dann drehte sie sich herum und kam auf Morgan zu. "Das Flugzeug ist bereit."
Morgan nickte und stand auf, um ihrer Kriegerin zu folgen. Ein letztes Mal drehte sie sich herum und warf einen Blick auf die Lodge.
"Versprich es mir, Kris, dass wir immer wieder zurück kommen werden." Bat Morgan und warf einen Blick in diese bemerkenswert blauen Augen.
"Ich verspreche es." Lächelte Kris und zog die kleine Frau an sich, so dass ihr Kopf bequem unter ihrem Kinn lag. "Aber mein Zuhause bist du."
"Und du bist meines, Kriegerin."

Ende



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